Studie Gerechtigkeit für die Mitte? – Teil 3: Sparfähigkeit und Vermögen der Mittelschicht in Deutschland

Markus Ferber, MdEP: "Die Krise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sparen geht nur noch bei Konsumeinschränkungen."

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Die Hanns-Seidel-Stiftung hat vom ifo Institut in einer Studie die finanzielle Lage der Mittelschicht in Deutschland untersuchen lassen. Mit Teil 3 liegen nun auch die Ergebnisse zu Sparfähigkeit und Vermögen der Mittelschicht in Deutschland vor.

Der Europaabgeordnete und Stiftungsvorsitzende Markus Ferber, MdEP: „Die Krise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Hälfte aller Haushalte in Deutschland ist in der Krise nicht mehr in der Lage zu sparen, ohne ihre Konsumgewohnheiten stärker zurückzufahren oder auf Rücklagen zurückzugreifen. Die hohe Inflation hat die Mittelschicht überproportional getroffen und zeigt die Belastungsgrenze der Mitte.“

Dr. Florian Dorn, Studienleiter beim Münchner ifo Institut, ergänzt und konstatiert eine Einkommensentwicklung, „die vielerorts in den vergangenen Jahren mit steigenden Mieten und explodierenden Immobilienpreisen nicht mehr mithalten konnte. Gerade bei jungen Menschen können Anreize zu mehr Arbeit verloren gehen, wenn Vermögensaufbau und der Erwerb eines Eigenheims durch eigene Leistung immer schwieriger werden.“

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Beim klassischen Nettovermögensaufbau liegt die Mittelschicht deutlich zurück: Im Jahr 2017 lagen auf Basis des SOEP die durchschnittlichen äquivalenzgewichteten Nettovermögen der Haushalte, bestehend aus Real- und Finanzvermögen (ohne Altersvorsorgevermögen) und abzgl. von Schulden, bei 134.000 Euro. Beim Vermögensaufbau fällt die Mittelschicht relativ zu den einkommensstärksten Haushalten deutlich zurück. Die Haushalte mit hohem Einkommen haben im Durchschnitt ein Nettovermögen von rund 476.000 Euro. Im Gegensatz dazu hat die Mittelschicht im Durchschnitt ein Nettovermögen von 92.000 Euro in der unteren Mitte, 120.000 Euro in der mittleren Mitte und rund 184.000 Euro in der oberen Mitte. Selbst die obere Mittelschicht besitzt im Durchschnitt damit deutlich weniger als die Hälfte (39%) und die untere Mitte ein Viertel des durchschnittlichen Nettovermögens der hohen Einkommen.

Immobilienvermögen sind bedeutendster Vermögenswert für Haushalte in Deutschland: Die Bildung von Immobilienvermögen spielt eine herausragende Rolle in der Vermögensbildung von Haushalten in Deutschland. Diese sind im Durchschnitt bei allen Einkommensschichten der bedeutendste Vermögenswert. Dies gilt besonders für die Mittelschicht. Umso bedenklicher ist die geringe Eigenheimquote Deutschlands im europäischen Vergleich. Die klassischen Nettovermögen setzen sich in der mittleren und oberen Mitte zu knapp 70% aus Immobilienvermögen zusammen, bei der unteren Mitte sind es sogar knapp 77%. Dennoch ist die Höhe der durchschnittlichen Immobilienvermögen der Mittelschicht deutlich geringer als in der Schicht der hohen Einkommen. Bei allen Einkommensgruppen folgt nach den Immobilienvermögen erst mit großem Abstand das Finanzvermögen und dann weitere Vermögenswerte wie die betrieblichen Nettovermögen in der Bedeutung ihres Vermögensportfolios. Die deutsche Mittelschicht hat ein eher geringes Finanz- und Betriebsvermögen.

Altersvorsorge macht einen Unterschied: Wird der erwartete kapitalisierte Wert der Ansprüche aus der Altersversorgung als erweitertes Nettovermögen addiert, nehmen die Nettovermögen der Haushalte in Deutschland deutlich zu. Im Durchschnitt besteht die Hälfte des Nettovermögens deutscher Privathaushalte aus staatlichen Altersvorsorgeansprüchen wie Rentenanwartschaften der Deutschen Rentenversicherung und Pensionsansprüchen aus der Beamtenversorgung. Unter Berücksichtigung der theoretischen Höhe dieser erworbenen Rentenanwartschaften würde die Vermögensungleichheit geringer ausfallen. Durch die erworbenen Rentenanwartschaften nehmen die Vermögenswerte relativ zu ihrem Nettovermögen bei geringerem Haushaltseinkommen stärker zu.

Staatliche Altersversorgung besonders bedeutend für untere und mittlere Einkommen: Vermögenswerte der unteren und mittleren Einkommensschichten bestehen mehrheitlich aus staatlichen Altersvorsorgeansprüchen, insbesondere von den erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften. Es handelt sich dabei jedoch um zukünftige Rentenansprüche, deren Entwicklung aufgrund des demografischen Wandels und steigendem Kostendruck der sozialen Sicherungssysteme mit Unsicherheit verbunden sind. Die Beamtenversorgung ist für die obere Mittelschicht im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen bedeutender. Für hohe Einkommen spielt die staatliche Altersversorgung eine untergeordnete Rolle bei den Nettovermögen. Selbständige (ohne Pflichtversicherung) und Angestellte mit hohen Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze müssen und können mehr zur privaten Eigenvorsorge und Vermögensaufbau aufbringen.

Fähigkeiten zum Sparen und Vermögensaufbau sind in der Mittelschicht eingeschränkt: Den staatlichen Renten- und Pensionsansprüchen stehen hohe Steuer- und Abgabenlasten in der Mittelschicht gegenüber. Den mittleren Einkommen bleibt wenig Einkommen zum Sparen, zur privaten Eigenvorsorge oder Vermögensaufbau mit Real- und Finanzvermögen übrig. Auch der Erwerb der eigenen vier Wände rückt in der Mittelschicht für viele Haushalte in weitere Ferne. Die Einkommensentwicklung der Mitte konnte nicht mit den Immobilien- und Baupreisen Schritt halten. Ohne hinreichende Fähigkeiten zum privaten Vermögensaufbau müssen sich untere und mittlere Einkommen aufgrund ihrer Pflichtbeiträge weitgehend auf die Altersversorgung durch den Staat und somit die zukünftige Sicherheit ihrer Anwartschaften aus den staatlichen Renten- und Pensionsansprüchen verlassen.

Hohe Inflation verschärft die Lage der Mittelschicht: In der Krise wurden die Haushalte im Durchschnitt real ärmer. Die Krise ist dabei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Hälfte aller Haushalte in Deutschland ist in der Krise nicht mehr in der Lage zu sparen, ohne ihre Konsumgewohnheiten stärker zurückzufahren oder auf Rücklagen zurückzugreifen. Die hohe Inflation hat die Mittelschicht überproportional getroffen und zeigt die Belastungsgrenze der (unteren und mittleren) Mitte der Einkommensgruppen auf.

Vermögensstruktur wenig nachhaltig aufgestellt, Haushalte der unteren und mittleren Mittelschicht stecken in einer Art Vermögensfalle: Die Nettovermögen der Mitte sind aufgrund von hohen Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen stark von Anwartschaften der staatlichen Altersversorgung abhängig. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Zusammensetzung der Nettovermögen unterer und mittlerer Einkommensgruppen wenig nachhaltig aufgestellt. Staatliche Altersvorsorgeansprüche könnten vielen im Alter nicht mehr zum Erhalt des Lebensstandards reichen, sie sind daher besonders auf Möglichkeiten zur zusätzlichen privaten Eigenvorsorge und zum Vermögensaufbau angewiesen. Im Gegenteil spielen aber private und betriebliche Altersvorsorge bei unteren und mittleren Einkommen (bisher) eine untergeordnete Rolle. Insbesondere die Haushalte der Mitte, die noch nicht hinreichend Vermögen haben, stecken in einer Art Vermögensfalle. Aufgrund der geringen Rendite im Rentensystem müssten diese Eigenvorsorge und Vermögensaufbau betreiben, allerdings haben sie wegen der Abgabenlasten wenig Spielraum hierfür. Hinzu kommt, dass das Sparverhalten von Haushalten unterer und mittlerer Einkommensgruppen gerade in Zeiten niedriger Zinsen real negative Renditen einbrachte.

Schlussfolgerungen:

Die Krise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aufgrund der hohen Inflation und bei sinkenden Reallöhnen mussten auch Haushalte in der Mittelschicht im Jahr 2022 ihren Konsum einschränken oder auf Rücklagen zurückgreifen. Aufgrund verhaltener Konjunkturaussichten und weiterhin hohen Preissteigerungsraten bleibt die Lage für viele private Haushalte auch 2023 vorerst angespannt. Hohe Steuer- und Abgabenlasten haben viele Haushalte in der Mittelschicht aber auch schon vor der Krise in ihren Sparmöglichkeiten eingeschränkt, um private Eigenvorsorge zu betreiben und eigenes Vermögen aufzubauen. Eine Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge wäre für viele Haushalte aufgrund des demografischen Wandels jedoch zwingend notwendig, um die sinkende Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Hinzu kommt eine Einkommensentwicklung, die vielerorts in den vergangenen Jahren mit steigenden Mieten und explodierenden Immobilienpreisen nicht mehr mithalten konnte. Gerade bei jungen Haushalten können damit Anreize zu mehr Arbeit verloren gehen, wenn Aufstiegschancen und die Vermögensbildung durch den Erwerb des Eigenheims durch eigene Leistung immer schwieriger werden.

Um die Vermögensentwicklung in der Mittelschicht nachhaltiger aufzustellen, müsste an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Es bedarf dabei einer Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, um die Rente nachhaltiger aufzustellen und damit die Belastung der Mitte nicht weiter durch höhere Beiträge steigt. Stattdessen sollten die Sparfähigkeiten und die privaten Möglichkeiten zur Vermögensbildung gestärkt werden. Zielgerichtete Anreize und Möglichkeiten zum Vermögensaufbau müssen bestehen, damit sich der Aufbau von Realvermögen wie der Erwerb eines Eigenheims auch in der Mitte der Gesellschaft weiter durch eigene Arbeit und Leistung erreichen lässt. Schließlich sollten sich auch Haushalte mit mittlerem Einkommen in ihrem Anlageverhalten besser diversifizieren, damit sie auch an positiven Renditen am Kapitalmarkt mehr partizipieren.

Bereits in den Vormonaten wurden Teil 1 „Die Verteilung der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland“ und Teil 2 „Einkommen, Vermögen und Abgabenlasten der Mittelschicht im europäischen Vergleich“ veröffentlicht.

Quelle: Hanns-Seidel-Stiftung