Ein philosophier Essay über den Namen der internationalen Sportfeste „Olympische Spiele“

Fahrrad in Salzburg, Foto: Stefan Goß

von Çağıl Çayır

Pierre de Coubertin (1863 – 1937) war ein französischer Adliger, Pädagoge und Historiker. Überzeugt von seiner Olympischen Idee als Mittel zur Völkerverständigung, setzte er 1894 in Paris die Gründung des IOC[1] durch.[2] Angesichts der seit mehr als einem Jahrhundert statt findenden neuzeitlichen Olympischen Spiele und ihrer globalen Ausmaße bietet es sich an die Idee des coubertinischen Olympismus zu beleuchten. Dazu möchte ich ausgehend vom Namen der neuzeitlichen Olympiaden zentralen Fragestellungen nachgehen, wie nach Merkmalen des neuen Olympismus, der antiken Überlieferung und der Umsetzung der neuzeitlichen Olympischen Spiele. Dem Ancienitäts-Prinzip entsprechend, nach welchem Neues mit alten Namen weniger befremdend wirke, zu weilen Verehrung erfahre, vermittelte die Betitelung neuer internationaler Sportfeste im 19. Jahrhundert als Olympisch einen antiken, somit alten, vertrauten, richtigen und legitimen Eindruck. Im historischen Kontext ist die Namenswahl in die Zeit des Auflebens antiker Begriffe in Europa ein zu ordnen. Diese seien am Ende des 19. Jahrhunderts vor Allem in der Durchsetzung neuer Staats- und Gesellschaftsstrukturen mit Namen, wie Demokratie und Gymnasium, gebraucht worden. Des Weiteren fällt die Veröffentlichung der Olympischen Idee Coubertins in die Zeit der archäologischen Entdeckung des antiken Olympia, wodurch der Name „Olympisch“ bereits ein aktuelles Gesprächsthema war.[3] Aus antiken Überlieferungen übernommene Rituale und Bräuche, wie Veranstaltungen im Vier-Jahres-Intervall, Fackellauf und Olympisches Feuer unterstreichen den Anschein der Historizität. Allerdings ist mit diesen oberflächlichen Merkmalen wenig über die geistige Einigkeit des Olympismus mit antiken Olympiaden verdeutlicht. Das bekannte Motto der neuzeitlichen Olympischen Spiele „Dabei sein ist Alles!“ verweist auf ein pädagogisches und philosophisches Wesen dieser seit 1896 stattfindenden internationalen Sportveranstaltung. Mit diesen führte Coubertin die in der europaweiten Sportbewegung des 18./19. Jahrhunderts verstreute Verbreitung der Leibesübungen zusammen und machte auf den Kern aller Sportarten aufmerksam. Nach Coubertin haben alle Sportarten die ursprüngliche Zweckmäßigkeit des Sports gemeinsam, die „Beherrschung der Natur.“[4] Wobei er Mannschaftssportarten, wie Fussball von Sportarten wie Schwimmen und Rudern differenziert. Beim Fussball sei der ursprüngliche Sinn und Zweck des Sports nicht so präsent, wie bei Sportarten, welche unmittelbar mit den Naturgewalten funktionierten. Klettern, Reiten, Laufen, Rudern, Ringen etc. seien Disziplinen, welche das Überleben in der Natur wahrscheinlicher machen würden. Es sei naturgegeben, dass heranwachsende Menschen in sportlichen Spielen und Wettkämpfen ihre zum Überleben notwendigen Fähigkeiten trainierten. Dabei sei es unnatürlich bei sportlichen Tätigkeiten einzig das Gewinnen ans Ziel zu setzen, da die eigentliche Zweckmäßigkeit eine viel bedeutendere sei. Dem entsprechend führt Coubertin an:

„Das Wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, es ist der Kampf; Das Wesentliche ist nicht gesiegt sondern sich wacker geschlagen zu haben. Diese Regel weit verbreiten, heißt die Menschheit tapferer und stärker – und dennoch edelmütiger und feinfühliger zu machen.“5

Dem cartesianischen Dualismus entsprechend, warnt Coubertin die moderne Gesellschaft vor der Vernachlässigung der körperlichen Ertüchtigung und der ihm nach unnatürlichen Erziehung der Jugendlichen allein auf ihre intellektuellen Fähigkeiten hin. Dieser Leitidee ging vor Allem die Erfahrung des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 voraus, bei welchem nach Coubertin zu erkennen gewesen sei, wie unberechenbar körperliche Fähigkeiten jedes Einzelnen gefordert werden könnten. Dem darwinistischen Prinzip „survival of the fittest“ entsprechend ruft er daher nicht allein zum Sieg, sondern zur stetigen körperlichen Tätigkeit in Form von Sport auf, um eine Gesellschaft überlebensfähiger, weil naturgemäßer zu machen. Wo christliche Nächstenliebe zu viel verlangt sei, könne nach Coubertin der sportliche Wettkampf zwischen Nationen helfen gegenseitigen Respekt und Anerkennung zu fördern. Dabei sollten Jugendliche aller Nationen zum Sport motiviert und Ihnen der sportliche Wettkampf mit Menschen fremder Kulturkreise ermöglicht werden, um unter anderem kriegerischen und feindlichen Auseinandersetzungen vor zu beugen, da die Teilnehmer und Zuschauer sich bereits kennen und im besten Falle schätzen lernten. In wie fern diese Idee den Teilnehmern und Zuschauern bis lang vermittelt wird ist in Frage zu stellen. Es ist zu erkennen, dass Coubertins Motivation zu internationalen Sportfesten in erster Linie modernen Problemstellungen und Denkweisen entsprang und zu antworten suchte. Die antiken Olympiaden, auf welche sich der Name „Olympische Spiele“ beruft, waren ein panhellenisches Fest und religiöses Ritual, welches alle vier Jahre im Olympischen Stadion statt fand. Die Versammlung hellenischer Stämme galt zu Ehren der Götter und des obersten Gottes des Olymps Zeus. Die Teilnehmer waren männliche Söldner und Soldaten, welche zu Zeiten olympischer Feste Waffenruhe walten ließen und sich in Olympia unbekleidet im sportlichen Wettkampf mit einander missten. Für Frauen, Sklaven und Nicht-Griechen war die Teilnahme an Olympiaden ausgeschlossen. Davon unterscheiden sich die neuzeitlichen Olympiaden diametral: Teilnehmer sind Frauen und Männer, idealer Weise Amateure und sie treten bekleidet zum Wettkampf an. Der internationale Charakter der Olympischen Spiele ist dabei eine weitere Unterscheidung von antiken Olympiaden, da sie verschiedene Nationen und somit verschiedene Sprachen und Religionen miteinander in Berührung bringen. Werbung, Kommerz, politische Skandale der Gastgeberländer und Doping-Affären distanzieren die neuzeitlichen Olympischen Spiele weiterhin nicht weniger von dem heiligen Anspruch antiker Olympiaden, als von dem pädagogischen Ideal Coubertins Olympischer Idee. Des Weiteren ist zu bemerken das antike Olympiaden einen festen Veranstaltungsort hatten, wo hingegen die neuzeitlichen Olympischen Spiele immer an einem anderen Ort stattfinden. Als Fazit möchte ich festhalten, dass weder Coubertins Olympische Idee mit dem antiken Olympischen Geist, noch die Olympischen Spiele der Neuzeit mit antiken Olympiaden bemerkenswerte Gemeinsamkeiten aufweisen. Lediglich der Anspruch, das Leben frei von Leid, erfolgreicher und glücklicher zu leben, könnte gleichermaßen in die Versammlung der Hellen in Olympia, wie auch in Coubertins Idee eines pädagogischen Gegenmittels für neuzeitliche Problemstellungen interpretiert werden. In wie weit dies den antiken Namen einer inzwischen globalen Veranstaltung rechtfertigt erscheint mir fragwürdig. Angesichts der Eigenheiten Coubertins Olympischer Idee könnte es ratsamer sein sie um zu nennen, da ansonsten diese Eigenheiten im aktuellen Namen nicht mit inbegriffen sind, was das Begreifen einer neuen Theorie erschweren kann.

 

Literaturverzeichnis

de Coubertin, Pierre, Olympische Erinnerungen, Reprint 21959, Wiesbaden 1996.

 

 

[1]          IOC ist die Abkürzung für Internationales Olympisches Komitee

[2]          de Coubertin, Pierre, Olympische Erinnerungen, S.7.

[3]          Ebd.

[4]          Ebd., S.6.

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