Am 28. Juni herrscht in Berlin und anderswo schrille Festesfreude. Die politische Realität gerät dabei aus dem Blick.
Johanni 2025, im Kirchenkalender zum Gedenken an Johannes den Täufer und dessen erotisch-makabres Martyrium auf den 24. Juni festgelegt, inspirierte der Umschlag von geisttötender Sommerhitze zu angenehmeren Temperaturen, begleitet von – gleichfalls dem Klimawandel zuzuschreibenden – stürmischen, selbst todbringenden Windstößen, zu Reflexionen zur lokalen und großen Politik.
Die Betrachtung der Weltpolitik sollte den festiven Höhepunkt des westlich-globalen Politkalenders, die große Berliner-CSD-Parade am 28. Juni, ins Auge fassen. Das von- nicht-binärem Eros und Ecstasy befeuerte Spektakel – mit kopulativen Performances als ästhetischen Highlights – wird sich nach durchfeierter Nacht bis zum 29. Juni hinziehen, dem heute nur noch glaubensfesten Katholiken bekannten Festtag der Apostel und Märtyrer Peter und Paul. (Merke: Simon Petrus war cis, binär, und verheiratet; Saulus/Paulus war zölibatär und frauenfeindlich.)
Welche Fahnen sollen also am 28. auf dem Reichstag aufgezogen werden? Und in welcher Aufmachung sollen oder dürfen – nach Maßgabe der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) – Angehörige der Bundestagsverwaltung bei dem Umzug mitmischen? Wir sehen, es handelt sich um politische Fragen ersten Ranges.
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Von der unerfreulichen politischen Realität lässt sich die allährlich proklamierte Festesfreude nicht beeindrucken. Was bei dem politisch aufgeladenen Spiel mit den Launen und Absurditäten des Eros aus dem Blick gerät, sind die die großen Ereignisse der letzten Tage, obenan die koordinierten Donnerschläge Netanyahus und Donald Trumps gegen die nach Atomwaffen strebenden Mullahs. Dazu nur kurz: Was der UNO-Generalsekretär Guterres, Merzens Außenminister Wadephul oder die einst „vom Völkerrecht“ hergekommene Annalena Baerbock, demnächst Vorsitzende der UNO-Generalversammlung in New York, zu den zielgenauen Militäraktionen zu sagen haben, ist bezüglich des Fortgangs der Dinge irrelevant.
So schmerzlich die Einsicht für deutsche und migrantische Friedensfreunde sein mag – entscheidend ist – gerade auch bei völkerrechtlich schlecht abgesicherter ungesicherter, mit kriegerischen Mitteln betriebener Machtpolitik der Erfolg. Wir werden sehen, ob Khameini und seine Gefolgsleute – nach dem von Trump verkündeten Waffenstillstand – geneigt oder genötigt sind, ihre auf Vernichtung Israels zielenden Machtprojektionen aufzugeben. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich fortan auf Sicherung ihres Regimes beschränken oder ob es am Ende in Teheran gar zu einem wünschenswerten regime change kommt. *
Ähnliche Ungewissheit herrscht in Fragen der deutschen Innenpolitik, namentlich der von Merz und seinem Vizekanzler Klingbeil vorgesehene Haushalts- und Schuldenplan. Wenn die Abermilliarden gesamtwirtschaftlich keine Wirkung erzielen sollten, gehen wir gefährlichen Zeiten entgegen. Dann steht – eher früher als später – dergesellschaftliche Frieden auf dem Spiel. Dann ist das große Konzept der postnationalen, ethnisch-kulturell pluralen Wertedemokratie schlicht nicht mehr finanzierbar.
Vor diesem Hintergrund gewinnt der „Sieg“ des biographisch bunten „Compact“-Herausgebers Jügen Elsässer über die Ex-Ministerin Nancy Faeser (SPD) vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig an Bedeutung. Elsässers Magazin mag in Teilen als rechtsextremistisch indiziert sein, so die Richter. Nichtsdestoweniger sei – auch noch so polemische – Kritik an der nach wie vor anhaltenden Immigration und den Folgeproblemen (Bildungsnotstand, Jugendgewalt, Vordringen des Islam) unter dem Aspekt der Meinungsfreiheit – und der demokratischen Willensbildung – noch verfassungskonform. Begriffe wie „le grand remplacement“ sind folglich im Meinungsstreit zulässig.
Wie die Zukunft unserer „bunten“ Republik – und ganz Westeuropas – bereits in knapp einer Generation aussehen wird, ist bereits abzusehen. Wie sie zu bewältigen sei, wissen leider weder Elsässer, noch die AfD, noch die Links-Grünen, noch die Kirchenfürsten, noch die Bundesregierung.
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Eine Vorstellung, wie die plurale Wertdemokratie zu gestalten sei, vermittelt die schwarz-grüne Landesregierung in Berlin. Verbeamteten Frauen (z.B. Lehrerinnen) mit Migrationshintergrund soll künftig das Tagen ihres Kopftuches – sofern kein ersichtlich gegen das Neutralitätsgesetz verstoßendes religiöses Symbol – erlaubt sein. Über die Art – und religiöse Aussagekraft des Kopftuchs und dessen Variationen – Hijab, Niqab, Schador – ließ der schwarz-rote Senat nichts verlauten. Er folgt mit seiner Gesetzesvorlage, die nach der Sommerpause im Abgeordnetenhaus behandelt werden soll, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 2015. Welcher der beiden Karlsruher Senate, welche Richterinnen und Richter damals diese Entscheidung fällten, entzieht sich meiner Kenntnis. Ihre Entscheidung fiel in das Jahr jener fatalen Entscheidung der kinderlosen Kanzlerin Merkel.
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Der Themenkreis Migration/Immigration/Integration/Wertedemokratie ist und bleibt unerschöpflich, mit geringer Aussicht auf Lösung der darin angelagerten Konfliktmomente. In den Kreisen der allseits – eben auch staatlich – geförderten NGOs wird das Vorgehen der griechischen Regierung Empörung hervorrufen, mit Schiffen der Kriegsmarine Flüchtlingsboote aus Libyen von der Weiterfahrt nach Griechenland abzuhalten. „Nicht die Schleuser werden darüber bestimmen, wer nach Griechenland einreist,“ sagte Ministerpräsident Mitsotakis. Wir warten mit gespanntem Interesse, wie die EU-Kommission auf diese Erklärung reagieren wird.
Soeben ist zu erfahren, dass vor den Balearen fünf gefesselte Leichen aus dem Meer gezogen wurden. Es heißt, für Überfahrten auf überfüllten Booten nach Spanien müssten die Migranten jetzt bis zu 10 000 Euro bezahlen. Ob die Bundesregierung einen Kommentar zum Dauerthema Migration-Schlepperbanden-Asylrecht abgeben wird, muss offen bleiben. Man will schließlich der AfD keine Argumente liefern.
