Wie beurteilen russische Medien das Treffen von Putin mit Trump?

Meeting des russischen Präsidenten Putin und US-Präsident Trump in Alaska. (Foto: Gavriil Grigorov / Press Service of the President of the Russian Federation / TASS)

Stark unterschiedliche Positionen führender Medien zeigen einen Richtungskampf in Russland. Nach dem Abschied von Putin könnte das Amt gelöst werden von militärischen Männerphantasien und an wirtschaftlichen Argumenten orientiert werden. Um diese Möglichkeit wird von den Eliten in Russland offenbar noch gerungen. Von Johannes Schütz.

Er wird von russischen Redakteuren respektvoll ВВП (WWP) genannt, mit seinen Initialen für Wladimir Wladimirowitsch Putin, in der englischen Transkription Vladimir Vladimirovich Putin. Für diesen Beitrag werden drei russische Printmedien betrachtet, Moskowski Komsomolez (Московский комсомолец), Argumenty i Fakty (Аргументы и Факты), die Exilzeitung Nowaja Gaseta (Новая газета) .

Propaganda für Putin

Die kremlhörige Tageszeitung Moskowski Komsomolez  bringt deutliche Propaganda für Putin. Das Treffen mit US-Präsident Donald Trump wurde von Chefkommentator  Michail Rostowski (МИХАИЛ РОСТОВСКИЙ) mit zwei Beiträgen am 16. August bewertet. mit einem Bericht um 11.36 MSK (Moscow Time),  dann mit einer Interpretation um 17.44 MSK. Den Vorbericht am 15. August durfte Angelina Brzhevskaya verfassen.

Im seinem Beitrag am Nachmittag befand Rostowski:
WWP ist aus der Falle geschlüpft und treibt nun die Ukraine hinein
(ВВП выскользнул из капкана и теперь гонит в него Украину).

Gerne erklärt man in der Ukraine: „Nicht sage ich eine Position, denke die zweite Möglichkeit und mache es auf die dritte Weise“. Von dieser Geradlinigkeit unterscheidet Michail Rostowski in seiner Analyse sich auf das Nebuloseste. Er vergleicht das Treffen von Putin und Trump mit einem Schachspiel, das auf zehn Brettern gleichzeitig gespielt wird. Der Sieger eines solchen Bewerbs kann nach Rostowski nur schwer bestimmt werden, jede Beurteilung wäre demnach eine zufällige Wahl aus radikal widersprüchlichen Optionen, es gäbe genug Grundlagen für eine Aussage, und für die zweite,  und für die dritte:
„хватит и на одно, и на другое, и на третье“.

Rostowski schrieb seinen ersten Beitrag für Moskowski Komsomolez bereits 1991, noch als Schüler im Alter von sechzehn Jahren, nach seinem Studium an der Fakultät für Journalismus der Moscow State University erklärt er für die Zeitung, die eine starke Reichweite vorweist, die Politik in Russland und der Welt.

Russische Armee soll in die Enge treiben

Dabei definiert Rostowski, dass Bluff und Maske wichtige Werkzeuge diplomatischer Arbeit wären (блеф и хорошая мина). Beim Treffen in Alaska erhoffte US-Präsident Trump einen Friedensvertrag, das wird von Rostowski als ein taktischer Sieg der russischen Diplomatie bewertet (тактическая победа российской дипломатии).

Selenskyj „ist auf dem Schlachtfeld, gelinde gesagt, nicht siegreich“, so Rostowski. Trump müsste nun erreichen, dass Kiew „seinem Willen sich unterwirft“ (подчинить Киев своей воле). Dafür müsste Trump beweisen, dass er Druck und Einflussnahme standhalten kann. Rostowski kann diese Stärke bei Trump nicht bemerken, sein diesbezügliches Urteil über die Kraft des amerikanischen Präsidenten lautet: „Njet“ («нет», «не факт»).

Doch Rostowski ist darüber nicht beunruhigt, setzt doch Putin weiterhin auf die russische Armee und auf ihre Fähigkeit, die ukrainischen Streitkräfte in die Enge zu treiben.

(Михаил Ростовский, „Путин «перевернул столы»: ВВП выскользнул из капкана и теперь гонит в него Украину“, Московский комсомолец, 16. 8. 2025, www.mk.ru/politics/2025/08/16/putin-perevernul-stoly-vvp-vyskolznul-iz-kapkana-i-teper-gonit-v-nego-ukrainu.html)

Spezielle Militäroperation wird fortgesetzt

Vor dieser Analyse schrieb Rostowski, schon am Vormittag, einen Panegyrikos für seinen Präsidenten Putin, der Russland zu neuem Ruhm führt. Die Reise von WWP Putin nach Alaska wird als Besuch auf dem Territorium des strategischen Hauptgegners verstanden (ВВП на территорию «главного стратегического противника») . Demnach wurde die Fahrt zu einem Triumph für Putin, für seine persönliche Diplomatie und seine erstaunliche Fähigkeit. Doch bedeutet dieser diplomatische Erfolg Putins nicht das Ende der „speziellen Militäroperation“ SWO  in der Ukraine (дипломатический триумф Путина … не означает скорого окончания СВО).

(Михаил Ростовский, „Сделки нет, но Путин выиграл: саммит на Аляске завершился на загадочной ноте“, Московский комсомолец, 16. 8. 2025, www.mk.ru/politics/2025/08/16/sdelki-net-no-putin-vyigral-sammit-na-alyaske-zavershilsya-na-zagadochnoy-note.html)

Argumenty i Fakty sucht friedliche Lösungen

Eine andere Position wird in der Wochenzeitung Argumenty i Fakty vermittelt. Die Redakteure sind bemüht um Konsens und friedliche Lösungen. Betont wird in der Überschrift ein unerwarteter Vorschlag von Putin: Next Time in Moscow. Dabei wird eine gute Stimmung vermittelt, denn Putin sprach mit einem Lächeln (Путин с улыбкой).

Doch Gleb Iwanow (Глеб Иванов), der Korrespondent von Argumenty i Fakty beim Meeting in Alaska, betrachtet Putin nur am Rande, für den Schwerpunkt des Berichts setzt  er auf weitere Teilnehmer des Treffens.  Als bedeutend in den Verhandlungen wird Kirill Dmitrijew präsentiert, Leiter des Russian Direct Investment Fund, des staatlichen Anlagefonds Russlands. Er soll sympathisch wirken, denn er lächelt wie immer freundlich. Demnach wollten die Journalisten vor allem seine Ansicht vernehmen, noch vermied er einen Kommentar und empfahl, die Präsidenten zu hören (предлагал журналистам послушать президентов).

Ausdrücklich genannt wird auch Alexander Dartschiew, seit März 2025 der russische Botschafter in den USA. Er betonte, der Erfolg müsse schrittweise erreicht werden.

(Глеб Иванов, „Next time in Moscow? Путин на Аляске сделал Трампу неожиданное предложение“, Аргументы и Факты, 16. 8. 2025, www.aif.ru/politics/world/next-time-in-moscow-putin-na-alyaske-sdelal-trampu-neozhidannoe-predlozhenie)

Am Abend musste schließlich noch eine Stellungnahme von Putin gebracht werden, die Klarheit schaffen sollte. Der russische Präsident betonte, Moskau respektiere die Position Washingtons und wünsche sich ebenfalls eine Lösung der Ukraine-Krise.

(Игорь Бердичевский, „Путин: РФ хочет завершить конфликт на Украине мирными средствами“, Аргументы и Факты, 16. 8. 2025, www. HYPERLINK „http://www.aif.ru/politics/putin-rf-hochet-zavershit-konflikt-na-ukraine-mirnymi-sredstvami“ HYPERLINK „http://www.aif.ru/politics/putin-rf-hochet-zavershit-konflikt-na-ukraine-mirnymi-sredstvami“ HYPERLINK „http://www.aif.ru/politics/putin-rf-hochet-zavershit-konflikt-na-ukraine-mirnymi-sredstvami“ HYPERLINK „http://www.aif.ru/politics/putin-rf-hochet-zavershit-konflikt-na-ukraine-mirnymi-sredstvami“aif.ru/politics/putin-rf-hochet-zavershit-konflikt-na-ukraine-mirnymi-sredstvami)

Argumenty i Fakty war ein führendes Medium in der Epoche des Glasnost, um die Ideen für ein neues Russland zu debattieren. Die Wochenzeitung wurde im März 2014 von der Moskauer Stadtregierung erworben und in Moscow Media, die Media Holding der Stadt, eingegliedert. Argumenty i Fakty erreichte damals eine Auflage von 2,1 Millionen und damit die weiteste Verbreitung einer Wochenzeitung in Russland.

Nowaja Gaseta urteilt erzürnt

In seinem Kommentar für Nowaja Gaseta geht Andrej Kolesnikow (Андрей Колесников) streng ins Gericht mit der russischen Politik, aber auch mit der Inkompetenz des Teams von Donald Trump und der Sinnlosigkeit des Meetings in Alaska, das er als absolutes Verhandlungsfiasko interpretiert.

Trump wird mit seinen Bemühungen zwar nicht den Friedennobelpreis gewinnen, dafür könne Putin den Stalinpreis erster Klasse sich überreichen (Путин может сам себе вручить Сталинскую первой степени), so befindet Kolesnikow.

Die russische Truppe hätte die Kunst der Diplomatie längst verlernt. Dafür würden sie das Handwerk des feurigen sowjetischen Journalismus beherrschen, der Ende der 40er Jahre betrieben wurde. Sie verfolgten demnach die einzige Aufgabe, Trump zu täuschen («развести» Трампа).

(Андрей Колесников, „Переговоры наоборот“, Новая газета, 16. 8. 2025, www.novayagazeta.ru/articles/2025/08/16/peregovory-naoborot)

Nowaja Gaseta im Exil

Kolesnikow schrieb einst Reden für russische Politiker und war leitender Redakteur mehrerer russischer Zeitschriften, auch der Nowaja Gaseta, er leitete die Abteilung für russische Politik am Carnegie Moscow Center. Doch nach der Veröffentlichung kritischer Beiträge wurde er am 23. Dezember 2022 vom russischen Justizministerium auf die Liste der ausländischen Agenten gesetzt (ИНОСТРАННЫМ АГЕНТОМ).

Die Nowaja Gaseta sollte eine „Neue Zeitung“ sein, sie erschien erstmals im April 1993, gegründet für ein neues Russland, in der Epoche von Glasnost und Perestroika.  Der damalige Staatspräsident Michail Gorbatschow war ein wesentlicher Förderer des Blattes.

Chefredakteur Dmitri Muratow wurde 2021 für die Tätigkeit der Nowaja Gaseta mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Doch die russische Zensurbehörde Roskomnadzor forderte das Verbot der Nowaja Gaseta, das Oberste Gericht der Russischen Föderation untersagte im September 2022 die Publikation. Die Redaktion übersiedelte nach Lettland und gründete Nowaja Gaseta Europe.

Richtungskampf in Russland

Aus der Analyse russischer Medien kann man erkennen, dass in den Hinterzimmern des Staates ein Richtungskampf geführt wird. Noch ist das Ergebnis nicht entschieden. Doch Russland könnte die Welt  in Erstaunen  versetzen, allerdings nicht nur mit einer unerwarteten Einladung nach Moskau, sondern mit einem neuen Präsidenten, der als kompetenter Manager die Geschicke des Staates lenken will.

Nach dem Abschied von Putin könnte das Amt gelöst werden von militärischen Männerphantasien und an wirtschaftlichen Argumenten orientiert werden, jetzt repräsentiert vom Leiter des Russian Direct Investment Fund. Um diese Möglichkeit wird von den Eliten in Russland offenbar noch heftig gerungen. Das zeigen die stark unterschiedlichen Positionen führender Medien des Landes.

Links:

Mit dem Verbot der Nowaja Gaseta endet die Ära Gorbatschow
Tabula Rasa, 18. 9. 2022
www.tabularasamagazin.de/mit-dem-verbot-der-nowaja-gaseta-endet-die-aera-gorbatschow

Internationale Reaktionen auf das Verbot der russischen Zeitung Nowaja Gaseta
Tabula Rasa, 24. 9. 2022
www.tabularasamagazin.de/internationale-reaktionen-auf-das-verbot-der-russischen-zeitung-nowaja-gaseta

 

Foto:
Meeting des russischen Präsidenten Putin und US-Präsident Trump in Alaska.
(Foto: Gavriil Grigorov / Press Service of the President of the Russian Federation / TASS)

Über Johannes Schütz 123 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel