Das Buch namens „Die Bergung“ des Philosophen und Literaturwissenschaftlers Kai Hammermeister ist ein weiteres Kleinod aus dem empfehlenswerten Hause CASTRVM (Wien). Auf etwa 100 Seiten liefert es natürlich keine ausgefeilte konservative Ästhetik, wie es Dietrich von Hildebrand auf andere Weise getan hat, aber doch überaus konzentrierte „Zurüstungen“ für eine solche, auf denen aufgebaut werden kann.
Stilistisch erinnert es an die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han, der auch klare Argumentationsketten mit teilweise harter Fügung knapper Sätze schätzt. Erfreulich dann, dass ein philosophischer Essay im Deutschland von 2025 ein Motto hat, das „A. M. G. D.“ lautet: Auch wenn Hammermeister einmal meint, dass eine „rein theologische Antwort das philosophische Fragen verstelle“, ist er doch keiner, der die obsolete radikale Trennung von Theologie & Philosophie betreibt.
Seine primären Gewährsleute sind, bei dieser Zielsetzung nicht unerwartet, Heidegger und Nietzsche, aber er führt überraschende Bezüge an von z. B. Günther Anders („negative Ontologie“) und Sedlmayr/Ortega y Gasset („Mensch in der Kunst“) – überraschend in seinem keineswegs nur affirmativen, sondern kritisch weiterdenkenden Umgang mit ihnen.
Worum geht es? Um „Bergung“. In der Kunst wird das Bedrohte, u. a. die Heimat/Heimkunft und die Tradition, geborgen. Wahre Dichtung ist Bergung. (Überhaupt liegt die Betonung unter den Künsten auf derjenigen Kunst, die mit Sprache zu tun hat – obwohl Beispiele aus anderen Kunstformen wie der Malerei zeigen, dass die Analyse für alle wahre Kunst richtig sein dürfte.) Da Bergung auch Verbergung bedeutet, kann sie strategisch genutzt werden, als Strategie der Macht. Hier liegt das „Protopolitikum“ der Kunst: Sie begleitet die Politik, sie birgt das Gemeinwesen ästhetisch. Darin kann auch dessen Rettung liegen. Hammermeister hütet sich davor, die moderne Kunst an sich zu verurteilen, bringt aber doch einige Beispiele, die verdeutlichen, welche Erwartungen an sie als wahrer Kunst zu richten sind.
Am Ende des in neun Kapiteln exerzierten Gedankengangs wird klar: Das künstlerische Werk zeigt das Heilige. Die Kunst birgt Gott, den Grund von allem. – Diese Einsicht ist nicht neu, und russische Philosophen wie Iwan Iljin haben diese Wahrheit viel einfacher dargelegt (siehe dessen „Philosophie der Religion“, deutsch Wachtendonk, Philosophia Eurasia, 2025). Im Westen, nach der v. a. seit der Französischen Revolution eingetretenen Entgöttlichung und Vernutzung von allem und jedem, ist es aber eine große Leistung, in dieser zwar komplexen, aber doch kondensierten und daher gut lesbaren Weise (wieder!) zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Man kann dem Werk nur möglichst viele (aber nicht: massen-haft) Leserinnen und Leser wünschen!
Etwas unverständlich ist, wenn Hammermeister das „hermeneutische Dunkel“ und den „Tanz der Begriffe“ schätzt, wo er sich doch selbst klar und eindeutig ausdrückt (auch wo er vom Rätsel der Sprache schreibt). Sein Plädoyer für Literarizität und gegen die Analytische Philosophie ist ebenfalls problematisch, da erstere zwangsläufig mit (literarisch erwünschter, philosophisch aber doch wohl unerwünschter) Mehrdeutigkeit einhergeht und letztere außer der angelsächsischen auch andere Richtungen umfasst, welche die Kritik nicht trifft. Das sind jedoch Nebenschauplätze.
Es ist sicher nicht falsch, Hammermeisters Essay als Manifest für das Projekt CASTRVM (und das Magazin FIUME) zu lesen. Über Kultur und Kunst soll ein „gutes Deutschland“ aufgebaut werden, ein Land, „das uns das liebste scheinen mag so wie andern ihrs“ (Brecht). Dazu muss wieder bewusstwerden, dass wahre Kunst und damit auch deren Rezipienten immer elitär waren und sind. Eine solche Elite kann es nur sein, die das politische Potenzial der ästhetischen Bergung entfaltet.
Kai Hammermeister: Die Bergung. Zurüstungen für eine konservative Ästhetik. Wien, CASTRVM, 2025.
