Organisiert Putin die antiwestliche Union beim Treffen in China

Putin wird vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Tianjin am 31. August empfangen (Foto: Sergei Bobylev, RIA, President of Russia)

Putin wird bei der Militärparade in Peking rechts von Xi Jinping sitzen und links der nordkoreanische Führer Kim Jong-un. Eine Allianz von Russland mit China und Nordkorea im Kampf um die neue Weltordnung. Dazu auch bilaterale Gespräche mit zahlreichen Staatschefs beim Treffen der Shanghai Cooperation Organisation. Von Johannes Schütz.

„Die Kartoffeln sind reif – an die Arbeit“, befindet Elena Egorowa in ihrem Kommentar für die regimetreue Tageszeitung Moskowski Komsomolez. Es ist ein populäres Sprichwort in Russland („картошка поспела – берись за дело“) und vermittelt, dass bei einer günstigen Gelegenheit rasch und entschlossen gehandelt werden soll.

Egorowa macht deutlich, wie diese Empfehlung im Zusammenhang mit dem Besuch des russischen Präsidenten Putin in China zu verstehen ist. Putin kam am 31. August nach Tianjin zum Treffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO). Diese wird zunehmend zur Organisation einer antiwestlichen Union (антизападным союзом), so erklärt Egorowa.

Insider der russischen Politik

Moskowski Komsomolez erhält authentische Information aus dem Kreml, von einem Insider der russischen Politik, daran lässt Egorowa keinen Zweifel, sie zitiert mehrfach Juri Uschakow, den Berater des russischen Präsidenten. Demnach verhüllte Uschakow nicht, dass Putin persönlich dem chinesischen Präsident Xi Jinping berichten werde, über die Verhandlungen mit Trump in Alaska und über andere Kontakte mit den Amerikanern, auch über die Telefongespräche.

Zwischen Russland und China soll es keine Geheimnisse mehr geben. Dafür begann das Treffen für Putin mit einem Tee (чаепитие) bei Xi Jinping. Putin wurde dabei begleitet von Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Andrej Belousow, dem Experten für Wirtschaftsfragen Maxim Oreshkin, sowie von seinem Berater Juri Uschakow.

Laut Uschakow sollen aber nicht nur vertrauliche Gespräche geführt, sondern auch ein Paket an wichtigen Abkommen unterzeichnet werden.

(Елена Егорова, „Четыре напряженных дня в Китае: десятки встреч, «Сила Сибири» и баоцзы гоубули“, Московский комсомолец, 31. 8. 2025, www.mk.ru/politics/2025/08/31/chetyre-napryazhennykh-dnya-v-kitae-desyatki-vstrech-sila-sibiri-i-baoczy-goubuli.html)

Elena Egorowa schrieb bereits in den Tagen zuvor eine Reihe von Vorberichten zur Fahrt von Putin nach China. Auch zum Programm von Putin und den geplanten bilateralen Treffen.

Allianz von Russland mit China und Nordkorea im Kampf um die neue Weltordnung

Putin nimmt am 3. September an einer Militärparade in Peking teil. Als bedeutend wird von den russischen Kommentatoren der Platz beschrieben, den der russische Präsident einnehmen soll. Uschakow vermittelte, dass China „in jeder Hinsicht betont, dass der russische Staatschef der wichtigste ausländische Gast von Xi bei der Parade sein wird„, an zweiter Stelle wird der nordkoreanische Führer Kim Jong-un genannt. „Wie uns chinesische Vertreter mitteilen, wird Wladimir Putin bei der Parade rechts von Xi Jinping sitzen, Kim Jong-un links“, erklärte Uschakow.

Damit wird die Einheit einer Trinität demonstriert, die den Kampf um die Weltherrschaft führen will. Putin will Kim Jong-un bei dieser Gelegenheit auch persönlich für die Hilfe der nordkoreanischen Soldaten im Krieg gegen die Ukraine danken.

(Елена Егорова, „В Кремле раскрыли детали встречи Путина и Ким Чен Ына в Пекине“, Московский комсомолец , 29. 8. 2025,  www.mk.ru/politics/2025/08/29/v-kremle-raskryli-detali-vstrechi-putina-i-kim-chen-yna-v-pekine.html)

Putin wird in Indien erwartet

Lyudmila Aleksandrova schrieb nach dem Meeting am 1. September:

Der Albtraum des kollektiven Westens wird Wirklichkeit: Putin, Xi und Modi demonstrieren ihre Nähe (…) Der stärkste Eindruck blieb jedoch die Szene zu Beginn: Modi, der Xi und Putin an den Händen nahm. Der indische Elefant, der chinesische Drache und der russische Bär. In der ganzen Pracht ihrer Einheit Im Schach bewegt sich der Elefant diagonal, doch hier machte der indische Elefant einen geraden Schritt – in Richtung Moskau und Peking„.

Ein Treffen von Putin in Indien wird für Dezember vorbereitet. Der indische Premierminister Modi versprach, dass „1,4 Milliarden Inder Putin in Neu-Delhi erwarten werden“.

(Людмила Александрова, „Кошмарный сон коллективного Запада становится явью: Путин, Си и Моди демонстрируют близость“, Московский комсомолец, 1. 9. 2025, www.mk.ru/economics/2025/09/01/koshmarnyy-son-kollektivnogo-zapada-stanovitsya-yavyu-putin-si-i-modi-demonstriruyut-blizost.html)

Gemeinsamer Feind

Andrej Jaschlawski bevorzugt es, den Politologen Lim Chuan-Tiong, zu zitieren, um Meinung zu bilden:
„Solange der gemeinsame Feind [die USA] nicht besiegt ist, wird die grenzenlose Zusammenarbeit zwischen China und Russland fortgesetzt”, sagte Lim.

(Андрей Яшлавский, „«Общий противник»: встреча Путина и Си Цзиньпина вызвала пристальное внимание на Западе“, Московский комсомолец, 1. 9. 2025, www.mk.ru/politics/2025/09/01/obshhiy-protivnik-vstrecha-putina-i-si-czinpina-vyzvala-pristalnoe-vnimanie-na-zapade.html?from=main_omk)

Putin führte bilaterale Gespräche

Putin absolviert im Rahmen des antiwestlichen Meetings bilaterale Treffen, dazu zählten Gespräche mit dem Präsidenten von Belarus Alexander Lukaschenko, dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan, dem Präsidenten von Tadschikistan Emomali Rahmon, dem  Präsidenten von Usbekistan Shavkat Mirziyoyev, dem Präsidenten von Kirgisien Sadyr Dschaparow, dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan, dem iranischen Präsidenten Massud Peseschkian,dem Präsidenten der Mongolei Uchnaagiin Chürelsüch, dem vietnamesischen Premierminister Pham Minh Chinh, dem indischen Premierminister Narendra Modi.

Konflikt mit Aserbaidschan

Eine schwierige Beziehung wird allerdings beschrieben mit Ilham Aliyev, dem Präsidenten von Aserbaidschan. Ein Flugzeug aus Aserbaidschan wurde von der russischen Luftabwehr über Grosny abgeschossen, so lautet der Vorwurf aus Baku. Aliyev erklärte kürzlich, die Schuldigen seien nicht bestraft worden. Russland hätte keine angemessene Entschuldigung ausgesprochen und keine Entschädigungen an die Fluggesellschaft und die Familien der Opfer gezahlt.

Vor einigen Tagen wurde auch die aserbaidschanische Botschaft in Kiew bei Luftangriffen durch die Russische Föderation beschädigt. Dieser Vorfall belastet ebenfalls die bereits schwierigen Beziehungen zwischen Moskau und Baku.

(Елена Егорова, „В графике Путина нет встречи с Алиевым в Китае“, Московский комсомолец, 29. 8. 2025, www.mk.ru/politics/2025/08/29/v-grafike-putina-net-vstrechi-s-alievym-v-kitae.html)

Damit hätte der Westen, in diesem von Russland und China heftig geführten Kampf um Alliierte noch die Chance, Aserbaidschan zu überzeugen. Die Europäische Union wäre gut beraten, Aliyev rasch ein attraktives Angebot zu unterbreiten.

Kirill Dmitrijew als Hoffnung der russischen Politik


Die Wochenzeitung Argumenty i Fakty, einst ein führendes Medium in der Epoche des Glasnost, setzt auch im Bericht über das Meeting in China auf Kirill Dmitrijew:

„hatte der Leiter des Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF), Kirill Dmitrijew, über die „Isolation“ der Russischen Föderation gescherzt“.

(Елизавета Андреева, „Эксперт Баранова: на фото лидеров ШОС Путину отвели почётное место в центре“, Аргументы и Факты,1. 9. 2025, www.aif.ru/politics/ekspert-baranova-na-foto-liderov-shos-putinu-otveli-pochyotnoe-mesto-v-centre)

Argumenty i Fakty bringt damit abermals Kirill Dmitrijew in Position, wie schon im Beitrag über das Treffen von Putin mit Trump. In russischen Medien wurde Putin bis jetzt das Image eines Kriegers gebaut, der von militärischen Männerphantasien geprägt ist, mit einer Leidenschaft für asiatische Kampftechniken, ausgezeichnet mit dem schwarzen Gurt des Karate. Hingegen gilt Kirill Dmitrijew als Hoffnungsträger für ein Russland, das künftig an wirtschaftlichen Argumenten sich orientiert.

Links:

Wie führt Putin den Krieg nach dem Treffen mit Trump
Tabula Rasa, 28. 8. 2025
Es folgten schwere Angriffe auf die Ukraine. Nordkoreanische Soldaten wurden für ihren Einsatz an der europäischen Front geehrt. Jetzt besucht Putin den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-wie-fuehrt-putin-den-krieg-nach-dem-treffen-mit-trump

Wie beurteilen russische Medien das Treffen von Putin mit Trump?Tabula Rasa, 20. 8. 2025
Stark unterschiedliche Positionen führender Medien zeigen einen Richtungskampf in Russland. Nach dem Abschied von Putin könnte das Amt gelöst werden von militärischen Männerphantasien und an wirtschaftlichen Argumenten orientiert werden. Um diese Möglichkeit wird von den Eliten in Russland offenbar noch gerungen.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-wie-beurteilen-russische-medien-das-treffen-von-putin-mit-trump

 

Die Ukraine ist ein Juwel der europäischen Kultur
Tabula Rasa, 30. 4. 2022
Die Europäische Union hätte bereits vor zwanzig Jahren reagieren müssen. Mit der raschen Integration der Ukraine. Eine starke EU muss deutliche Zeichen setzen.
www.tabularasamagazin.de/die-ukraine-ist-ein-juwel-der-europaeischen-kultur

Über Johannes Schütz 123 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel