Bestsellerautorin Juli Zeh, die vor vielen Jahren ein „Kleines Konversationslexikon für Haushunde“ mit verfasste, bekannte unlängst – beim Schreiben sei sie am glücklichsten. Glück, diese Gabe, dieses Ringen, dieser Streit mit und um die Worte, um eine Ästhetik in Perfektion zu entfalten, Sätze wie aus einer Wunderhand zu schaffen, akribisch und voller Sorgfalt, gefaltet wie eine Kathedrale in Worten – kaum ein anderer als Thomas Mann (1875-1955), dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, war diese Gabe in die Hände gelegt.
Ein vermeintliches Idyll: „Herr und Hund“
Legendär waren sein perfektionierter Arbeitsrhythmus, sein täglich zu absolvierendes Pensum, die absolute Disziplin und konzentrierte Routine, insbesondere in den Morgenstunden, der bewusst unflexible Tagesablauf und eine fast bis auf die letzte Minute minutiöse Taktung des Alltags, die Mann jene Produktivität schenken, die er seinerseits mit einer Fülle von Werken seinen Lesern zurückgab. Und ausgerechnet dieser bedeutende Erzähler des 20. Jahrhunderts und Nobelpreisträger war buchstäblich auf den Hund gekommen. Doch in der Weltgesichte der Berühmtheiten war er keineswegs der Einzige. Preußenkönig Friedrich II. brachte seinen fragilen Windspielen mehr Liebe entgegen als seiner Frau. Richard Wagner schrieb Vermissungsbriefe, in denen er sich mehr nach seinem Hund als nach seiner Vertrauten sehnte. Der Philosoph Arthur Schopenhauer hatte eine nie abreißende Pudel-Polonaise. Winston Churchill schmuste mit Pudeln und Pablo Picasso behandelte seine Lebensabschnitthunde wie Musen. Liebevoll und ironisch, fast im Rausch kindlicher Faszination, aber auch voller lebensweltlicher Realität schreibt Mann sein bürgerliches Hundebekenntnis in einer Detailgetreue, die zeigt, wie der Literat die Wirklichkeit dieser Existenz wahrgenommen und wie sie ihn in faszinierte. Wie Goethe die Natur betrachtete, so Mann seinen Hund, dessen Eigensinn. Doch bei aller Liebe zu dieser Existenz wird deutlich, wer Herr und wer Hund ist. Beschreibt der Literat seine Idylle, in die er sich in den Tagen des Ersten Krieges nach München-Bogenhausen zurückgezogen hatte, so steckt hinter dieser, die er mit allen Schönheiten ausmalt und damit seine Sehnsucht nach Innerlichkeit unterstreicht, eine vielfältig tiefgestaltete Bedeutungsebene.
Lob des Hybriden und Vermischten
Es sind die Schrecken des Krieges, die in diese Zeit hineinfallen, denn „flussaufwärts üben sich die Pioniere im Brückenbau – und die Tritte ihrer schweren Stiefel und das Geschrei ihrer Befehlshaber schallen herüber und verkünden Uniformität und Gleichschritt. Darin äußert sich Unbehagen für Mann, dessen Mutter brasilianischer Herkunft war und auf die er stolz gewesen ist. Auch sein Hühnerhund entspricht keinem „Idealbilde reiner Züchtung“, er ist ein Mischling, der „gewiss keinem Akt hochnäsiger Inzucht sein Dasein verdankt“ und für jene unzulässig gelten wird, „dem die Gesetze der Art vor den Persönlichkeitswerten gehen.“
Mit seinem Lob des Hybriden, einer Mischung aus zwei unterschiedlichen Kulturen oder Traditionen, erteilt Mann jedweden Reinheitsfetischismus, der in jedem Rassismus wirksam ist, eine radikale Absage. So unpolitisch die Hundeidylle erscheinen mag, ist sie es nicht. Sie bleibt eine Warnung an alle, die dem Rassenwahn und dem Nationalismus verfallen sind. Von der Unterstützung der deutschen Kriegspolitik in seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ hatte er sich nunmehr verabschiedet und in seinen Radiosendungen „Deutsche Hörer!“ wird er ein harsches Urteil über den Nationalsozialismus fällen und die Unvereinbarkeit dieser Unkultur mit der deutschen Kultur hervorheben.
