Warum und wie gelingt es Politik und Medien, den Bürgern dieses Landes den Krieg wieder schmackhaft zu machen? Wieso begehren so Wenige entschieden dagegen auf, dass aktuell durch einen Aufrüstungs-Exzess die Fortexistenz von Millionen riskiert wird? Warum gibt es aktuell keine Friedens-Massenbewegung, die mit Rufen wie RUNTER VOM KRIEGSPEDAL regelmäßig millionenfach auf die Straße geht? Weshalb regiert stattdessen dösende Herrschaftsgläubigkeit?
Eine zufriedenstellende Antwort auf diese Fragen steht aus. Auch im Folgenden geht es nur um einen Baustein. Dieser Baustein zu einer Antwort vermutet einen Zusammenhang zwischen zunehmender objektiver Bedrohung der Fortexistenz einerseits und Stärke des Protests andererseits. Protest wird somit gedeutet als Gefahrenabwehr: Wo die objektive Gefahr größer wird, wächst auch der Widerstand gegen die Gefährdung. So war es 1957-58 in Gestalt der Bewegung „Kampf dem Atomtod“, die sich gegen die Aufstellung taktischer Atomwaffen in Deutschland richtete. Dann in den 1970er Jahren mit der Anti-Atomkraft-Bewegung, die gegen eine Vielzahl von Verstrahlungsrisiken beim Betrieb und der Endlagerung auf die Straße ging. Anschließend mit der Friedensbewegung der 1980er Jahre im Anschluss an den Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979: Die damalige Friedensbewegung rief nicht zuletzt deshalb zur Abrüstung auf, weil klar wurde, dass zumal Deutschland die nukleare Vernichtung drohte. Damals gingen Mitglieder der Friedensbewegung immer auch zur Sicherung der eigenen Fortexistenz, von Freunden, Kindern und Kindeskindern, auf die Straße. Im Rahmen einer Gallup-Umfrage 1983 waren 67% aller Bundesbürger gegen die Aufstellung neuer Raketen. Ab Dezember 1983 wurden die Pershing II dennoch stationiert. Generalsekretär Andropov ist überzeugt, dass die USA einen Enthauptungsschlag planen und sieht einen Dritten Weltkrieg nahen. 1985 begann mit Gorbatschow eine Phase nuklearer Abrüstung.
Die Grundthese dieses Beitrags: Aktuell ist die Atomkriegsgefahr so groß wie seit der Kuba-Krise von 1962 nicht. Mit Blick auf die objektiv gegebenen Gefahren müsste die Friedensbewegung heute also größer und aktiver sein als je zuvor. Warum erreicht sie aktuell nicht das Ausmaß und die Intensität wie zu Beginn der 1980er Jahre? Mutmaßlich deshalb nicht, weil große Bevölkerungsteile wegen der Spannungen mit Russland zwar stark beunruhigt sind, es etablierten Medien als eilfertigen Sprachrohren der Regierungspolitik aber zugleich gelingt, eine Akzeptanz der aktuellen Gefahrenlage im Bewusstsein eines Großteils der Bürger als alternativlos zu etablieren. Insbesondere mit folgenden Mechanismen:
- In der Berichterstattung wird eine künftige Neutralität der Ukraine als zentrales Element der Konfliktlösung häufig nicht erörtert;
- wenn Putin mit der Ukraine „fertig“ sei, werde er versuchen, sich den nächsten Staat einzuverleiben (wie Russland dies gelingen sollte, wo doch selbst U. von der Leyen am 1. Oktober 2025 Folgendes sagte, bleibt unerklärt: „In den letzten 1000 Tagen hat Russland nur ein Prozent des besetzten Territoriums der Ukraine erobert“);
- Reduktion und Simplifizierung unserer stets mehrdeutigen Welt – die ein komplexes Gemisch aus Gut und Böse ist – und negative Idealisierung und Personifizierung des Bösen: Ein komplexes geopolitisches Problem wird auf „Putin“ reduziert und dieser zur satanischen Inkarnation des Bösen aufgebaut; so erscheint die Welt dualistisch sauber aufgeteilt in einen moralisch guten Westen und die höllische Diktatur Russland, das somit als manichäischer Antipode in direkter Nachfolge zur „kommunistischen“ Sowjetunion steht. Offenbar ließen sich die nach dem Ende der Sowjetunion frei flottierenden anti-kommunistischen Ressentiments ohne Weiteres bündeln und in eine umfassende Russophobie transponieren;
- einem Sieg des Bösen könne Einhalt geboten werden, wenn die Bürger nur bereit sind, mit ihren Ansprüchen an Gesundheit, Renten, Wohnraum, öffentlichen Transport, Kultur und Bildung zurückzustehen und der Staat sich auf unabsehbare Zeit massiv verschuldet;
- das Böse könne auf Distanz gehalten werden, indem wir die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen 2026 in Deutschland nicht nur dulden, sondern begrüßen (die Frage, ob nicht „das Böse“ sich zu einem überschallschnellen Enthauptungsschlag provoziert sehen könnte, wenn wir es mit Überschallraketen bedrohen, deren Flugzeit bis Moskau weniger als 10 Minuten beträgt, bleibt naiverweise ausgeblendet).
- Russland dürfe mit seinem Angriff auf die Ukraine nicht ungestraft davonkommen. Eine militärische „Bestrafung“ sei unausweichlich (vergessen wird zum einen, dass der Westen weder für seine Angriffe auf Jugoslawien 1999 oder den Irak 2003 bestraft wurde; zum anderen wird übersehen, dass letztlich niemand bestraft ist, wenn am Ende die Strafenden mit den Bestraften im nuklearen Inferno untergehen. [1999 berief sich der Westen im Falle des Kosovo auf eine sogenannte Responsibility to protect, die man Russland 2022 für den Osten der Ukraine selbstredend nicht zugestand]).
Anders gesagt: Auch wenn die Explosivität und Existenz-Bedrohlichkeit der aktuellen Spannungen zwischen Russland und Nato wahrgenommen werden, so gelingt es führenden Medien doch, diese bedrohliche Lage als unausweichlich weithin akzeptabel zu machen. Akzeptabel für alle, die es ablehnen, zum nächsten Opfer eines russischen Eroberungs-Imperialismus zu werden. Durch dieses Einfallstor hielt eine kollektive Stimmung analog zum Kalter-Krieg-Bekenntnis „Lieber tot als rot“ Einzug und verfestigt sich. Auf die Gegenwart gemünzt ließe sie sich paraphrasieren mit: „Lieber Rekrutin als Putin!“
Diesem Zeitgeist des „Lieber Rekrutin als Putin!“ korrespondiert eine gewisse Bereitschaft zum Nichts: Die abstrakte Bereitschaft, im Zuge der Abwehr eines vermeintlichen auf Westeuropa ausgreifenden russischen Imperialismus das eigene Leben zumindest verbal und abstrakt hinzugeben: um nicht eines Morgens im Reich des Bösen zu erwachen. Und diese Bereitschaft zum Nichts korrespondiert wiederum einem jüngst verbalisierten neuen Willen zur Macht: Die Bundesregierung, so Kanzler Merz am 14. Mai 2025 im Deutschen Bundestag, werde der Bundeswehr die Mittel geben, „um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden. Das ist dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land Europas auch mehr als angemessen.“ In Ansehung der deutschen Geschichte gefriert uns bei dieser Verschränkung von Bevölkerungsreichtum einerseits und „stärkster Armee“ andererseits das Blut in den Adern. Denn eine gewisse politische Geographie wollte einst mehr Lebensraum für das beengt lebende deutsche Volk.
Sehen wir jetzt, inwiefern wir mit den bisherigen Überlegungen zur aktuellen Schwäche der Friedensbewegung weiterkommen.
Aufhebung von Elend durch Erhebung
Zunächst scheint naheliegend: Sobald eine objektive Existenzbedrohung – die existentielle Verelendung – groß genug ist, erheben Bürger sich dagegen. Nun ist Verelendung nicht gleich Verelendung. Wir können zwischen unterschiedlichen Typen differenzieren. Viel diskutiert wurde die absolute Verelendung der Arbeiterklasse. Plausibel schien im 19. Jahrhundert die Annahme, die absolute Verelendung der Arbeiter/innen werde dazu führen, dass diese Klasse wie ein Gesamtsubjekt – wie ein Mann und eine Frau – aufsteht, um das Elend – oft genug das Hungerelend – in einem revolutionären Akt hinter sich zu lassen. Marx und Engels waren sogar überzeugt, die revolutionäre Arbeiterklasse würde nicht bloß die eigene Verelendung aufheben, sondern mit dem Kapitalismus die Ausbeutung aller Menschen beenden – und vielleicht sogar die Ausbeutung der Natur.
Ökologische Verelendung
Naturzerstörung und ökologische Verelendung können als aufgeschobene – aber bereits in die Wege geleitete – materielle Verelendung aufgefasst werden: Die Kontaminierung von Böden und Gewässern oder die Veränderung des Weltklimas bedeuten künftiges Elend. Gegenpolige Extreme sind etwa grassierende Wasserknappheit und ungeahnte Überschwemmungen. Was früher vielleicht ein belächelter Natur-Schutz war, ist inzwischen zumeist Selbst-Schutz. Der Kampf gegen die ökologische Verelendung ist immer auch ein Kampf gegen die künftige eigene materielle Verelendung oder zumindest gegen eine Verschlechterung menschlicher Existenzbedingungen in Raum und Zeit.
Ziel des Kampfes gegen die fortschreitende ökologische Verelendung ist weniger eine Revolutionierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse, als vielmehr eine sozial-ökologische Transformation der bestehenden Gesellschaft. In Gestalt der ökologischen Bewegung ist das Subjekt dieses Kampfes keine Klasse mehr, sondern Klassen und Schichten übergreifend. Dass die nötige sozial-ökologische Transformation in einer Wachstumsgesellschaft nicht erreichbar ist, wird allzu selten ausgesprochen.
Weil die ökologische Verelendung in den Industriestaaten oftmals noch nicht am eigenen Leib verspürt wird – sondern aus der Ferne gleichsam an den Leibern und Schicksalen weiter weg lebender Menschen miterlebt und vorweggenommen wird –, und weil es sich häufig um schleichende Prozesse handelt, sind die Träger ökologischen Protests nicht selten selbstlose Idealisten, die für räumlich oder zeitlich nicht präsente Menschen auf die Straße gehen.
Mit der wissenschaftlichen gut fundierten Notwendigkeit, den globalen Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Epoche kleiner als 1,5°C zu halten (um irreversible Kipp-Punkte zu vermeiden), wurde der objektive Druck so groß, dass sich nach der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre erneut ein halbwegs stabiles Subjekt von Protest konstituierte, das gegen eine ökologische Verelendung rebelliert.
Bellizistische Existenz-Verelendung
Was wir bellizistische Existenz-Verelendung nennen können, entspricht dem Umstand, dass unsere Fortexistenz von Augenblick zu Augenblick in Anbetracht Tausender Atom- und Wasserstoffbomben grundsätzlich keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Unsere Vernichtung, vielleicht sogar das Ende der Zivilisation, steht bereits in den Startlöchern. Grundsätzlich ist unsere Fortexistenz von Moment zu Moment längst dem Umstand zuzuschreiben, dass fehlerhafte Sicherheitssysteme kein irreversibles nukleares Inferno auslösen. Wobei diese Art von Existenz-Verelendung unterschiedliche Grade kennt und aktuell auf die Dramatik jener zwei Wochen der Kuba-Krise von 1962 zusteuern könnte. Dazu leisten verbale Kriegsfanfaren à la: „Wir leben nicht mehr vollständig im Frieden!“ das Ihrige. So gesehen existieren wir im Zustand einer Seins-Verminderung. Wir leben zwar noch, sind nicht mehr voll da, sondern infrage gestellt, gleichsam nur noch halb-seiend.
In Anbetracht einer Triade aus mythisierender Zeitenwende, Kriegstüchtigkeit vor einem medial synthetisierten „Feind“ und Heimatschutz ist die Existenz-Verelendung gegenwärtig dramatisch. Man redet nicht mehr nur von erforderlicher Kriegstüchtigkeit, sondern redet eine kriegerische Auseinandersetzung mit Russland geradewegs enthusiastisch herbei. Wo dieser Wille zur Macht ohne entschiedenen Widerspruch hingenommen wird, manifestiert sich eine Bereitschaft zum Nichts.
Zur Kuba-Krise 1962
Wenn wir hier in Anlehnung an den Nuklear-Denker Günther Anders (1902–1992) die Einheit „Anders“ einführen dürfen – mit einer von 1 bis 10 reichenden Skala –, dann gilt für die Gegenwart vielleicht ein Wert von 8 Anders. Ein Wert, der vielleicht auch im Jahr 1983 erreicht wurde und der einzig während der Kubakrise 1962 übertroffen worden sein dürfte. Am Siedepunkt der Krise gingen am 23. Oktober 1962 in New York 800 Frauen der Women Strike for Peace für eine friedliche Beilegung der Krise auf die Straße. Gleichwohl erweckte die Kubakrise weder in den USA noch in Westdeutschland eine große Friedensbewegung aus einer insgesamt schlafwandelnden Gesellschaft. – Auch wenn diese Krise Jahrzehnte später, im Rückblick, das Bewusstsein für die Gefahr eines Atomkriegs schärfte und damit im Nachhinein für einen Teil des Zulaufs für die Friedensbewegung in den 1980ern gesorgt haben mag.
Geben wir versuchsweise drei Antworten auf die Frage, warum die Kuba-Krise offenbar keine größere Bewegung im Stile der Kampf-dem-Atomtod-Bewegung initiierte:
- Die Kubakrise entfaltete sich innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums von nur zwei Wochen im Oktober 1962.
- Ein entscheidender Auslöser der Kuba-Krise dürfte 1962 im allgemeinen Bewusstsein kaum präsent gewesen sein – und wird sogar bis heute wenig berücksichtigt: dass nämlich die USA zunächst in der Türkei Jupiter-Raketen stationiert hatten. Plausibel ist, dass sich die Bevölkerungen des Westens 1962 u.a. deshalb mental auf die Seite der USA schlugen, weil sie die USA einseitig von sowjetischen Raketen auf Kuba bedroht und somit im Recht sahen.
- Die „Kommunisten“-Hetze zurückliegender Jahre hatte dezidiert anti-sowjetische Einstellungen bewirkt. Der nukleare Tod mochte als ein geringeres Übel erschienen sein als die Alternative einer propagandistisch prophezeiten kommunistischen Überwältigung.
Die zurückliegende Friedensbewegung
Es gibt Fridays for Future, jedoch kaum annähernd empörungsstarke Friedensdays for Future. Das bei nüchterner Betrachtung Offenkundige, dass nämlich die Zukunft durch die Zurüstung auf einen Krieg aktuell sehr viel kurzfristiger und drastischer bedroht ist als durch den Klimawandel, ist in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Eine kritische Masse kommt nicht zustande. Die deutsche Friedensbewegung der 1980er Jahre formierte sich zumal, weil der Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 als bellizistische Existenz-Verelendung empfunden wurde. Damals waren es DIE GRÜNEN, die wegen der Vorbereitung eines Angriffskrieges im April 1981 sogar Strafanzeige gegen die Bundesregierung stellten.
Objektiv gesehen ist die heutige Bedrohungslage vermutlich dramatischer als damals: Denn 1979 diente der Nato-Doppelbeschluss immer auch als Handhabe, um die Sowjetunion zu gemeinsamer Abrüstung zu bewegen, die 1976 im Westen der Sowjetunion neue SS-20-Raketen mit einer Reichweite von 5500 km aufgestellt hatte. Und obwohl man im Kalten Krieg lebte, kursierten damals vielleicht noch keine prä-apokalyptischen Sätze wie „Wir sind nicht im Krieg, aber wir leben auch nicht mehr im Frieden.“ (F. Merz)
Mit der Stationierung u.a. von Pershing-Raketen wollte der Westen ABRÜSTUNGS-Verhandlungen bewirken. Nach dem Scheitern von Verhandlungen in Genf 1982 lehnten die Bevölkerungen mehrerer Nato-Staaten die Stationierung mehrheitlich ab. Pikanterweise kam es in Deutschland zu keiner Volks-Abstimmung, sondern der Bundestag stimmte über die Köpfe der Bürger hinweg für die Stationierung. Ähnlich – und noch wesentlich drastischer – ist es jetzt: Im Sommer 2024 brachte der umstrittene Kanzler, Olaf Scholz, von einem Biden-Besuch in den USA den „Beschluss“ zur Aufstellung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen im Jahr 2026 zurück nach Deutschland; diesmal war nicht einmal mehr der Bundestag an einer Entscheidungsfindung beteiligt. Sondern der Vasall übte sich darin, „eine dienende Führungsrolle auszuüben“ (R. Habeck). Ein feiner Unterschied zur Nachrüstung in den 1980ern: Diesmal sind allein deutsche Politiker derart US-herrschaftsgläubig, dass sie die Fortexistenz der eigenen Bevölkerung riskieren. Denn andere Staaten werden die fraglichen US-Mittelstreckenraketen und Hyperschallwaffen 2026 nicht stationieren!
Wenn die bellizistische Daseins-Verelendung heute objektiv stärker ist als damals: Warum begehrt heute keine umso massivere Friedensbewegung dagegen auf? Um es sehr überspitzt auszudrücken: Warum führt das Vorhaben, irgendwo ein neues Windrad aufzustellen oder einen Bahnhof zu bauen, zur energischen Forderung nach Bürgerbeteiligung oder erbittertem Widerstand über Jahre hinweg, die geplante Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen 2026 hingegen kaum? Warum hallt nicht die Forderung zig millionenfach durch die Republik, die Bürger bei der Aufstellung existenz-unterspülender US-amerikanischer Mittelstreckenraketen 2026 zu beteiligen?
Gegen den hier vorgeschlagenen Zusammenhang von ökologischer oder bellizistischer objektiver Bedrohungslage einerseits und Stärke der Ökologie- oder Friedensbewegung andererseits lassen sich zahlreiche Gegenbeispiele anführen. Zum einen der Umstand, dass zu Zeiten des Irakkrieges am 15. Februar 2003 weltweit zwischen 6 und 10 Millionen Menschen in etwa 60 Städten auf die Straße gingen. Oder der Umstand, dass 2025 weltweit Millionen Menschen auf die Straße gehen, um den israelischen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser anzuprangern. Die auf die Straße getragene Solidarität mit den Irakern und den Palästinensern ist uneigennützig und altruistisch motiviert. Die je eigene Bedrohung ist bei Weitem nicht das einzige Motiv für Protest. Gerade ihre Selbst-lose Solidarität ehrt die Protestierenden.
Dass die Bürger derzeit nicht an einzelnen Tagen zu Millionen auf die Straße gehen, um gegen die neue Kriegstüchtigkeit zu demonstrieren, kann nun gedeutet werden als medial verhinderte Solidarität mit der eigenen Zukunft und derjenigen von Kindern oder Enkeln, von Freunden, Nachbarn und ganzen Gesellschaften. Und dies ist sicher eine Form von Nihilismus.
