Alison Castle: Stanley Kubrick’s Napoleon. The Greatest Movie Never Made

Frankreichfahne, Foto: Stefan Groß

Filmschaffende und -kritiker zählen den Regisseur Stanley Kubrick, der 1999 verstarb, zu den bedeutendsten Filmemachern aller Zeiten, der sich vor allem durch seinen Perfektionismus auszeichnete. Erfolgsproduktionen wie Eyes Wide Shut, Full Metal Jacket, Spartacus oder Clockwork Orange stammen von ihm.

Stanley Kubrick bereitete mehrere Jahre lang eine Filmbiografie über Napoleon Bonaparte vor. Mit Hilfe von Dutzenden Mitarbeitern und einem Napoleon-Experten aus Oxford häufte er unzähliges Vorproduktionsmaterial an, darunter etwa 15.000 Fotos von möglichen Drehorten und 17.000 Dias zur Napoleon-Zeit. Die Vorbereitungen waren so weit gediehen, dass Kubrick jederzeit mit der Produktion hätte beginnen können. Die Veröffentlichung von Waterloo und dessen schwaches finanzielles Ergebnis brachten das Filmstudio jedoch von dem Vorhaben ab. Der unverwechselbare Charakter Napoleons und seine Ziele standen dabei im Vordergrund: „Für Kubrick bot sich durch dieses Sujet vor allem die Gelegenheit, ein gewaltiges Filmepos zu drehen, das sich mit Themen von allgemeinem Interesse auseinandersetzte, ein bedeutender Abschnitt der europäischen Geschichte, eine faszinierende Persönlichkeit, eine einzigartige historische Figur, eine Geschichte mit Glanz und Glamour, Revolution und Romantik, Neid, Intrigen, Verrat, Schlachten an Land und zur See, eine Geschichte, in der es vor allem um eines ging: Macht.“ (S. 25)

Die Vorarbeiten zu Kubricks geplantem Film wurden 2009 durch den Taschen-Verlag in einer limitierten Edition von 1000 Exemplaren das erste Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dort wurden zehn Bücher in der ausgehöhlten Reproduktion eines Geschichtsbuchs über Napoleon gepackt.

Nun ist dasselbe Material in einem Band erhältlich: Alle Bücher der Originalausgabe sind hier in Faksimile abgedruckt. Das Buch beginnt mit Texten über den Film aus historischer und dramaturgischer Sicht. Besonders spannend ist dabei die Abschrift von Kubricks Gesprächen mit Geschichtsprofessor Felix Markham von der Universität Oxford. Danach folgen eine Bilddatenbank, Dokumente zum Film, die Fotos möglicher Drehorte, die Chronologie, seine Kostümzeichnungen, seine Korrespondenz, seine Notizen und sein endgültiger Drehbuchentwurf. Eine Keycard im Buch gewährt unbegrenzten Zugang zu einer Online-Datenbank mit fast 17.000 Bildern aus der Napoleon-Zeit zum Durchsuchen und Herunterladen.

In diesem Band wird eine Auswahl von Kubricks Schriftwechseln, Kostümstudien, Fotographien von der Drehortsuche, Recherchematerialien seines Teams sowie seine Drehbuchentwürfe mit Hintergrundtexten geboten. Die Fülle des Materials und die Online-Datenbank des Buches mit fast 17.000 Bilden ist eine Schatztruhe zum Verständnis der Arbeit eines der besten Regisseure alle Zeiten. Kubrick-Fans, historisch Interessierte und Cineasten werden an diesem gemäß an der Fülle des Materials sehr billigen Bandes ihre Freude haben.

Alison Castle: Stanley Kubrick’s Napoleon. The Greatest Movie Never Made, Taschen Verlag, Köln 2018, ISBN: 9783836523356, 49,99 EURO (D)

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Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.