Für die einen ist der amerikanische Präsident Donald Trump die Inkarnation des Bösen aus Dantes „Göttlicher Komödie“, der in den Höllenkreisen zu schmoren hat, für die anderen der fleischgewordene Messias, der einzig und allein Amerika und die Welt zu retten vermag. Kaum einer polarisiert mehr als der Mann mit dem roten Basecap, dem man einerseits die Pest an den Leib, andererseits das ewige Leben wünscht. Für seine vielen Kritiker verkörpert er das Ende der Zivilisation, für seine Anhänger ist er das Idol des Neuanfangs. Zwischen Apokalypse und Erlösung steht ein Mann, der nichts so sehr sucht wie Anerkennung.
Der Narzissmus der Macht – Der kindliche Wunsch nach Respekt
Donald Trump ist vor allem eines: ein Narzisst, ein Mensch, der die Hybris, die Selbstübersteigerung, in seiner Person extrem verdichtet und zu neuen, bislang ungekannten Siegeshöhen führt. Er ist jener Typus, der in der modernen Welt zugleich bewundert und gefürchtet wird – der mächtigste Mann des Planeten, ausgestattet mit einer fast verstörenden Selbstgewissheit, die ihm die Rolle des Unfehlbaren zuschreibt. Und dennoch scheint er innerlich von einem kindlichen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, nach Anerkennung, getrieben. Diese Diskrepanz zwischen Macht und Verletzlichkeit ist sein Motor und sein Makel zugleich.
Trump zu unterschätzen – diese Erfahrung haben viele Staatslenker der Welt gemacht, Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeschlossen. Denn was er in Wahrheit sucht, ist keine bloße Zustimmung, sondern Respekt. Er verlangt, dass man ihm den Ernst seiner Person zugesteht, dass man ihn als das anerkennt, was er selbst zu sein glaubt: ein Mann von historischer Bedeutung. Was Trump sucht, ist das Bekenntnis zu seinem Gottesgnadentum. Doch Europa verweigert ihm das, selbst seine Person wird leise belächelt; ein alter weißer Mann mit Starallüren, ein Empörkommling durch finanzielle Gnaden und dunkle Machenschaften. Sowohl die Europäische Union als auch die Bundesregierung betrachten ihn aus der Perspektive moralischer Überheblichkeit. Der Einzige, so scheint es, der über jene feine, fast pädagogische Begabung verfügt, die psychologische Tiefe eines Gegners zu erkennen, ist ausgerechnet Wladimir Putin – jener russische Präsident, der mit kühler Berechnung und einer Politik der permanenten Grenzverschiebung die Welt in seinen Bann schlägt. Seine Expansionsstrategie hat die NATO an die Schwelle einer kollektiven Erschöpfung geführt, die baltischen Staaten in einen Zustand latenter Alarmbereitschaft versetzt. Dort ist die Furcht vor dem Einmarsch russischer Truppen längst keine Projektion mehr, sondern tägliche Realität, genährt vom dumpfen Dröhnen einer Kriegsmaschinerie, die ihren eigenen Rhythmus kennt – jenen der Macht, der Drohung und der Einschüchterung.
Der selbsternannte Friedensstifter
Trump sieht sich als Global Player, als Weltpolizist, als Friedensstifter von Gottes Gnaden. Sieben Kriege, so sagt er, habe er beendet. Und tatsächlich: Im Unterschied zu manchem seiner Vorgänger im Weißen Haus hat er keinen neuen begonnen. Sein Friedensplan für Gaza gilt ihm als diplomatischer Erfolg. Und so steht folgerichtig für den in New York City geborenen Milliardär steht fest: Er hat den Friedensnobelpreis verdient. Diese Auszeichnung wäre zugleich die Krönung seines politischen Lebenswerks – die Weihe seines Mythos. Unterstützer in vielen Ländern hatte er und Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte: „Sie haben ihn verdient.“ Doch Oslo entschied anders. Karim Haggag, Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, erinnerte daran, dass Trump bislang keinen Konflikt endgültig gelöst habe. Auf dieser Grundlage sei die Auszeichnung schwer zu rechtfertigen. Trump nahm die Entscheidung persönlich – wie immer: „Sie werden ihn irgendeinem Typen geben, der verdammt noch mal nichts gemacht hat“, wetterte er gegen das Nobelkomitee.
Die Preisträgerin aus Venezuela
Statt Trump erhielt María Corina Machado den Friedensnobelpreis 2025 – für ihren langjährigen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte in Venezuela. Seit Jahren kämpft sie gegen das Regime von Nicolás Maduro und sieht die demokratische Bewegung ihres Landes „an der Schwelle zum Sieg“. Der Nobelpreis sei „ein Ansporn, unsere Aufgabe zu Ende zu führen: die Freiheit zu erringen“ – und die Auszeichnung „eine immense Anerkennung für den Kampf aller Venezolaner“. In ihrem Tweet auf X dankte sie zugleich Trump: „Venezuela kann heute mehr denn je auf Präsident Trump, das Volk der Vereinigten Staaten, die Völker Lateinamerikas und die demokratischen Nationen der Welt als unsere wichtigsten Verbündeten zählen.“ Sie widmete den Preis „dem leidenden Volk Venezuelas und Präsident Trump für seine entschlossene Unterstützung unserer Sache“.
Trotz der Anerkennung blieb für Trump die Entscheidung zugunsten der Venezolanerin eine Demütigung, sah er sich selbst doch als den einzig legitimen Preisträger. „Jeder sagt, ich müsse den Friedensnobelpreis erhalten“, erklärte er vor der UN-Vollversammlung. Sein Sprecher Steven Cheung kommentierte: Das Komitee habe „bewiesen, dass es Politik über Frieden stellt“. Trump, so hieß es weiter, werde „weiter Friedensabkommen schließen, Kriege beenden und Leben retten“. Es werde „niemals jemanden geben wie ihn, der Berge mit seiner Willenskraft versetzen kann“.
Die Entscheidung aus Oslo war zweifellos ein Zeichen – ein starkes für eine Frau und ein geschundenes Land. Doch auch Trump, so sehr er polarisiert, hat sich, ob aus Egozentrik oder Überzeugung, um das Ende von Krieg und Gewalt bemüht – in Gaza, in der Ukraine, auf den Bühnen der Diplomatie. Wenn der Friedensnobelpreis jenen ehren soll, der die „Verbrüderung der Völker“ befördert, hätte man ihn zumindest in Betracht ziehen können.
Dass er ihn nicht bekam, mag logisch erscheinen: zu groß bleibt Trump als Spalter, zu laut seine Selbstinszenierungen, zu unberechenbar sein Stil. Doch der Preis wäre ein Akt politischer Klugheit gewesen – nicht, weil Trump ihn moralisch verdiente, sondern, weil er ihn gebraucht hätte, quasi als Motor zu noch mehr Initativgeist. Der Preis hätte ihn verpflichtet, ihn angespornt, noch mehr Retter und Welterlöser zu werden. Vielleicht hätte er sich dann noch aktiver in die Beendigung des Ukraine-Krieges eingeschaltet, wäre zum Friedensengel mutiert. Ohne den Friedensnobelpreis bleibt ein gekränkter Narzisst zurück – und die Welt kennt keine gefährlichere Figur.
Und wie ein Raubtier, das aufbraust, hat Trump auf die Entscheidung des fünfköpfigen Gremiums des norwegischen Nobelkomitees reagiert. Um seine Macht zu demonstrieren, reagierte er mit der Ankündigung von hundertprozentigen Zöllen auf chinesische Waren prompt und schickte die Börsen weltweit tief ins Minus. Der Tiger, dem man den Lohn verweigerte, zeigte die Zähne.
Putins Lob und die Kritik am Westen
In diesem Schauspiel trat Wladimir Putin auf den Plan. Er lobte Trump für seine Bemühungen um den Frieden im Nahen Osten: „Ich weiß nicht, ob der derzeitige US-Präsident den Nobelpreis verdient, aber er tut wirklich viel, um komplexe Krisen zu lösen, die sich seit Jahrzehnten hinziehen.“ Zugleich kritisiert er das Komitee scharf: „Es scheint mir, dass der Preis an Menschen vergeben wird, die nichts für den Frieden getan haben. Diese Entscheidungen haben dem Ansehen der Auszeichnung enormen Schaden zugefügt. Ihre Autorität ist weitgehend verloren gegangen.“ Putins Berater Juri Uschakow erklärte, Russland würde eine Verleihung an Trump „unterstützen“. Und Trump bedankte sich umgehend auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ – aber ausgerechnet beim Falschen.
