Wer hat Interesse an antiker Keramik? Keramiker natürlich. Historiker. Sammler. Zur letztgenannten Gruppe zählt das Ehepaar Prof. Dr. Berthold Schneider und seine Frau Dr. Eva-Maria Schneider. Beide haben über viele Jahre hinweg ihren Blick hauptsächlich auf griechische Keramik gelenkt, die in den Jahrhunderten vor Christi Geburt entstand. Dass sie ihren gesammelten Schatz nun in den Staatlichen Antikensammlungen am Münchner Königsplatz erstmals an die Öffentlichkeit bringen, um ihn bestaunen zu lassen, ist eine Ehre – nicht nur für das Museum, das der Glyptothek gegenüber liegt, sondern wohl auch für die Kunststadt München schlechthin. Zumal mit der Eröffnung der Sonderschau „Forma. Schönheit und Funktionalität griechischer Vasen“ durchsickerte, dass der in den Vitrinen liegende Schatz in das Eigentum des Kunststaates Bayern integriert würde. Was bedeutete, dass alles, was jetzt ganz neu ist für Keramik-Interessierte, auch später noch angeschaut werden kann. Und: dass damit eine Erweiterung des Museumsbestands in Aussicht gestellt ist, der den der Wittelsbacher würdig fortsetzt.
Der zunächst genannte Kreis der Interessierten müsste allerdings erweitert werden: um die Musiker. Die Schneiders liebten und übten die Musik aus, und so erklärt es sich, weshalb nicht wenige ihrer Exponate mit Musik zu tun haben. Auf einer attischen rotfigurigen, um 480 v. Chr. entstandenen Vase bläst ein Junge die Auloi. Wer kennt sie? Kaum jemand. Das Doppelinstrument lag zwischen Flöte und Oboe. Das lange Kleid, das der Spieler trägt, lässt auf ein Fest oder einen Wettbewerb schließen, bei dem er die Auloi bläst.
Ein adretter Sportler ist der kleine schwarzbärtige Herakles aus der selben Zeit und Gegend, der es auf das Werbeplakat der Ausstellung schaffte. Keine Vase ist das, sondern ein Duftölbehälter für die Körperpflege. „Schön ist der Knabe, wahrhaftig!“, steht um seinen Hals geschrieben. Etwa 70 Jahre früher als der lächelnde juvenile Herakles wird die aus Attika übernommene spätkorinthische Weinkanne geschätzt. Jungs aus bestem Hause sieht man zu Pferde reiten sowie schwarzgemalte Männer sich gegenüberstehen, die in den Dionysos-Kult einbezogen sind.
Als monumental gilt die attische, spät-geometrisch angelegte, zwischen 750 und 725 v. Chr. geschaffene sogenannte Pferdepyxis aus der Sammlung Schneider, von Experten als zu den „größten Vertretern ihrer Art“ gehörig angesehen. Vier Pferdchen als Griff? So unpraktisch das erscheinen mag: Pferde waren das Statussymbol der Oberschicht – wie heute etwa der Bentley.
Wie ein Kessel sieht das Keramik-Stück aus, das man sich unbedingt mit Bedacht anschauen sollte. Es ist „das größte bekannte Beispiel“ eines daunischen Gefäßes. Es stammt aus Süditalien, aus dem Kulturraum der Daunier aus dem nördlichen Apulien. Dieses Volk kam im 11./10. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung vom Osten her über die Adria nach Süden. Die daunischen Töpfer schufen ganz andere Gegenstände als die italischen Volksgruppen. Weshalb ihre kugeligen Gefäße Olla genannt wurden, ist bis heute nicht klar. Ihr Rand führt schräg nach innen, sie sind stark figürlich bemalt. Wem die vier Tierköpfe zuzusprechen sind – Stieren oder Widdern – wird ein Rätsel bleiben. Wegen ihrer großen Ohren nimmt man an, dass sie zu Fledermäusen gehören.
Die Ausstellung, die durchaus lustig ist und viele ungeklärte fachliche Fragen aufwirft, ist bis zum 19. Oktober täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet
