Vor sieben Jahrzehnten, im Jahre 1955, kommt vom Drehbuchautor und Filmregisseur Ingmar Bergman (1918-2007) der Film „KVINNODRÖM“ in die schwedischen Kinos. Der Film erlebt in Deutschland seine Erstaufführung unter dem Titel „Frauenträume“ im August 1963 im deutschen Fernsehen. Heutzutage scheint der Film der Vergessenheit anheimgefallen zu sein.
Die frühen Werke von Bergman sind oft Filme über den Konflikt der Generationen oder er thematisiert Jugendprobleme. Nach Beendigung dieser ersten Schaffensphase widmet er sich ab Ende der 40er Jahre bis Mitte der 50er Jahre der Analyse von Menschen, die sich zur Freiheit entwickeln. Für Bergman bedeutet Freiheit verantwortlich für sich selbst zu handeln. Auch wenn dies mit Enttäuschungen und Leiden verbunden sein sollte. Der Film „Frauenträume“ gehört zu einer Reihe von Filmen die oft als sogenannte Sommerfilme bezeichnet werden. Diese Werke von Bergman sind aber keine seichten Filme. Sie weisen zwar auch einen Unterhaltungswert auf, sind jedoch nicht oberflächlich. Der tiefe Ernst von Bergman ist zu erkennen. Diese Sommerfilme haben auch ein unterschiedliches komödiantisches Ausmaß.
Jene Sommerfilme von Bergman umfassen insgesamt fünf Produktionen. Es beginnt mit dem Film „Sommarlek“ vom Jahre 1950 (der deutsche Verleihtitel lautet „Einen Sommer lang“). Im Jahre 1952 dreht er den Film „Kvinnors väntan“ (im Deutschen bekannt als „Sehnsucht der Frauen“). Zwei Jahre später, im Jahre 1954 dreht er den Film „En lektion i kärlek“ (im Deutschen als „Lektion in Liebe“ aufgeführt). Der Film „Kvinnodröm“ wird in der zweiten Hälfte vom Jahre 1954 gedreht und endgültig Anfang 1955 fertiggestellt. Den Abschluss jener Sommerfilme bildet im Jahre 1955 „Sommarnattens leende“ (in Deutschland bekannt unter „Das Lächeln einer Sommernacht“). Danach setzt erneut eine weitere andere kreative Schaffensphase ein, beginnend im Produktionsjahr 1956 mit dem legendären Werk „Det sjunde inseglet“ („Das siebente Siegel“).
„Frauenträume“ ist ein Film, der eindrucksvoll die Suche und das Verlangen von zwei Frauen mit unterschiedlichen Wesenszügen nach Liebe und Glück darstellt. Zugleich wird auch die Beziehung von Frau und Mann thematisiert. Bergman setzt sich feinfühlig mit dem Dasein von zwei Frauen, die auch altersmäßig und gesellschaftlichem Stand sich unterscheiden, auseinander. Er dringt in die Existenz von zwei Frauen immer weiter vor. Es ist ein bemerkenswertes Werk der schwedischen Filmkunst. Das Drehbuch und die Regie sind von Bergman. Bei diesem Film setzt der schwedische Kameramann Hilding Bladh (1906-1982) gekonnt die Anweisungen von Bergman um. Bereits im Jahre 1946 haben Beide zum ersten Male bei einem Filmauftrag zusammen gearbeitet.
„Frauenträume“ beginnt mit einer dialogfreien Szene in einem Modeatelier. Es ist eine gelungene Darstellung der dortigen Stimmung, und zugleich eines ersten kurzen Bildes, einer Impression von unterschiedlichen Menschen. Fotografin Susanne Frank gespielt von der in Schweden beliebten Schauspielerin Eva Dahlbeck (1920-2008) und das Fotomodell Doris gespielt von Harriet Andersson (geboren 1932) machen sich von Stockholm nach Göteborg auf, zu einem dortigen Foto-Arbeitstermin. Der Film beginnt in einem Modefotostudio und endet in diesem, dazwischen ereignen sich die Fahrt mit der Bahn nach Göteborg und der dortige Kurz-Aufenthalt. Bergman erzählt mit „Frauenträume“ zwei Geschichten die neben einander laufen. Diese zwei Geschichten sind aber nicht miteinander verbunden. Und – dennoch gibt es eine gleichzeitige Entwicklung.
Susanne hat eine Liebesbeziehung zu einem verheirateten Mann, zu Henrik Lobelius (gespielt von Ulf Palme, 1920-1993) der in Göteborg lebt, gehabt. Seit Monaten ist das Verhältnis zu Ende. Sie haben keinen Kontakt zueinander. Susanne leidet. Sie ist voller Sehnsucht und Verlangen nach Henrik. Doris, jung und voller Lebenslust, hat sich gerade von ihrem Freund, dem Studenten Palle (gespielt von Sven Lindberg, 1918-2006) getrennt. Sie möchte ein angenehmes Leben mit Wohlstand und vom Mann verwöhnt werden.
Bergman gelingt es immer wieder eine beeindruckende Bildsprache zu kreieren. Auch bei diesem Film schreitet er auf dem Wege zu seiner Meisterlichkeit voran. Ein Beispiel ist die Szene im Zug. Susanne gibt sich im Rhythmus der Eisenbahn ihren Vorstellungen hin. Sie hat ihre Stirn an die Scheibe gelehnt. Was kommt in Göteborg auf sie zu? Was wird sie dort erleben? Susanne, eine gestandene Frau mittleren Alters, hat Angst. Bergman drückt mit Worten hier nichts aus. Vielmehr wird dem Zuschauer ein Bild, ein Gefühl von verrinnender Zeit vermittelt.
Als Susanne und Doris Göteborg erreichen, trennen sich beide. Bergman lässt im Folgenden den Zuschauer an zwei Handlungsstränge teilhaben, wobei sich keine voyeuristische Teilhabe am Beziehungsgeschehen dargeboten wird. Susanne ruft Henrik an, und beide verabreden sich. Sie will ihn bitten, dass er sich scheiden lässt, um endlich mit ihr zu leben. Sie ist erfüllt vom Traum nach einer Ehe und nach Kindern mit Henrik. Derweil macht Doris einen Schaufensterbummel und gibt sich ihren materiellen Träumereien, sowie einem Leben in Reichtum hin. Henrik sucht Susanne in ihrem Hotelzimmer auf. Sie gesteht ihm, dass sie voller Sehnsucht nach ihm sei. Sie schlafen miteinander. Sie wollen sich recht rasch wieder treffen. Doris wird vor einem Schaufenster von einem älteren Herrn angesprochen. Er umwirbt sie und möchte sie mit teuren Geschenken bezaubern. Aufgrund der Jugendlichkeit von Doris kann er sich selbst jung fühlen. Doris lässt sich von ihm beeindrucken. Darüber vergisst sie den Modetermin.
Beide Frauen erleben schöne Stunden. Ihre Wünsche und Hoffnungen an das Leben scheinen sich zu erfüllen. Der Versuch von Bergman die beiden Frauen fühlbar zu machen, und sie dem Zuschauer ohne jegliche Sehlüsternheit näher zu bringen, gelingt gekonnt. Die beiden Geschichten spiegeln unzählige Existenzen von Frauen wider. Bergman zeigt, dass die Hoffnungen von Susanne und Doris an das Leben keine Erfüllung finden. Ihre Träume bleiben unbeantwortet. Ihre Träume werden nicht wahr.
Denn – die Liebesbegegnung von Susanne und Henrik wird abrupt von seiner Ehefrau Marta (gespielt von Inga Landgré, 1927-2023) beendet, als diese im Hotel erscheint. Marta macht triumphierend Susanne klar, dass sie und Henrik sich nie einander gehören werden. Henrik suche bei Susanne das oberflächliche Abenteuer. Sie, Marta kann aber die für Hendrik wichtige Beschaulichkeit und finanzielle Sicherheit bieten. Henrik widerspricht dem nicht. Susanne erkennt, dass er ein Feigling ist. Susanne erkennt, dass Henrik sich nie scheiden lassen wird. Sie erkennt, dass er ihr nie gehören wird. Henrik ist an seine Ehefrau gebunden, gebunden wie ein Kind an seine Mutter. Sie lässt ihn mit Marta fortgehen. Susanne fühlt sich gedemütigt, zugleich erlebt sie eine starke Verzweiflung. Sie ist zutiefst enttäuscht. Ihr Traum ist zerplatzt.
Währenddessen geht Doris mit dem älteren Herrn, es handelt sich um einen wohlhabenden Konsul (gespielt von Gunnar Björnstrand, 1909-1986) zu seiner Villa. Dort trinken sie gemeinsam Champagner, tanzen und sie lässt sich kostbaren Schmuck anlegen. Die Beziehung erfährt die Desillusionierung, als Marianne (gespielt von Kerstin Hedeby, 1926-2022), die Tochter vom Konsul erscheint. Sie enthüllt den Egoismus ihres Vaters. Er verehrt Doris nur, weil diese ihn an die Jugend seiner Ehefrau erinnert. Marianne entreißt Doris den Schmuck ihrer Mutter. Sie gibt Doris eine Ohrfeige. Marianne bezichtigt Doris, dass sie wie all die anderen jungen Frauen mit ihrem Vater ihr Erbe verjubelt. Der Konsul schweigt, er protestiert nicht, er versinkt in seiner Feigheit. Und – er gibt sich seinen Gedanken an Vergangenes hin. Auch er verbleibt in der Einsamkeit. Doris ist enttäuscht, sie wendet sich von ihm ab. Sie geht fort. Doris verspürt einen leichten Schmerz.
Beide Frauen, unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher sozialer Stellung, machen die Erfahrung, dass ihre Träume nicht wahr werden. Susanne und Doris fahren gemeinsam enttäuscht nach Stockholm zurück. Beide sind desillusioniert. Denn ihre Hoffnung auf die große Liebe hat sich als Illusion erwiesen. Susanne und Doris machen die Erfahrung, dass die große Liebe immer nur ein Traum bleibt.
Doris kehrt zu ihrem Freund Palle zurück, beide versöhnen sich. Susanne erhält einen Brief von Henrik, er möchte sich mit ihr erneut treffen. Susanne vernichtet den Brief. Beide Frauen sind in der Realität wieder angekommen. Sie kehren in ihr jeweiliges Alltagsleben zurück. Ihre Träume haben sich nicht erfüllt. Die Wirklichkeit hat Susanne und Doris aus ihren Träumereien geholt.
Hier die Anfangsszene von Frauenträume:
https://www.youtube.com/watch?v=R5COVqXy3cQ
