Was ist der Auftrag von McGrath – Die Reise von EU-Commissioner McGrath nach Singapur (3)

EU-Commissioner McGrath in Singapur am 3. März 2025 (Foto: McGrath)

Der Commissioner für Justiz soll die Rechtsstaatlichkeit in den Ländern der EU prüfen. In Moldawien könnte er den notwendigen Beitritt stärken. Doch McGrath trifft Geschäftsleute in Singapur. Von Johannes Schütz.

Jeder Commissioner der Europäischen Union erhielt bei seiner Berufung einen Mission Letter von Präsidentin Ursula von der Leyen. Die Aufgaben, die er übernehmen soll, werden in dem Schreiben exakt definiert.

Demnach wurde erwartet, dass Commissioner McGrath die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besucht. Dabei soll eine aufrichtige und dauerhafte Kultur der partizipativen Demokratie geschaffen werden, eine neue Epoche des Dialogs mit den Bürgern beginnen. Präsidentin von der Leyen bestimmte ausdrücklich, dass ein Commissioner mit seinen Reisen vorrangig einen persönlichen Kontakt mit Europäern aus der gesamten Union herstellen soll, in Städten, auch in ländlichen Gebieten:

„I would like you to visit Member States regularly. I encourage you to go local, visit places and meet Europeans from across our Union, including in cities, rural and sparsely populated areas“.
(Ursula von der Leyen: „Mission Letter to Michael McGrath: Commissioner-designate for Democracy, Justice, and the Rule of Law“, Brüssel, 17. 9. 2024, S. 3)

Beitrittskandidaten ermutigen

Es sollen auch die Staaten besonders berücksichtigt werden, die einen Beitritt zur Europäischen Union vorbereiten. Die Politik dieser Kandidaten muss vor der Aufnahme überprüft werden.  Commissioner McGrath sollte dabei deutlich sich angesprochen fühlen, geht  es doch um den Zustand der Justiz im Land.

„I would also like you all to play an active role in supporting candidate countries to prepare for joining our Union in your respective policy areas. I count on you when it comes to the pre-enlargement policy reviews“.
(„Mission Letter to Michael McGrath“, ebd., S. 2)

Deshalb hätte man angenommen, dass McGrath, als Commissioner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit, bei seiner ersten Reise nach Moldawien steuert, gerade in der aktuellen politischen Situation, angesichts der Bedrohung durch Russland. Damit wäre ein Zeichen gesetzt worden, dass Moldawien gestärkt wird, einen raschen Beitritt zur Europäischen Union zu finden.

Fahrten von McGrath nach Nordmazedonien, Montenegro oder Georgien wären ebenfalls nachvollziehbar gewesen.  Erklärungsbedürftig bleibt allerdings, weshalb er als EU-Commissioner für seinen ersten Auftritt im Ausland nach Singapur eilt.

Schutz von freien Journalisten durch Rechtsstaatlichkeit

Präsidentin von der Leyen betonte in ihrer Mission für Justiz-Commissioner McGrath, dass das Vertrauen der Bürger in die Rechtsstaatlichkeit gesichert werden muss. Unabhängige Medien und freie Medien benötigen dringend Schutz vor missbräuchlichen Klagen. Auch Zivilgesellschaft, Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger sollen gestärkt werden. Entsprechend bedarf es einer Förderung von Medienkompetenz, Digitalisierung und korrekter Information.

„You will also focus on the implementation of the European Media Freedom Act and put forward proposals to further support and protect independent media and journalists, building on the work done to protect them from abusive lawsuits“.
(„Mission Letter to Michael McGrath“, ebd., S. 5)

Denn Europas Wirtschaft und nachhaltiger Wohlstand hängen, so erklärt es Präsidentin von der Leyen in ihrem Schreiben an McGrath, von einem funktionierenden Justizsystem ab.  Europas Demokratie und Wirtschaft basieren auf Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Sie ermöglichen ein funktionierendes Gesellschaftsleben und gewährleisten die Verteidigung von Rechten und die Bestrafung von Korruption:

„Europe’s democracy and economy relies on justice and the rule of law. It makes our society work and ensures that rights are defended, corruption is punished, and contracts are enforced. (…)
Rule of Law ensures that citizens can have confidence in state power being exercised fairly and objectively“.
(„Mission Letter to Michael McGrath“, ebd., S. 5)

Artikel-7 für Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten

Der Justiz-Commissioner soll die Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union überwachen.  Rechtsstaatliche Probleme in den Mitgliedsstaaten befürfen einer Lösung. McGrath wird im Mission Letter entschieden aufgefordert, dafür die notwendige Unterstützung zu bieten. Gegebenenfalls müsste Commissioner McGrath für eine wirksame Durchsetzung durch eine verstärkte Anwendung des „Artikel-7-Mechanismus“ sorgen:

„I would like you to engage with Member States to support them to resolve rule of law-related issues. You will ensure effective enforcement where appropriate and support effort for a reinforced application of the Article 7 Mechanism. (…) You will be responsible for monitoring the application of the Charter of Fundamental Rights“.
(„Mission Letter to Michael McGrath“, ebd., S. 6)

Artikel-7 sieht im Vertrag über die Europäische Union vor, dass Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten erfolgen, wenn die Charta der Grundrechte verletzt wird.

Kampf gegen Korruption

Auch ein klarer Ansatz zur Korruptionsbekämpfung wird gefordert. Jeder Commissioner muss ein treues Bekenntnis zu Europa zeigen, bei dem kein Zweifel aufkommen kann. Präsidentin von der Leyen verlangte eine uneingeschränkte Einhaltung aller geltenden Regeln zur Integrität, Unparteilichkeit und Ethik, auf Grundlage des Code of Conduct:

„Every Member of College must show a true European commitment beyond doubt and be fully independent in their action. I expect full adherence to all applicable integrity, impartiality and ethical rules from all, starting with the Code of Conduct“.
(„Mission Letter to Michael McGrath“, ebd., S. 4)

Verhaltenskodex für den Commissioner

Der  Code of Conduct nennt die Unabhängigkeit als Grundlage für die Berufung eines Commissioners:
„Die Kommissionsmitglieder wahren in ihrem Verhalten und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unter Beachtung der in den Verträgen festgelegten und in diesem Verhaltenskodex formulierten Bestimmungen völlige Unabhängigkeit, Integrität und Würde sowie Loyalität und Diskretion. Sie genügen den höchsten Ansprüchen im Hinblick auf ethisches Verhalten“.
(Beschluss der Kommission vom 31. Januar 2018 über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission, Art. 2 (2))

Ein Commissioner muss jede Situation vermeiden, die zu einem Interessenkonflikt führen kann oder die bei vernünftiger Betrachtung als eine solche Situation wahrgenommen werden kann. (Verhaltenskodex, Art. 2 (6))

Sogar nach Ablauf der Tätigkeit als Commissioner soll das Verhalten „ehrenhaft und zurückhaltend“ sein, hinsichtlich der Annahme von Tätigkeiten oder Vorteilen.
(Verhaltenskodex, Art. 2 (7))

Declaration of Interests

Artikel 3 des Code of Conduct schreibt vor, dass der Commissioner  eine Offenlegung seiner Interessen („Declaration of Interests“) übergeben muss. die finanzielle Interessen, Beteiligungen, Investments in einer Höhe von mehr als 10.000 Euro, Immobilien, sowie sämtliche Tätigkeiten und Mitgliedschaften nennt.

McGrath unterschrieb die Offenlegung seiner Interessen am 19. September 2024 und übergab das dafür vorgesehene Formular dem Europäischen Parlament: „I declare that the information above is correct“.

McGrath nannte dabei seine frühere Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer bei Chartered Accountants Ireland, seine politischen Funktionen als Mitglied des Irischen Parlaments und seine Ressorts als Minister der Regierung Irlands. Registriertes Mitglied ist er bei seiner Partei Fianna Fail und Fellow bei Chartered Accountants Ireland.

Alle weiteren Felder des Formulars ließ McGrath leer, somit gab er keine Angaben zu seinen Assets, Aktien, Anleihen, Immobilien. Damit sind seine Interessen an Unternehmen in Singapur nicht ersichtlich.

Meeting von McGrath in Singapur

Als „Transparenzanforderung“ ist für einen Commissioner vorgeschrieben, dass er seine Treffen mit Organisationen oder selbstständigen Einzelpersonen veröffentlichen muss.
(Beschluss 2014/839/EU der Kommission vom 25. November 2014 über die Veröffentlichung von Informationen über Treffen zwischen Kommissionsmitgliedern und Organisationen oder selbstständigen Einzelpersonen (ABl. L 343 vom 28. November 2014).

Die Sprecher der Europäischen Kommission verwiesen auf Anfrage auf die Daily News im Presseraum: „Commissioner McGrath travels to Singapore“ (Europäische Kommission: Daily News, 3. 3. 2025).

Dabei soll McGrath auch mit Unternehmen aus Singapur und Europa in Kontakt gewesen sein. Bisher wurden die Namen dieser Geschäftsleute nicht bekannt gegeben. Doch ist aufgrund der Transparenzanforderung bei solchen Treffen eine Veröffentlichung zwingend vorgeschrieben.

Weitere Überprüfung der Reise

Eine weitere Überprüfung der Reise von Commissioner McGrath nach Singapur ist erforderlich. Nach den Artikeln 245 und 247 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann ein Commissioner, der eine  schwere Verfehlung begangen hat, seines Amtes enthoben werden.

Bild:
EU-Commissioner McGrath in Singapur am 3. März 2025 (Foto: McGrath)

Links:

Wer ist der Chef von Denise Wong
Die Reise von EU-Commissioner McGrath nach Singapur (2)
Tabula Rasa Magazin, 2. 5. 2025
Admiral Lew Chuen Hong war Chef der Marine von Singapur. Jetzt leitet er die Kommission für personenbezogene Daten.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-wer-ist-der-chef-von-denise-wong-die-reise-von-eu-commissioner-mcgrath-nach-singapur-2

Welches Ergebnis brachte der Trip von EU-Commissioner McGrath nach Singapur
Tabula Rasa Magazin, 17. 4. 2025
Todesurteile ohne ordentliche Verfahren in Singapur. Internationale Organisationen verurteilten die Verletzung von Menschenrechten. Doch der Justiz-Commissioner der EU war nur an lukrativen Geschäften interessiert.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-welches-ergebnis-brachte-der-trip-von-eu-commissioner-mcgrath-nach-singapur

Über Johannes Schütz 116 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel