Neuwahlen in Österreich: Super-Basti: Gut gemacht Herr Kurz!

Bundeskanzler Sebastian Kurz Foto: Stefan Groß

Nach dem Skandal-Video um FPÖ-Chef Hans-Christian Strache liegt Österreich im Wachkoma. Das westliche Ausland feiert den gigantischen Fauxpas des besoffenen Straches schon als Sieg der Demokratie über die verhassten Rechtspopulisten und sieht darin gleich ein globales Niedergangsphänomen. Gerade vor der Europawahl und einem neuen Rechtsbündnis unter Matteo Salvini, Jörg Meuthen, Marie Le Pen und Co kommt der Schicksalsschlag der Rechten wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk einher.

Kurz: „Die FPÖ schadet unserem Land“

Fakt ist: Die rechte FPÖ des einstigen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hat sich politisch ins Aus geschossen. Im sogenannten Ibiza-Video, das taktisch klug vor den EU-Wahlen in den Fokus des öffentlichen Diskurses rückte, hatte Hans-Christian Strache für eine eindimensionale Medienlandschaft nach dem Vorbild von Viktor Orbán in Ungarn geworben, wollte Österreichs Aushängeschild, die „Kronen Zeitung“, gar an russische Oligarchen verkaufen, um die kritische Presse mundtot zu machen und die Freiheitlichen durch russisches Oligarchengeld protegieren lassen. Sauberer Wahlkampf geht anders. Damit hat sich Strache disqualifiziert und seine ganze Partei gleich mit in den Abgrund gerissen; ein Dilemma für die rechtsaußen Blauen, die in den letzten Jahren kontinuierlich an Einfluss gewonnen hatte. Straches Abgang von der politischen Bühne war jedoch die einzige und notwendige Konsequenz – auch um Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht weiter zu belasten.

Kurz setzt sein Amt aufs Spiel

Während das politische Beben Österreich erschüttert und die Gräben im Land noch vertieft, hatte sich hingegen der österreichische Bundeskanzler als genialer Jongleur im Tigerkäfig erwiesen. Kurz, der in Deutschland und Frankreich gern als Enfant terrible ob seiner radikalen Migrationspolitik gesehen und gleich mit in die rechte Ecke der FPÖ geschoben wird, brillierte gestern wieder einmal mehr und bestätigte zugleich damit sein Genie als Ausnahmepolitiker. Kurz ist eben mehr als ein smarter Politiker, der weichgespülte Thesen in den Raum knallt, der um den heißen Brei lange redet, um letztendlich nichts zu sagen. Er hat seine Wahlversprechen – auch und gegen die FPÖ – eingelöst. Kurz ist eben kein deutscher Bundespolitiker, sondern ein Mann, der im Ausnahmefall, die richtige Entscheidung zu treffen vermag. Und die hat er jetzt getroffen, denn, so Kurz, die „FPÖ schadet unserem Land“. Der 32-Jährige hätte eine Minderheitsregierung ausrufen können, die zweite in der Geschichte Österreichs nach dem SPÖ-Kabinett Kreisky I im April 1970. So hätte er sich zumindest den Posten des Kanzlers gerettet. Doch ganz so machtpolitisch denkt Kurz dann auch wieder nicht, wenn er jetzt Neuwahlen fordert. Denn damit wirft der Allrounder sein politisches Amt selbst in den Ring und kann nur hoffen, dass ihm die Wiederwahl gelingt.

Mit der SPÖ will er nicht

Den Status des Saubermanns musste sich Kurz in der kurzen Koalition mit der FPÖ immer wieder erarbeiten. Sein Kurs, ausgerechnet die rechtskonservative Haiderpartei zu adeln und sie in der Wiener Republik hoffähig zu machen, hatte seine Sympathiewerte gerade im westeuropäischen Ausland purzeln lassen. Allzu gern hätte man ihn als „Baby-Hitler“ abserviert und ins politische Nirwana geschossen. Doch Kurz fährt eben nicht auf Sicht, sondern denkt taktisch weiter, schmiedet schon Pläne für eine starke ÖVP, die nach den Neuwahlen politisch das Ruder an sich reißen kann, ohne dabei von einem Koalitionspartner dauernd erpresst zu werden. Sei dieser nun die sich selbst demokratisch geoutete FPÖ oder die SPÖ unter der jungen, aber uncharismatischen Pamela Rendi-Wagner, die Kurz gleich nach Straches Rücktritt ein politisches Fehlversagen konstatierte und ihren Machtanspruch formulierte. Statt politisch, die Entscheidung für Neuwahlen zu goutieren, wieder nur Lamento und Kritik der Sozialisten aus allen Kanonenrohren.

Selbst im Augenblick des Neuanfangs erweist sich Rendi-Wagner als Miesepeter; sie hätte die Macht sicherlich nicht so schnell aus der Hand gegeben. Und damit zeigt sich bereits jetzt: Rendi-Wagner ist Kurz nicht gewachsen, weder als Persönlichkeit noch als Politikerin, sie ist zu verspielt, zu vordergründig ehrgeizig, von einer ganz durchschaubaren Art machtbesessen, eine Katharina Schulze der Sozialdemokraten eben. Inhaltlich passen SPÖ und ÖVP derzeit auch gar nicht zusammen, das hat Kurz klar und deutlich formuliert und einer derartigen Koalitionsgemeinschaft a priori eine Absage erteilt.

Keine deutschen Verhältnisse in Österreich

Was Sebastian Kurz mit allem Nachdruck verhindern will, ist das Comeback einer Großen Koalition nach dem Vorbild Deutschlands oder der Vorgängerregierung unter Christian Kern (SPÖ), wo statt Bewegung und Aufbruch nur Stillstand und Streit regieren. Und mittten im Ausnahmezustand wirbt der Optimist Kurz schon wieder für seinen Kurs und für einen weiteren Aufbruch des Alpenlandes unter seiner Regentschaft. „Ich möchte gerne für unser wunderschönes Land arbeiten und zwar mit meinem politischen Zugang, mit meinem Kurs und auch mit der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Aber ganz ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und sonstige Skandale. Ich glaube, dass das derzeit mit niemandem möglich ist. Die FPÖ kann es nicht, die Sozialdemokratie teilt meine inhaltlichen Zugänge nicht, und die kleinen Parteien sind zu klein, um wirklich Unterstützung sein zu können.“

Kurz bleibt es zu wünschen, und Österreich auch, dass die ÖVP beim Poker um die Macht letztendlich eine Mehrheit einfährt, hoffentlich auch mit vielen Stimmen, die früher an die FPÖ verloren wurden. Denn: Kurz hat als Kanzler für Österreich eine gute Politik gemacht und seine Wahlversprechen gehalten – und er hatte bei aller Schmach, die ihm auch persönlich durch die FPÖ erwachsen ist – zumindest die Größe, sich für die gemeinsame Regierungsarbeit zu bedanken. Eine große Geste in diesem rasanten Zeiten. Aber es zeigt auch: Kurz ist ein Gentleman, der nicht, wie bei solch politischen Katastrophen und geheimdienstlichem Schmierentheater durchaus üblich, den einstigen Partner bis ins Blut hinein verteufelt. Das weiß sein Wahlvolk auch und wird es ihm zugute halten.

Quelle: The European

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2126 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".