Wahrhaftig: der Dirigent der konzertanten Aufführung der Mozart-Oper „Le nozze di Figaro“ schien über die Kräfte dessen zu verfügen, dem der Saal in Münchens Residenz gewidmet ist: Herkules, dem mythischen Sohn des Zeus und der Alkmene. Ein in der Podiumsmitte ebenso gewieft wie geschmackvoll „aufdrehender“ und schier unglaublich energiegeladener Stefano Montanari am Pult einer erlesenen Gruppe des famosen Bayerischen Staatsorchesters und des frisch reagierenden Häufleins des Staatsopernchors brachte es im Herkulessaal dazu, dass der Jubel aus dem Publikum nach fast dreieinhalb Stunden grandiosen Mozart-Klanges nicht enden wollte. Bemerkenswert, wie jung die Zuhörerschaft war. Gab es doch Karten zwischen 90 und 20 Euros.
Man verzichtete da gern auf Kulisse („Schloss des Grafen Almaviva und seiner Frau, in der Nähe von Sevilla“) und Regie-Ehrgeiz. Im Gegenteil: Man hatte den Eindruck, dass die Sängerinnen und Sänger der neun Solopartien das halb-szenisch gezeigte Geschehen bravourös selbst zustande brachten. Allesamt waren sie in ihren Partien bereits auf kleineren, wenn nicht weltweit gerühmten Bühnen erfolgreich. Wie sie mit der vertrackten Situation dieses „tollen Tages“ – Figaro und Susanna hatten ihre Hochzeit in Aussicht – auch ohne das entsprechende Raum-Programm zurechtkamen, auch wenn so manches Detail nicht ganz einsichtig gelingen mochte, ist erstaunlich.
Gesungen (und gemimt) wurde auf Weltklasse-Niveau. Der Titelheld muss unweigerlich die Riege der nicht hoch genug zu Lobenden anführen: Konstantin Krimmel. Dem gebürtigen Ulmer gelang erneut ein unschlagbar „tolles“ Charakterbild des aufmüpfigen Feudalherren-Dieners. Sein Bariton glänzt, seine Mimik steigert sich von Mal zu Mal, seine sängerische Aura ist immens. Von seiner kampfbereiten Kavatine „Se vuol ballare“ bis zur Frauen rühmenden Arie „Aprite un po` quegl`occhi“ – ein einziges Feuerwerk!
Krimmel könnte auch Almaviva, klar. Aber er sollte diese Rolle doch lieber dem verführerisch virilen Erwin Schrott überlassen. An den neben sich als Edelmann mit „Weiber“-Ambitionen stehenden Blamablen kommt so schnell kein noch so samtiger Bariton heran. Schrotts Zwiesprache mit Kevin Conners als stotterndem Don Curzio: ein Kabinettstück! Von den vier Frauen ragten qualitativ gleichwertig die bildschöne, wunderbar verzagte und herrlicher Kantilenen („Porgi amor qualche ristoro“) mächtige Julia Kleiter und Joélle Harvey als pfiffige, in ständiger Erregung befindliche, ihre „Rosenarie“ zum Niederknien gesungene Susanna hervor. Dem Cherubino der Valerie Eickhoff nahm man den „hübschen Kerl“, den sie zu geben hatte, nicht ganz ab, wohingegen Dorothea Röschmann als Marcellina (vom einstigen Sopran ins Mezzo-Fach gewechselt) ihren Spaß an dem ganzen Intrigenspiel ans Publikum weiterzugeben verstand.
