Eine Frage der Wahrheit

Wenn der Satz der alten Römer In vino veritas stimmt, kann eine Religion, die den Weingenuß bei Strafe verbietet, nur einen eingeschränkten Wahrheitsgehalt haben. Oder? Mit dieser sich selbst beantwortenden Frage begnügt sich ein rheinischer Katholik leichter als einer, dem die überlieferte religiöse Wahrheit gleichgültig ist und deshalb in der Erfindung immer neuer Wahrheitsansprüche und innerweltlicher Tabus keinerlei Rücksicht nimmt. Aber Wahrheiten der religiösen Art werden nicht erfunden, sondern geoffenbart und entdeckt. Diese Wahrheit haben die aufgeklärten Fanatiker der Toleranz und die modernen Relativisten des Dialogs bis heute noch nicht entdeckt. Der sich als Prophet stilisierende Religionsgründer, Polygamist, Geschäftsmann, Politiker und Kriegsherr namens Mohammed, von dem sich ein Bild, gar eine Karikatur zu machen der Menschheit bei Androhung der Todesstrafe verboten ist, hat sich einiges einfallen lassen, seinen neuen Glauben in synkretistischer Aneignung und polemischer Abgrenzung vom Juden- und Christentum zu konstruieren. Das jüdisch-christliche Erbe Europas ist seitdem das bevorzugte Aggressionsobjekt und Eroberungsprojekt der islamischen Welt. Was strategisch dazu führt, daß sich Christen und Juden, so sehr sie sich auch religiös unterscheiden, zu einer gemeinsamen Abwehr islamischer Bedrohung verbinden.
Diese Bedrohung trifft nicht allein den Staat Israel, den aber vor allem. Dessen Existenzrecht wird ja nicht nur von der palästinensischen Hamas bestritten, sondern auch von großen Teilen der europäischen Linken, die sich mit extremen Rechten in dieser Frage einig sind. Extreme überschneiden sich eben zuweilen, wiegeln unsere bürgerlichen Politiker ab. Und mit großem Jubel begrüßen und unterstützen sie die demokratischen Aufstände in der islamischen Welt gegen Autokraten wie Saddat und Gaddafi. Aber warum fordern sie nicht den Regimewechsel im feudalfaschistischen Saudi-Arabien? Schon bei der Abschaffung des Schahs von Persien ahnte der Westen kaum, daß sich an seiner Stelle die totalitären Ayatollahs breitmachten. Wie schön wäre es gewesen, wenn sich anstelle des Dikators Saddam Hussein eine „lupenreine Demokratie“ im Irak ereignet hätte. Die Vertreibung von Christen und Juden aus diesem demokratisierten Herrschaftsbereich orientalisch-islamischer Despotie spricht eine andere Sprache.

Die pausbäckig naiven westlichen Politiker haben noch nicht begriffen, daß Demokratie de facto zunächst auf die Herrschaftsform einer Mehrheit hinausläuft, die ihren politischen und zugleich religiösen Willen auch dann zur staatlich-rechtlichen Geltung bringt, wenn er gegen ein Menschen- und Völkerrecht verstößt, das sich dem jüdisch-christlichen Erbe verdankt. Unser Demokratieverständnis ist jedenfalls nicht kompatibel mit einem, dem die Religionsfreiheit gleichgültig ist. Das sollten sich auch die frommen Pius-Brüder hinter die Ohren schreiben, die heute von der Religionsfreiheit, die sie noch nicht akzeptieren, besonders profitieren. Gerade in dieser Frage einen Dialog mit den eigenen Glaubensgenossen zu führen, die als „bucklige Verwandtschaft“ von katholischen Dialogbeauftragten gemieden werden, dürfte recht eigentlich zum katholischen Programm gehören. Stattdessen hält man es für geboten, eher den Bau einer Moschee zu fördern als die Errichtung einer katholischen Kirche zu tolerieren, in der die alte, inzwischen von Rom gebilligte Messe zelebriert wird.
Wie sehr die Begriffe der Toleranz und des Dialogs innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland unter die Räder der political correctness gekommen sind, zeigt ein Beispiel aus der Diözese Aachen. Die ist nicht nur finanziell so gut wie bankrott, sondern vor allem in geistlicher Hinsicht ziemlich ruiniert. Was sie geradezu ermutigt, den Vorreiter in Sachen Islamisierung zu spielen.

Nichts gegen treuherzige Gottesbekenntnisse. Sie lassen sich in unserer europäisch-heidnischen Öffentlichkeit (im Unterschied zu den USA) selten vernehmen und gehören zu den wenigen Tabus, die von den liberalen Medien auf keinen Fall gebrochen werden dürfen. Es sei denn, man könnte die überraschende Neuigkeit vermelden, daß Islam und Christentum doch irgendwie auf dasselbe hinauslaufen. Denn Gott ist schließlich „der Gott und Vater aller Menschen.“ Dieses Zitat krönte jüngst die Rede, die bei dem freudigen Anlaß und ökumenischen Ereignis der Grundsteinlegungen einer neuen Moschee in der alten Kaiserstadt Aachen gehalten wurde. Die Feiertagsfreude muß in der verkümmernden katholischen Welt von Aachen so überschäumend gewesen sein, daß sich sogar der zuständige Regionaldekan eifrig an der Gründung der neuen Moschee beteiligte, indem er den bei diesem Anlaß erforderlichen Satz von sich gab.
Aber was kann die Logik dazu sagen, wenn aus dem Satz, daß Gott der Vater aller Menschen sei, abgeleitet oder insinuiert wird, daß alle Menschen denselben Gott anerkennen? Die Theo-Logik jedenfalls sagt: quod non, das geht nicht. Denn es gibt sehr unterschiedliche Gottesbilder in unserer polytheistischen Welt, sogar bei denen, die sich kein Bild von Gott machen sollten. Ihr Gott oder ihre Götter sind, je nach Bedürfnis oder Projektion: sie selber, ihr Bauch, ihre Gesundheit („Gesundheit ist das höchste Gut“), Sex und Mammon und Macht, der ominöse und omnipotente Zeitgeist, das jeweilige Idol et cetera. Hier ist die Gesellschaft inzwischen sehr religionsproduktiv geworden. Und mit der wuchernden Nachfrage nach Ersatzgöttern stellen sich die Angebote schnell ein.
Christen können ihren von Christus geoffenbarten Gott der Liebe nicht mit einem verwechseln, den Mohammed streng machtbewußt-monotheistisch konstruiert hat. Dagegen steht das Dogma der Trinität. Es bezeichnet das Prinzip der Einheit in der Vielfalt, in dem sich Menschen als Ebenbilder eines Gottes wiedererkennen können, der auch die gesellschaftliche Vielfalt in der Einheit repräsentiert.
Für Christen und Muslime gibt es nicht denselben Gott. Christentum und Islam sind unvereinbar. Das erkennen auch aufrichtige Muslime an, denen der trinitarische Gott wie auch die plurale Gesellschaft ein Greuel sind.

Quelle: Die neue Ordnung, 3/11, Juni 2011, S. 162-163.

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Über Wolfgang Ockenfels 43 Artikel
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels, geboren 1947, studierte Philosophie und Theologie in Bonn und Walberberg. 1985 erhielt er eine Professur für Christliche Sozialwissenschaften mit den Lehrgebieten Politische Ethik und Theologie, Katholische Soziallehre und Sozialethik, Wirtschaftsethik sowie Familie, Medien und Gesellschaft an der Theologischen Fakultät Trier. Ockenfels ist zudem Geistlicher Berater des Bundes Katholischer Unternehmer BKU und Chefredakteur der Zeitschrift "Die Neue Ordnung" in Bonn. Er gehört zum Konvent Heilig Kreuz der Dominikaner in Köln.

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