Leserbrief zu: Wolfgang Jung „Raubritter, Heerführer, Warlord“ Florian Geyer

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Diesen Artikel über Florian Geyer habe ich mit gemischten Gefühlen gelesen, weil die Geschichtskenntnisse des Verfassers dürftig sind. So schreibt er schon in der ersten Spalte „Der 1945 gegründete selbsternannte Arbeiter- und Bauernstaat“. Wenn er nicht weiß, dass die DDR nicht 1945, sondern am 7. Oktober 1949 gegründet wurde, dann ist sicher auch das, was er sonst schreibt, angreifbar. In der vierten Spalte sind sieben Zeilen von „NDDAP“ bis „Waffen-SS“ doppelt gedruckt, weil schlampig redigiert wurde.

Im Zuchthaus Waldheim in Sachsen hatten wir 1962/63 eine Theatergruppe, die im Kultursaal Gerhart Hauptmanns Stück „Florian Geyer“ (1896) aufführte. In einer Szene stürmten mehrere Gefangene, die als aufständische Bauern verkleidet waren, auf der Bühne nach vorn, hieben mit ihren Fäusten auf ein Brett und schrien: „Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz!“ Im Originaltext Gerhart Hauptmanns haben sie Dolche in der Hand, aber in Waldheim konnte man den Gefangenen aus Sicherheitsgründen keine Dolche übergeben.

Das Gerhart-Hauptmann-Stück wurde in Waldheim 1963 von dem inhaftierten Schriftsteller Gerhard Schneider bearbeitet, der ein Vorspiel dazu geschrieben hatte. Da saßen vor der Bühne drei Häftlinge und lobten die Landwirtschaftspolitik Walter Ulbricht, der das verwirklicht hätte, was Florian Geyer damals im 16. Jahrhundert gewollt hätte. Es war haarsträubender Unsinn! Im Publikum saßen, zu langen Haftstrafen verurteilt, mehrere Bauern, die enteignet worden waren, weil sie sich nicht in „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft“ zwingen lassen wollten.

 

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Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.