Warum bei Netzprobleme am Ende alle bezahlen – und das Klima auch, weiß Thomas Schoy, Mitinhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Privates Institut:
„Der Klimaschutzplan Deutschlands hängt nicht allein an der Zahl neuer Solarmodule oder Windräder. Strom aus Sonne und Wind fließt heute schon in fast jedes deutsche Haus. Eine aktuelle Analyse im Auftrag von Green Planet Energy und Greenpeace zeigt: Die Geschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer Energien prägt nicht nur die Stromversorgung, sondern auch die Klimabilanz in Verkehr und Wärme und damit am Ende die Stromrechnungen aller Haushalte.[1] Strompreise setzen sich nicht allein aus Erzeugungskosten zusammen, sondern auch aus Netzentgelten, staatlichen Abgaben und Steuern. Gerade die Netzentgelte steigen, wenn erneuerbarer Strom nicht genutzt wird und fossile Kraftwerke einspringen müssen. Im ambitionierten Szenario steigt die Photovoltaikleistung bis 2035 auf 215 Gigawatt, Windkraft an Land auf 115 Gigawatt und Offshore-Anlagen auf 30 Gigawatt. Sechs Millionen Wärmepumpen heizen Gebäude und 15 Millionen Elektroautos fahren auf den deutschen Straßen. Das gebremste Szenario verfehlt diese Werte deutlich – etwa 123 Gigawatt weniger Leistung, weniger Wärmepumpen und weniger E-Autos.[2]
Flaschenhals Netzanschluss
Beim Strom selbst unterscheidet sich der CO2-Ausstoß nur um rund zwei Prozent. Doch im Wärmesektor fallen im gebremsten Szenario bis 2035 zusätzlich 231 Millionen Tonnen CO2 an, im Verkehr bis zu 150 Millionen Tonnen.[3] Diese Mehrbelastung treibt langfristig sowohl die Klimakosten als auch die Energiepreise. Ein wesentlicher Bremsklotz liegt nicht mehr bei der Errichtung neuer Anlagen, sondern bei deren Integration. Zwar entsteht der physische Netzanschluss oft zügiger, die technische Einbindung in die Systeme der Netzbetreiber zieht sich jedoch über Monate. Diese Verzögerungen führen dazu, dass fertig installierte PV-Parks keinen Beitrag zur Netzstabilität leisten können, obwohl die Technik einsatzbereit ist. Für Betreiber großer Solarparks heißt das: Fertige Anlagen liefern keinen Strom, Kapital bleibt gebunden und die geplanten Erträge verzögern sich. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet es: Strom aus Erneuerbaren bleibt ungenutzt und fossile Kraftwerke springen stattdessen ein.
Abregelung als Kostenfalle
Überlastete Netze führen regelmäßig dazu, dass Anlagen eine zeitweise Abschaltung erfahren. Betreiber erhalten hier klassischerweise eine Entschädigung, die dann über die Netzentgelte finanziert wird. Diese Entgelte gehören zu den drei Hauptbestandteilen des Strompreises und sind für Versorger kaum beeinflussbar – sie werden von den Netzbetreibern direkt an alle Kunden weitergereicht. Auch daher steigen diese kontinuierlich an und machen inzwischen einen spürbaren Anteil der Stromrechnung aus. Die eigentliche Ironie liegt somit darin: Es kostet Geld, vorhandene saubere Energie nicht zu nutzen. Damit verdeutlicht die Studie auch, wie riskant das Missverständnis zwischen Elektrifizierung und EE-Ausbau wirkt: Steigt der Strombedarf in den Bereichen Verkehr und Wärme schneller als die Erzeugung aus Erneuerbaren, erhöhen sich die Emissionen im Stromsektor um acht Prozent. Umgekehrt senkt ein schneller EE-Ausbau die Emissionen um zehn Prozent, wenn Verkehr und Wärme langsam umgestellt werden, verschenkt jedoch Klimapotenzial.[4]
Gemeinsames Fundament
Für Verbraucher heißt das, der Netzausbau und Speicherlösungen entscheiden darüber, ob klimafreundlicher Strom jederzeit verfügbar bleibt und bezahlbar bleibt. Auch stabile politische Rahmenbedingungen und transparente Preisgestaltung sind entscheidend, um Vertrauen in die Energiewende zu schaffen. Und für Projektierer von PV-Flächenanlagen gilt währenddessen: Jedes fertiggestellte, aber ungenutzte Megawatt kostet doppelt – entgangene Erlöse und entgangene CO2-Einsparungen. Hinzu kommt das Risiko steigender Finanzierungskosten, wenn Projektlaufzeiten durch Netzengpässe unnötig in die Länge gezogen werden. Ohne parallele Investitionen in Netze, Speicher und klare Anschlussprozesse droht die Energiewende zu einer teuren Dauerbaustelle zu werden.“
Weitere Informationen finden Sie unter https://privates-institut.com/.
Autor: Thomas Schoy
Diplom-Kaufmann Thomas Schoy ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Privates Institut. Nach seiner Tätigkeit für Banken, Versicherungen und Finanzberatungsunternehmen war er einer der ersten Investmentberater, die sich auf das Thema erneuerbare Energien konzentrierten. Dabei setzte er etwa Beteiligungsmodelle für Onshore-Windparks um. Daneben vermittelt er sein betriebswirtschaftliches Know-how auch als Privatdozent in verschiedenen Instituten.

[1] https://green-planet-energy.de/fileadmin/docs/publikationen/Studien/enervis-studie-auswirkungen-erneuerbare-energien-ausbaugeschwindigkeiten.pdf
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
