Der Rückzug westlicher Truppen aus Niger und Mali und anderen Sahelstaaten bis Ende 2024 hat die Sicherheitsarchitektur Westafrikas erheblich verändert. Ohne die Unterstützung westlicher Kräfte verschlechtern sich die Fähigkeiten der lokalen Armeen, insbesondere in den von Dschihadisten heimgesuchten Grenzgebieten. So nutzen islamistische Gruppen wie der „Islamische Staat im Großen Sahara-Gebiet“ (ISGS) oder Al-Qaida-Ableger wie Jama’at Nusrat al-Islam wal-Muslimin (JNIM) die mangelnde Präsenz westlicher Aufklärungs- und Luftunterstützung, um ihre Operationsfreiheit zu vergrößern. US-Analysten weisen darauf hin, dass der Mangel an Echtzeit-Aufklärung die Verfolgung und Eindämmung dieser Terrorgruppen erschwert – Boko Haram und die Ableger von IS und Al-Qaida im Maghreb, Burkina Faso oder Benin konnten die Lücke nutzen und häufigere, tödlichere Angriffe starten. Die nationalen Streitkräfte sind nun im Kampf gegen den Terror weitgehend auf sich allein gestellt zu einer Zeit, wo die Dschihadisten versuchen, sich auf die Länder am Golf von Guinea auszubreiten.
Parallel zum Rückzug der westlichen Unterstützung ist eine neue Allianz entstanden. Mali, Niger und Burkina Faso – alle vom Militär regiert – haben 2023 mithilfe Russlands die „Alliance des États du Sahel“ (AES) geschlossen, die eine gegenseitige Beistandspflicht im Falle externer Bedrohungen vorsieht. Dieses Bündnis ist ausdrücklich als regionale Alternative zu westlichen Partnerschaften gedacht. In der Praxis bedeutet dies verstärkte Öffnung gegenüber Russland: der zum Verteidigungsministerium gehörende Afrika Korps (Nachfolger der hybriden Wagner-Gruppe) ist in den drei Ländern präsent. Die Sicherheitsarchitektur Westafrikas muss sich somit neu erfinden: Lokale Kooperationen gewinnen an Bedeutung, doch ohne externe Stütze sind ihre Mittel ist der Kampf gegen den Terror nicht zu gewinnen.
Neuausrichtung der USA
Die USA vollziehen eine Neuausrichtung ihrer militär- und sicherheitspolitischen Rolle in Westafrika. Nachdem die bisherigen Partner im Sahel wegbrachen, setzt Washington auf Allianzen mit Staaten in der Küstenregion des Golfs von Guinea, vor allem Benin. Das Land hat eine gewählte Regierung und ist stabil, ist allerdings massiv von dschihadistischer Gewalt aus dem Sahel bedroht. Im Norden Benins haben Gruppen, die mit Al-Qaida (JNIM) und dem Islamischen Staat (ISWAP) verbunden sind, vermehrt Anschläge und Übergriffe verübt. Zuletzt wurden am 17. April 2025 54 beninische Soldaten bei einem JNIM-Angriff auf ihre Stellungen im Norden des Landes an der Grenze zu Burkina Faso getötet.
Die USA planen derweil, Benin als neuen Stützpunkt für Aufklärungsmissionen zu nutzen. So wurde begonnen, einen Luftwaffenstützpunkt in Benin auszubauen, um von dort aus vermutlich Aufklärungsdrohnen über die westafrikanische Region einsetzen zu können. Das US-Afrikakommando AFRICOM bestätigte, dass die Modernisierung eines Flugfelds in Benin begonnen wurde, teils sogar „schon vor dem Putsch im Niger“ (Juli/August 2023). Zudem sind offenbar US-Spezialkräfte als Berater in Benin aktiv, die die beninische Armee im Kampf gegen Terrorgruppen schulen und begleiten. Über 700 beninische Soldaten haben in der letzten Zeit US-Training in Grenzsicherungstaktiken erhalten. Seit Anfang 2025 gab es mehrere Besuche von hochrangigen US-Delegationen in Benin, bei denen auch Kooperationsverträge unterzeichnet wurden. Die Details sind allerdings unklar.
Strategisch platziert an der Schnittstelle zwischen der Sahel-Region und dem Golf von Guinea, könnte Benin zu dem werden, was Niger einst war: ein Vorposten für westliche Anti-Terror-Operationen. Allerdings wird darauf geachtet, Benins Souveränität zu respektieren – US-Truppen sind eingebettet in beninische Basen, um keinen innenpolitischen Widerstand zu provozieren.
Strategische Ziele Washingtons
Mit Blick auf diese Entwicklungen im Benin, lassen sich die Ziele Washingtons wie folgt zusammenfassen:
1. Schwerpunktverlagerung und Risikoabschätzung
Nach zwei Jahrzehnten intensiver Anti-Terror-Missionen in Afrika ist in Washington eine gewissen Ernüchterung eingetreten. Regionen wie der Sahel haben sich trotz massivem Einsatz von französischen Truppen und UN-Blauhelmen nicht stabilisieren lassen, stattdessen gerieten Partner durch Putsche aus dem Ruder. Die USA ziehen daraus den Schluss, ihre Militärpräsenz gezielter einzusetzen. Anstatt große Kontingente in politisch volatilen Ländern zu stationieren – mit dem Risiko, bei einem Regimewechsel plötzlich in Feindeslage zu sein – setzt man auf “Light Footprint”: kleine, mobile Teams, die von sicheren Nachbarländern aus operieren. Washington möchte vermeiden, in einen direkten Konflikt mit den neuen Machthabern (die teilweise offen mit Russland sympathisieren) hineingezogen zu werden. Gleichzeitig spart ein geringerer Fußabdruck Ressourcen, die anderweitig benötigt werden – der globale Fokus der USA verschiebt sich in Richtung Wettbewerb mit China im Indopazifik.“
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