Ishbel Szatrawska: Die Tiefe, Voland & Quist

Lausbergs Buchtipp

Wald. Bild von Thomas Hendele auf Pixabay

Ishbel Szatrawska: Die Tiefe, Voland & Quist, Dresden 2025, ISBN: 978-3-86391-414-1, 28 EURO (D)

„Die Tiefe“ erzählt die Geschichte mehrerer Generationen einer Familie, deren Schicksal tief mit dem einstigen Ostpreußen verwoben ist, einer Region, wo sich seit Jahrhunderten polnische, masurische, deutsche und litauische Identitäten miteinander verflechten: die Geschichte der Großmutter Janka, der Aristokratin Gudrun, ihres Geliebten Max, eines deutschen Chirurgen, der Tante Gertraud, die von Jankas Sohn, Wolf, und Alicja, dem jüngsten Familienmitglied und einer Anthropologin, die nur schwer damit zurechtkommt, das Elternhaus an der Guber zu verkaufen — ein geheimnisumwobenes Gebäude voller Erinnerungen. Wir folgen den Lebensschicksalen der Protagonistinnen und Protagonisten, beginnend mit der Zeit des Krieges — dem Fall von Königsberg und Rastenburg sowie dem unaufhaltsamen Vorrücken der Roten Armee —, über die Ära des kommunistischen Polens, in der über die Vergangenheit gar nicht oder nur im Flüsterton gesprochen wird, bis hin zur Gegenwart, in der sich ein neuer Konflikt entwickelt.

Hier wird ein Landstrich, der nicht so oft im Mittelpunkt des Interesses steht, auf die literarische Agenda gehoben.

Dies ist mehr als eine Ansammlung von Erinnerungen, da das Buch auch in der Gegenwart spielt. Es ist ein weit ausgebreitetes Panorama des 20. Jahrhunderts, das in den Mikrokosmos einer Familie eingewebt ist. Wie äußere Einflüsse oder eigene Entscheidungen ein ganzes Leben prägen können, wird an verschiedenen Personen gezeigt.

Der Schreibstil wechselt manchmal von emotional zu harten Dialogen, die das ungeschminkte Leid symbolisieren. Das kommunikative Beschweigen der Nachkriegszeit ist schon erschreckend und hat weitreichende Folgen.

Der Roman verbindet die verborgenen Geschichten einer Familie mit bedeutsamen historischen Ereignissen und zeigt auch, wie sich die ungelösten Probleme und Geschichten einer Generation auf das Leben und Verhalten nachfolgender Generationen auswirken können.

Es ist eine fesselnde Geschichte, die niemanden kaltlassen wird.

 

 

Über Michael Lausberg 615 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.