Es hat sich, zumindest unter Graphik-Liebhabern, herumgesprochen: Einen der seltenen Originalabzüge des Holzschnitts von der „Großen Welle“ aus der Zeit zwischen 1830 und 1832 – „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ – besitzt die Bayerische Staatsbibliothek (BSB). Wo ist er zu finden? Leider dort, wo dem Besucher, der sich den Samstag für die Ausstellung „Die Farben Japans“ ausgesucht hatte, der Zutritt verwehrt ist. Die „Schatzkammer“, in deren erstem Raum die wunderbare „Große Welle“ im Original-Abzug zur Bewunderung ausliegt, ist samstags geschlossen. Ein wilder Krieger mit furchterregender Miene drückt den Ärger über das Terminwahl-Missgeschick aus, den der Besucher empfindet, als er seinen Weg zur kleinformatigen „Großen Welle“ stoppen musste. Also: Nie an einem Samstag in diese phänomenale große Ausstellung! (s. Öffnungszeiten unten!)
Entschädigung bietet dann doch die riesenhafte Vergrößerung der „Welle“ auf einem Wandbehang im Marmorsaal. Aber auch eine Video-Station „The Printing Process of Japanese Woodblock Prints“. Da wird das Druckverfahren des Japanischen Farbholzschnitts der Edo-Zeit gezeigt, der zu den „Bildern der fließenden Welt“ (ukiyo-e) gerechnet wird. Der Künstler ist bekannt: Katsushika Hokusai (1760 – 1849). Die geforderten sieben Minuten Zeit sollte man sich nehmen, um die Technik des japanischen Holzschnittes nicht nur kennen, sondern auch schätzen zu lernen. Es handelt sich ja hierbei um eine Ikone der Kunst. „Erst auf den zweiten Blick sind kleine Boote zu sehen, von Wind und Wellen hin und her geworfen. In einem starken Kontrast zu diesem dynamischen Geschehen im Vordergrund steht der Hintergrund: Hier ruht der heilige Berg Fuji, entrückt und majestätisch“.
So die Kuratoren über die absoluten Highlights der Schau. Sie ist schon deshalb bemerkenswert, weil die BSB erstmals in ihrer Geschichte ihrer Japan-Sammlung mit 90 000 Druckbänden, 100 Handschriften und 1000 Einblattdrucken) eine Extra-Ausstellung widmet.
Die einzigartige Spezialsammlung breitet die BSB entsprechend ihrer Bedeutung im ganzen Gebäude aus. Vor jedem der 22 Fenster des Treppenaufgangs hängt ein Transparent. Die „Farben Japans“ lässt das Tageslicht noch intensiver, gleichzeitig geheimnisvoller erscheinen. Die Motive der Südgalerie stellen schöne Japanerinnen vor: Porträts, Figuren, kleine Gruppen, Theatergestalten, aber auch so freizügige Damen wie eine „Prostituierte hinter Gitterfenstern auf Kunden wartend“. Die Namen der genannten Künstler(innen) mit Lebensdaten werden stets genannt. Zu den ausgesucht kunstvollen Motiven vor den Fenstern der Nordgalerie zählen Ereignisse aus der Geschichte Japans. Beispiel: „Heftige Schlacht bei Gazah, Ansicht: Beschuss während der Anjö-Überquerung“ von Kobayashi Kiyochika (1847 – 1915). Klar, im Vorteil ist hier, wer sich auskennt in der Geschichte des Inselstaates.
Zurück in den Marmorsaal. Hier hängen, neben der „Großen Welle“, zwei weitere Werke Katsushika Holusais in vergrößertem Format, die zu den Höhepunkten der Japan-Holzschnitt-Erwerbungen der Jahre 2022 und 2023 gerechnet werden können: „Sommergewitter am Fuße des Berges“ und „Südwind, klares Wetter“, als „Roter Fuji“ bekannt. Die Arbeiten gehören zur berühmten Holzschnitt-Serie „Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“, erschienen 1830.
Jeden Dienstag um 16.30 Uhr sind Führungen der Kuratoren Thomas Tabery Schumacher-Shoji angesetzt. Sie sind kostenlos wie der Gebrauch eines Audioguides in deutscher Sprache. Geöffnet ist die einmalige Ausstellung bis 6. Juli von 10 bis 18 Uhr. Achtung: Feiertage und Samstage (!) sind ausgenommen.
