„In der Stichwahl der rumänischen Präsidentenwahl am 18. Mai 2025, treten mit George Simion (AUR) und Nicușor Dan (parteilos) zwei Kandidaten an, die sich ganz explizit gegen das von Klientelismus, Korruption und Impunität geprägten „System“ positionieren. Der rechtspopulistische George Simion ist ein bekennender Fan des MAGA-Politikkonzepts und von Donald Trump, setzt im Wahlkampf auf Isolationismus, Nationalismus und Gebietsrevanchismus. Der liberale Nicușor Dan vertritt das pro-europäische, moderate, wirtschafts- und reformorientierte Gegenbild eines weltoffenen Rumäniens. Die Wähler entscheiden am Sonntag darüber, wer von beiden ihr nächster Präsident wird.
Den ersten Wahlgang der rumänischen Präsidentenwahlen am 4. Mai 2025 hat George Simion, der rechtspopulistische Kandidat und Vorsitzender der Partei AUR (dt. „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“), mit fast 41% der Stimmen klar gewonnen. In der Stichwahl am 18. Mai 2025 tritt gegen ihn der amtierende Oberbürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, als parteiloser Kandidat an. Nicușor Dan hat in der ersten Runde knapp 21% der Stimmen erhalten. Damit setzte er sich mit nur 0,9% Vorsprung denkbar knapp gegen Crin Antonescu durch, den Kandidaten der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (PSD), Nationalliberalen (PNL) und der Vertretung der ungarischen Minderheit (UDMR). Crin Antonescu erkannte das Wahlergebnis und damit seine Niederlage noch am Wahlabend an. Am nächsten Tag trat der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu (PSD) zurück: Das schlechte Ergebnis des Kandidaten der Regierungskoalition zeige, dass die Koalition nicht mehr den benötigten Rückhalt in der Bevölkerung habe.
Alle gegen das System
In Rumänien kam nach der Revolution 1989 nicht die demokratische Opposition an die Macht. Die zweite und dritte Reihe der Ceauşescu-Elite übernahm das Ruder und etablierte sich im Kern der entstehenden Parteien und der staatlichen Institutionen. Die alte Geheimpolizei Securitate transformierte sich in gleich mehrere Nachrichtendienste. Rumänen bezeichnen dieses von Klientelismus, Korruption und Impunität geprägte Netzwerk als „das System“.
Der Wunsch vieler Bürger nach tiefgreifender Veränderung am „System“, fand lange kaum politischen Niederschlag. Insbesondere die zweite Amtszeit von Staatspräsident Klaus Iohannis war in dieser Hinsicht eine starke Enttäuschung. Von ihm hatten sich die Rumänen echte Reformen erwartet. Wahrgenommen wurde jedoch eine Verschlechterung der Lage durch die Bildung einer PSD-PNL-Koalition unter Johannis‘ Ägide. Das Zusammengehen der sozialdemokratischen PSD und der nationalliberalen PNL, den zwei klassischen Antagonisten der rumänischen Politik, hebelte aus Sicht vieler Rumänen die wechselseitige politische Kontrolle im Spiel der politischen Parteien aus.
Die politische Frustration über diese Entwicklung steigerte sich schon im ersten Anlauf zur Präsidentenwahl Ende 2024 bei vielen Wählern bis hin zur blanken Wut. Zu viele Bürger glaubten schlicht nicht mehr daran, dass sich durch schrittweise politische Reformen Besserung erzielen lasse. Das in sorgfältig kuratierten TikTok-Videos aufs Smartphone gelieferte Versprechen Calin Georgescus von alter Ordnung, nationalem Stolz und Vergeltung an den „Volksverrätern“ verfing. Die Annullierung der Präsidentenwahl im Dezember 2024 wegen Einflussnahme und Verstößen gegen das Wahlgesetz, hat in diesem aufgeheizten Klima nicht zur Beruhigung beigetragen. Zudem zeichnete sich überzeugend genug ab, dass seitens der Regierung oder den politischen Parteien engagiert an der Behebung der vielfach kritisierten Missstände gearbeitet wurde.
Insofern verwundert es kaum, dass sich auch im zweiten Anlauf der Präsidentenwahl am 4. Mai 2025 erneut zwei explizite Anti-System-Kandidaten durchgesetzt haben. George Simion propagiert seit Jahren, er wolle das „System“ radikal zerschlagen. Seine Vorstellungen vom Neuaufbau sind dabei isolationistisch, nationalistisch und ähneln stark dem MAGA-Gesellschaftsbild. Auch Nicușor Dan tritt seit Jahren als anti-System Politiker für Wandel ein. Anfangs mit der reformorientierten Partei USR, jetzt als parteiloser Oberbürgermeister von Bukarest. Allerdings wirbt der liberale Nicușor Dan im Gegensatz zu Simion für ein pro-europäisches, wirtschafts- und reformorientiertes sowie weltoffenes Rumänien.
Unsichere Prognosen
Kurz nach dem ersten Wahlgang prognostizierten Umfragen 55% für George Simion und 45% für Nicușor Dan. Im Laufe der letzten Tage schmolz Simions Vorsprung. Eine spätere Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CURS sah George Simion nur noch 4% vor seinem Kontrahenten. Einen besonderen Stellenwert hat die von AtlasIntel am Freitag vor der Wahl veröffentlichte Umfrage, die Nicușor Dan erstmal mit 48,7% vor George Simion (47,8%) sieht. AtlasIntel bezog für dieser Prognose auch die Stimmen aus der rumänischen Diaspora mit ein. Beim ersten Wahlgang kamen rund 10% der abgegebenen Stimmen von der Diaspora. Ein erheblicher Einfluss, der üblicherweise von rumänischen Umfragen nicht erfasst wird.“
