HAUS DER BAYERISCHEN GESCHICHTE und DAS EI DES COLUMBUS – Gedanken zur Eröffnung des Museums in Regensburg am 4. Juni 2019

Dr. Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg, Foto: Angelika Weber

Millionen Menschen aus der ganzen Welt zieht es nach Schloß Neuschwanstein. Und dies, obwohl König Ludwig II. das Schloß eigentlich für sich allein haben wollte. Nun steht er in der Reihe der anderen Bayerischen Könige im neuen Museum vom Haus der Bayerischen Geschichte, sehr gut inszeniert in Übergröße als global verehrte Ikone.
Dr. Richard Loibl, Direktor des neuen Museums in Regensburg, möchte mit zeitloser Funktionalität Fragen aufwerfen, die vom Jahre 1800 an „Heimat im Kleinformat“ umkreisen. Bühnen und Kulturkabinette laden die BesucherInnen ein, Bayern als ein „irdisches Paradies“ zu erleben. Auch wenn der Prunkschlitten von König Ludwig II. seine Sehnsucht nach fantastischen Fahrten und Ausritten in der Nacht bei Sturm und Hagel dokumentiert, so möchte man am liebsten in Echtzeit mit ihm unterwegs sein. Und das ist der passende Schlüssel, der die Mobiliät evoziert und uns teilhaben lässt an bekannten und auch ungewöhnlichen Ereignissen. Ein lebendiger Aktivraum lässt uns Geschichte neu erleben: 2056 bayerische Gemeinden spiegeln sich in einer Landkarte, die Mikro- und Makrokosmos verschmelzen lässt. Das moderne Bayern entsteht immer wieder vor unseren Augen und lässt uns an der historischen Entwicklung an Hand ausgewählter Episoden, aufgefächert in Generation 1- Generation 9, teilhaben. Dazu gehören auch das Schlierseer Bauerntheater mit Brauchtum, Trachten und die Masskrüge bayerischer Biersorten, Franz Joseph Strauss und sein Mastermind als CSU Stratege und die Augsburger Puppenkiste.

Im History Talk mit Christoph Süß spiegelt sich Regensburg in einer 360-Grad-Panorama-Show als optimaler Einstieg in die Dauerausstellung und den Besuch der UNESCO Welterbestadt (seit 2006).
Das Zusammenspiel von über Jahrhunderten gewachsener Architektur vieler Epochen bis in die heutige Zeit ist nun an diesem Donauplatz fokussiert. Und die Kunstwerke feiern in neuen Installationen ebenso wie die Gebrauchsgegenstände oder Oldtimer eine Vitalisierung. Polarisierungen bleiben nicht aus.
Auch das Kapitel der NS Zeit rüttelt uns wach. Wie konnte so etwas Unmenschliches überhaupt passieren?
Die Antworten auf ein Spektrum von kondensierten Modulen mögen sich gegenseitig motivieren.
Die Spannung liegt hier in der Aura, die nicht zuletzt der bayerische Löwe gleich im Foyer verbreitet.
Und vorher oder nachher kann man sich im historischen Wirtshaus stärken. Denn die Schwellenangst, in ein Museum zu gehen, dürfte in Regensburg jetzt eher der Vergangenheit angehören. Was sich mit Herz- und Schmerztropfen und den Regensburger Bratwürschteln nicht erreichen lässt, findet im Besuch des neuen Museums zur Bayerischen Geschichte inspirative Impulse, die sich nachhaltig auswirken werden.
Denn was es hier noch nicht gibt, das wird in der Bayerischen Landesausstellung 2019/2020 „100 Schätze aus 1000 Jahren “ vom 27. September 2019 bis 8. März 2010 angeboten.

Was der Architekt Stefan Traxler und das Team rund um das Haus der Bayerischen Geschichte geschaffen haben, das ist dem Ei des Columbus vergleichbar. Wie die ursprüngliche Loibl- Idee eines Bürgermuseums nun Regensburg und Bayern befügelt und sich auf die Besucherzahlen und die Rezeption auswirkt, wird sich zeigen. Die besten Voraussetzungen für den historischen Einstieg in das moderne Bayern und die innovative Fortsetzung sind geschaffen. Auch wenn viele Glasscheiben in einem Transporter erst vor kurzem kaputtgegangen sind, wenn ein Brand den Aufbau der Bavariathek verzögert hat: über 88 Millionen Baukosten sind weniger als der Kaufwert bestimmter Fußballer, wie der engagierte Museumsdirektor wortgewandt und selbstbewußt herausstellt. Also Glückauf für die weiteren Schritte im Sinne bayerischer Kunst, Kultur, Wissenschaft und Forschung und deren zeitnaher Transformation.

N.B. Und nicht nur bei König Ludwig II. gibt’s noch Vieles zu entdecken. Dass in Regensburg die heute noch bestehende älteste Botanische Gesellschaft der Welt 1790 gegründet worden ist, dürfte im Rahmen der Maßnahmen zum Schutz und der Förderung von Biodiversität ein Meilenstein für eine Veranstaltung sein. Das Museum und die Bavariathek könnten auch diesem hochaktuellen Anspruch gerecht werden – mit einer Einbeziehung der Geschichte natürlicher Ressourcen, Fauna und Flora. Zum wirklich spannenden Themenkomplex einer Sonderausstellung könnten auch die großen Expeditionen bayerischer Naturforscher gehören. Die Brasilienreise (1817-1820) von Carl Friedrich Philipp von Martius und Johann Ritter von Spix wäre solch ein Highlight, das z.B. mit dem Jubiläumsfilm „Das Siebengestirn“ als bayerischer Baustein der Global History – nicht zuletzt in die Liga internationaler Kommunikation – auszubauen ist.

Über Angelika Weber 47 Artikel
Angelika Weber, M.A., studierte Bayerische Geschichte, Anglistik, Theaterwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Medizin. Sie arbeitet mit nationalen und internationalen TV – Anstalten zusammen. 1997 erhielt sie für ihre Film- und Dreharbeiten das Bundesverdienstkreuz.