Ein Selbstporträt der mexikanischen Malerin „Frida Kahlo“ hat mit 54,7 Millionen US-Dollar einen historischen Auktionsrekord gebrochen und die Wahrnehmung weiblicher Kunst weltweit verschoben. „El sueño (La cama)“ verbindet biografischen Schmerz mit symbolischer Bildkraft und kehrt nun nach Jahrzehnten wieder ins öffentliche Bewusstsein zurück. Der Verkauf zeigt, wie unumkehrbar „Kahlos“ Rang in der globalen Kunstgeschichte geworden ist.
Es sind jene Augenblicke des Kunstmarktes, in denen sich nicht nur Preise verschieben, sondern Deutungsräume. Am 20. November wurde das 1940 entstandene Selbstbildnis „El sueño (La cama)“ der mexikanischen Malerin „Frida Kahlo“ in „New York“ für 54,7 Millionen US-Dollar versteigert – ein Rekord, der sie zur teuersten Künstlerin der Auktionsgeschichte macht. Dass dieses Bild, ein Werk von verstörender Klarheit, von schonungsloser Selbstbefragung und mythologischer Verdichtung, nun an der Spitze weiblicher Kunst steht, wirkt wie die späte Bestätigung einer Wahrheit, die lange unbequemer war, als es Marktmechanismen zugeben mochten: „Frida Kahlo“ hat sich selbst zur Ikone gemacht – und die Welt brauchte Jahrzehnte, um die Radikalität dieser Selbstbehauptung zu begreifen.
Das Gemälde zeigt „Kahlo“ schlafend in einem kolonialen Bett, schwebend in Wolken, umrankt von Pflanzen, über ihr ein Skelett, in Dynamitgürteln gewickelt – eine todnahe Präsenz, ein eingefrorener Moment existenzieller Drohung. Das Auktionshaus „Sotheby’s“ beschreibt das Werk als „spektrale Meditation über die poröse Grenze zwischen Schlaf und Tod“. Der Satz trifft einen Nerv des gesamten Œuvres: Das Private wird allegorisch, der Körper zum Resonanzraum des Schicksals, Schmerz zur Metapher.
Ein Rekord, der die Kunstwelt neu sortiert
Der Verkauf von „El sueño (La cama)“ stellt gleich mehrere historische Rekorde auf. Zunächst wurde damit das bislang teuerste Werk übertroffen, das jemals von einer Frau geschaffen und bei einer Auktion verkauft wurde. Dieser Titel gehörte bisher der amerikanischen Künstlerin „Georgia O’Keeffe“, deren Gemälde „Jimson Weed/White Flower No. 1“ im Jahr 2014 für 44,4 Millionen US-Dollar versteigert worden war. Kahlos Bild liegt nun deutlich darüber.
Zugleich hat der neue Preis auch „Kahlos“ bisherigen eigenen Auktionsrekord gebrochen. Bisher galt ihr Werk „Diego and I“ aus dem Jahr 1949 als teuerstes Gemälde einer lateinamerikanischen Künstlerin oder eines lateinamerikanischen Künstlers. Dieses Bild war im Jahr 2021 für 34,9 Millionen US-Dollar verkauft worden. Mit den nun erzielten 54,7 Millionen US-Dollar ist „El sueño (La cama)“ damit das teuerste Werk, das jemals von einer Künstlerin geschaffen wurde – und zugleich das teuerste Werk einer lateinamerikanischen Kunstschaffenden überhaupt.
Der neue Rekord zeigt, dass sich die Wahrnehmung „Kahlos“ auf dem internationalen Kunstmarkt weiter verschoben hat. Ihre Bedeutung wird inzwischen nicht mehr nur kunsthistorisch, sondern auch wirtschaftlich auf derselben Ebene verortet wie die Werke der großen männlichen Ikonen der Moderne. Dieser Verkauf markiert daher nicht nur einen kommerziellen Erfolg, sondern auch eine deutliche Aufwertung ihrer Stellung innerhalb der globalen Kunstgeschichte.

Einige Kunsthistoriker äußerten Kritik: Wird das Bild im Depot verschwinden? Wird ein Werk, das zuletzt Ende der 1990er-Jahre öffentlich ausgestellt war, erneut dem Blick entzogen? Museen in „New York“, „London“ und „Brüssel“ haben bereits Leihanfragen gestellt – ein Indiz für das ungebrochene Interesse an einer Malerin, die in ihrer Biografie eine ganze Epoche verdichtet.
Zwischen öffentlicher Bedeutung und möglichem Verschwinden
„Kahlos“ Großnichte „Mara Romeo Kahlo“ betonte im Vorfeld des Verkaufs: „Welche Frau identifiziert sich nicht mit Frida? Welcher Mensch nicht?“ Ein Satz, der die universelle Kraft dieser Bildwelt treffend beschreibt: eine Kunst, die mit radikaler Direktheit persönliche Verletzung in menschliche Allgemeingültigkeit überführt. Obwohl ihr Werk häufig dem „Surrealismus“ zugerechnet wird, wies „Kahlo“ selbst diese Zuordnung zurück: „Ich habe niemals Träume gemalt. Ich malte meine eigene Realität.“ Dieser Satz bildet den Schlüssel zur Deutung ihres Schaffens: eine Kunst, die nicht entflieht, sondern enthüllt; die nicht verhüllt, sondern brennt; die nicht träumt, sondern erinnert. Die Malerin begann zu arbeiten, nachdem ein schwerer Busunfall ihr Leben gezeichnet hatte. Das Bett, in dem sie monatelang lag, wurde ihr Labor, ihre Bühne, ihre symbolische Schwelle zwischen Leben und Sterben. El sueño ist das Manifest dieser Schwelle.
Ein Verkauf im Kontext eines entfesselten Kunstmarkts
Der Rekord fällt in dieselbe Woche, in der „Gustav Klimts“ Bild „Bildnis Elisabeth Lederer“ für 236,4 Millionen US-Dollar verkauft wurde – das zweitteuerste Gemälde der Auktionsgeschichte nach „Leonardo da Vincis“ „Salvator Mundi“. Damit verschiebt sich ein Raster, das lange von männlichen Ikonen dominiert war. „Kahlos“ Werk ragt nun sichtbar in eine Zone des Marktes, die historisch Männer privilegierte – ein kulturhistorisches Signal, dessen Bedeutung weit über die Zahl auf der Rechnung hinausreicht. Der Rekordpreis ist nicht bloß ein Triumph des Marktes. Er ist die späte Würdigung einer Künstlerin, die mit ungeschönter Direktheit und biografischer Tiefe eine Bildsprache geschaffen hat, die bis heute modern wirkt. „El sueño (La cama)“ ist ein Werk, das die Linien zwischen Schmerz und Mythos, zwischen Intimität und universeller Erfahrung, zwischen Vergänglichkeit und Überhöhung verwischt. Es zeigt eine Künstlerin, die nicht die Welt malt, sondern das, was die Welt im Menschen hinterlässt.
Mit Quellen der South China Morning Post
