Ernst von Schiller (1796-1841) – Mitgründer der Urburschenschaft, Sohn des Dichters und Namengebers der Universität Jena

Goethe gratulierte zur Geburt

Ernst Friedrich Wilhelm von Schiller

Es ist wenig bekannt, dass einer der beiden Söhne des Namensgebers der Friedrich-Schiller-Universität (so heißt sie erst seit 1934) 1815 ein Mitgründer der Jenaer Urburschenschaft war. In dem im Besitz der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller befindlichen Stamm-Buch der Jenaischen Burschenschaft 1815-1819 ist unter Nr. 55 „Ernst von Schiller, St Jurisprudenz“ aufgeführt. Gemeint ist damit Ernst, der jüngere Sohn des Dichters, dessen Eltern, Dr. med. Friedrich Schiller (1759-1805) und Charlotte von Lengefeld, am 22. Februar 1790 in Jena in der Kirche von Weingenjena (später „Schillerkirche“) geheiratet hatten. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Carl Friedrich Ludwig (1793-1857), Ernst Friedrich Wilhelm (1796-1841), Karoline Louise  Friederike (1799-1850) und Emilie Henriette Luise (1804-1872). Nachkommen Schillers gibt es nur aus der Ehe der jüngsten Tochter (verheiratet mit Heinrich Adalbert von Gleichen-Rußwurm).

Ernst Friedrich Wilhelm von Schiller wurde am 11. Juli 1796 in Jena geboren. Goethe hatte angeboten, sich während der Entbindung in Weimar um seinen drei Jahre älteren Bruder Carl zu kümmern. Aber Vater Schiller lehnte das Angebot ab und fügte seinem Bericht über die Geburt des Sohnes den vielleicht etwas gefühllosen Satz hinzu „Der Schritt von Ein  zu Zwei ist viel größer, als ich dachte“ (Boyle (1999) S. 451). Goethe gratulierte  einen Tag später mit einem Brief an den Vater: „Zu dem neuen Ankömmling wünsche ich von Herzen Glück; mögen Sie recht viel Freude an dem Knabenpaar erleben. Grüßen Sie Ihre liebe Frau auf das beste und schönste von mir“ (Friedrich-Schiller Archiv, Briefwechsel Schiller/Goethe, Internet). Und der Vater schrieb: „Jetzt also kann ich meine kleine Familie anfangen zu zählen. Es ist eine eigene Erfahrung, und der Schritt von Eins zu Zwei ist viel größer als ich dachte“ … der kleine Kaka (Carl) machte große Augen über das Brüderchen und kann sich noch nicht recht darein finden“ (Damm (2004) S. 453). Goethe war bei der Taufe nicht anwesend, weil ihn damals „diese Ceremonien“ zu sehr verstimmten. Schon früh versuchte Schillers Mutter, den kleinen Ernst für die Oper zu begeistern. Am 29. Mai 1800 schrieb sie: „Ernst war gestern im Juan [Mozarts Oper „Don Juan“], hat aber das lezte verschlafen, doch ist er sehr erfreut über das, was er gesehen hat“ (ebd. S. 456). Wenige Jahre vor seinem Tod, im November 1802 (wohl mit Fürsprache Goethes) vom Kaiser zum „Freiherrn von Schiller“ nobilitiert, war sein Vater damit „hoffähig“ geworden und die Familie übersiedelte nach Weimar in das Haus an der Esplanade. Bei einem Besuch  mit seinem Bruder Carl und den Eltern 1804 in Berlin spielte er mit dem Kronprinzen, dem späteren Kaiser Friedrich Wilhelm IV. Kurz vor dem frühen Tod des schwerkranken Vaters (9. Mai 1805), Neujahr 1804/05, erfreute er seinen schwerkranken Vater noch mit einem Gedicht in sauber ausgezählten Hexametern (bei dem die Mutter sicher geholfen hatte): „Oft noch sollen Dich Blüten und Frucht zu Gesängen begeistern, / Ich auch schenke Dir Lust, schenke mir Freude auch Du“. Weitere Gedichte und drei umfangreichere Balladen folgten: „Gustav Adolf“ (1808). „Die Nixe in der Saale“ (1808) und „Folignos Tod“ (1809). Manchmal tobte Ernst vor Wut, wenn seine Hexameter nicht so gerieten wie die des Vaters.

Landsmannschafter und Mitgründer der Urburschenschaft

Dem Unterricht durch verschiedene Hofmeister folgte 1810 ein kurzem Besuch des Weimarer Gymnasiums. Danach studierte der 16-jährige Dichtersohn zunächst ab 1812 (imm. 18. April) in Heidelberg Staatswissenschaft. Hauptsächlich widmete er sich aber dem Studium der alten Sprachen und der Geschichte. Sein Bruder Carl studierte seit dem 27. Oktober 1810 ebenfalls in Heidelberg Forstwissenschaft. Ernst von Schiller hielt Kontakte mit dort studierenden Sachsen und Holsteinern und nahm an deren Kommers am 17. September 1812 teil. Vielleicht war er auch zeitweilig Mitglied der Landsmannschaft Holsatia. In diese Zeit fällt auch der Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit seinem Kommilitonen Georg von Cotta, dem Sohn des berühmten Stuttgarter Verlegers. Im Wintersemester 1813/14 (imm. 11. November als „Ernst de Schiller, Vimar.“) wechselte er nach Jena, wo er sich ausschließlich dem Studium der Jurisprudenz und der Staatswissenschaft widmete sowie Mitglied (Chargierter) der Landsmannschaft (später Corps) Saxonia wurde. Vielleicht  gehörte der junge Schiller schon damals zu den Jenaer Studenten, die mit Kutschen nach Weimar fuhren, um – manchmal sogar in Anwesenheit des Landesherrn Carl-August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Goethes – an Schillers Schauspiel „Die Räuber“ teilzunehmen und nach gebotenem „Silentium“ des Präses im Parkett dem „Räuberlied“ („Ein freies Leben führen wir“) auf der Bühne lautstark das „Gaudeamus igitur“ folgen zu lassen. Nach dem Lied wieder der Präses: „Wir danken. Das Spiel kann weitergehen“. „Dieser Brauch entstand schon zu Goethes Zeiten, verblasste jedoch nach dem Ersten Weltkrieg allmählich und erlosch 1928/29 ganz“ (Krause (1997) S. 74).

Einem Aufruf des Herzogs 1813 zur Teilnahme der Jenaer Studenten an den Freiheitskriegen folgte er nicht. „Er war kriegstüchtig, jedoch erst siebzehn Jahre alt und wegen Unbeständigkeit seiner Gesundheit den Anstrengungen des Krieges nicht gewachsen“ (Schmidt (2012) S. 8). Seinem Bundesbruder Heinrich Netto (1795-1889 oder 1890, Stamm-Buch Nr. 110) zufolge soll er die Idee der Burschenschaft von Heidelberg mit nach Jena gebracht haben. Von den Mitgliedern der Saxonia wird er als begeisterter Anhänger der burschenschaftlichen Ideen genannt (vgl. Quellen und Darstellungen Bd.  1 (1966), S. 28). Dem Zeugnis von Ernst Weller (1789-1854, Stamm-Buch Nr. 7) folgend war Ernst von Schiller 1815 an den Beratungen über den Jahn-Friesenschen Entwurf einer Burschenordnung von 1811/12 und über den Verfassungsentwurf für eine Jenaische Burschenschaft beteiligt (vgl. Kaupp/Ulfkotte (2008), S. 32). Vielleicht sind seine Reformgedanken auf seine Heidelberger Studentenzeit zurückzuführen (vgl. Haupt in Quellen und Darstellungen 3 (1966) S. 353). Im Jenaer Seniorenkonvent votierten vor allem die Sachsen dagegen, die sich in dieser Frage von Schiller trennte (was für die Corps kein Hindernis ist, ihn bis heute in den Corpslisten zu führen). Von Anfang an kümmerten sich Goethe und dessen „Urfreund“ Karl Ludwig von Knebel (1744-1834) um den prominenten Studenten. „Ernst ist viel ruhiger und besonnener in Jena“, schrieb seine Mutter am 24. Februar 1814. „Er studiert Latein und den Justinian, hört Geschichte bei Luden und ist nie müßig. Er hat seinen Weltsinn, Verstand, Urteil und Scharfsinn. Der poetische Sinn entwickelt sich nicht so, als ich ehemals glaubte … er reitet und ficht und ist recht gewandt“ (Schmidt (2012) S. 9). Sein Bundesbruder Heinrich Göring (1789-1862), der ihn 1817 in Jena näher kennen lernte, hat ihn beschrieben: „Seine hohe Gestalt, die Haltung seines Körpers, seine Gesichtszüge, besonders die ziemlich stark vortretende Unterlippe riefen das Bild seines unvergeßlichen Vaters in mir zurück“ (Neuer Nekrolog 19/1 (1843) S. 528 f.). Schon vor Studienabschluss wurde er per Dekret vom 21. April 1815 mit den Titel eines Großherzoglichen Kammer-Assistenten ausgezeichnet, womit die Befreiung vom Militärdienst verbunden war. Am 14. Juni 1815 zum Hofjunker ernannt, erhielt er auch die Erlaubnis, die Hofuniform zu tragen. Von dem späteren schwäbische Dichter Gustav Schwab (1792-1850 Romantica-Tübingen 1813) ist ein Bericht über seine Reise nach Norddeutschland an seine Freunde von Tübinger „Romantica“ überliefert, bei der er im Mai 1815 Jena besuchte und über Ernst von Schiller schrieb: „Schiller, der Sohn des Dichters, ein recht flotter und lieber Kerl, beherbergte uns … in seinem Zimmer, das der  Vandalensenior [Karl Horn] mitbewohnt, ein herrlicher Mensch. In Jena wird von den Vandalen und Schillern eine große Revolution festiert, nämlich die Landsmannschaften aufzulösen und eine Burschenschaft … einzuführen nach Jahns und Arndts Ideen; ich wünsche herzlich, daß diese schöne Idee durchgehen möge ..“ (zit. nach Günther Jahn, Die Studentenzeit des Unitisten F. L. Jahn, in: Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert 15 (1995), S. 109).

Wenn Goethe bei seinen Dienstgeschäften in Jena auf der „Grünen Tanne“ Quartier nahm gehörte der Dichtersohn zu seinen prominentesten Besuchern. In dem erhaltenen Briefwechsel Charlotte von Schillers geb. Lengfeld mit ihren Söhnen Carl und Ernst ist zwar nirgends von Ernsts Mitgliedschaft in einer Landsmannschaft oder in der Jenaischen Burschenschaft, wohl aber  (soweit aus der auszugsweisen Veröffentlichung von Hilde Lermann erkenntlich) mehrfach vom Wartburgfest 1817 die Rede: „das Ende des Fests wird wohl ein lärmender Rausch sein; denn das ist gewöhnlich der Ausgang bei einer Schar junger Männer, die der Eifer für Vaterland und Freiheit beseelt; die Besseren werden von der lauten Menge unterdrückt werden und verstummen müssen“ (Charlotte an Sohn Carl, Weimar 10. 10. 1817, zit. nach Lermann (2002) S. 87). Und einige Tage später: „Wir haben die Jubelfeier der Reformation in Jena gefeiert … Dass sie am Abend des 18. Oktober Feuer auf dem Berge bei Eisenach hatten, hat mich sehr erfreut. Die Studenten haben sich viel ernster benommen als ich erwartete. Die Jugend soll leben!“ (Charlotte an Sohn Carl, Weimar 3. 11. 1817, zit. ebd. S. 88).

Im preußischen Staatsdienst

Am 29. März 1817 bestand Ernst von Schiller in Jena das juristische Examen „mit Auszeichnung“. Am 2. April 1817 wurde er mit der Auflage, noch eine Dissertation zu schreiben, zum Dr. iur. utr. promoviert. Ob und zu welchem Thema er eine Dissertation nachreichte, ist nicht bekannt. Da er auch eine am 12. Mai 1817 von der Weimarer Kommission anberaumte zusätzliche Prüfung nicht bestand, war ihm ihm eine Karriere im Weimarischen Staatsdienst verwehrt. Seine erste Stellung fand er durch die Vermittlung von „Onkel General“, Ludwig von Wolzogen (1773-1845), des Schwagers seiner Mutter, und auf Empfehlung Wilhelm von Humboldts (1776-1835) 1819 als Assessor beim Kreisgericht in Köln, das ein Jahr später zum Landgericht preußischer Prägung umgewandelt wurde. „Die hohe Verehrung für meinen gegenwärtigen allergnädigsten Landesherrn und das wohlwollende Andenken, was im preußischen Staate dem Namen meines Vaters gezollt wurde, trieben mich an, den preußischen Staatsdienst zu suchen“ (zit. nach  Sieh-Burens (2012) S. 52). Seit 1820 war er dort in gleicher Position am Landgericht tätig. 1823 heiratete Ernst in Bonn (kirchliche Trauung in St. Remigius) die wohlhabende vierzehn Jahre ältere Magdalena von Pfingsten verwitwete Mastiaux, die ihre Tochter Therese mit in die kinderlose Ehe brachte. Durch diese Heirat war Ernst von Schiller mit einer der führenden Familien im Bonner Raum verbunden (vgl. Cramer (2004) S. 278 ff.). 1824 wurde er als Assessor am Appellationsgericht nach Köln versetzt, wo er sofort mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut wurde. Seine Mutter, die ihn dort besucht hatte, schrieb ihrem ältesten Sohn Carl Friedrich Ludwig am 18. Juli 1823: „Er ist in seinem Geschäftsleben bestimmt, einfach, bescheiden, tätig, bedächtig und klug. Ich danke Gott, dass er an einer Stelle ist, wo er wirken kann, nicht bloß nachbeten, was die Oberen wollen, wie es in den Dienstverhältnissen kleiner Staaten ist“ (zit. nach Cramer (2004) S. 279). Besonders ereignisreich verlief für den Dichtersohn das Jahr 1826: Tod der Mutter Charlotte und deren Beisetzung in Bonn, Mithilfe bei der Identifizierung (oder besser Rekonstruktion) der Leiche seines Vaters in Weimar, schriftliche Vereinbarung mit Goethe über die Herausgabe des Goethe-Schiller-Briefwechsels und Rede bei der Beisetzung des „Schädels von Friedrich von Schiller“ in der Weimarer Hofbibliothek. Im gleichen Jahr schloss er mit dem Verleger Cotta in Stuttgart einen für die vier Geschwister sehr günstigen Vertrag über eine Neuausgabe der Werke Schillers.

„Durch „Allerhöchsten Erlass“ vom 9. Januar 1828 wurde Ernst von Schiller als Landgerichtsrat nach Trier versetzt. Begeistert schrieb er schon am 12. April 1828 an seine Frau: „Trier gehört zu den allerschönsten Gegenden, die ich jemals sah. Stadt und Gegend haben das Gepräge einer Gemütlichkeit, wie ich sie fast noch nirgends gefunden habe … Meinen Beruf liebe ich, und ich finde hier in Trier viel Nahrung, diesen Beruf noch lieber zu gewinnen, da unter meinen Collegen äußerst tätige, sehr unterrichtete, ja geistvolle Juristen sind. So preise ich mich glücklich, an diesem wunderbaren und trefflichen Ort nach so mancherlei  Wogen geraten zu sein“ (Schiller-Briefe 1967). Bald bezog die Familie Schiller eine Wohnung in der Dietrichstraße, unweit vom Wohnhaus der Familie Marx in der Nonnengasse. Mit großem Engagement trat er der örtlichen Landwehr bei. In Trier begegnete er auch den ersten Engländern auf deren Grande Tour. Selbstbewusst ließ er sich hier 1831 von dem Maler Wilhelm Brachtporträtieren, im Hintergrund eine idealisiere Mosellandschaft (s. Abb.). Als Zeichen seiner Verbundenheit mit dieser Stadt schenkte er am 3. August 1833 („am Geburtstage Sr. Maj. unseres allergnädigsten Königs“) der Trierer Stadtbibliothek „Schillers letzte Feder, die am 9. Mai 1805 sich auf dessen Schreibtische befand“ (Widmung). Seine geradezu kultische Verehrung des Vaters hat er in die vieldeutigen Worte gefasst: „In allen Wendungen meines Lebens schwebt mir das verehrte Bild meines Vaters vor, und ich bin sein Sohn“ (zit. nach Sieh-Burens (2012) S. 61). Amtlich befasste er sich in Trier vor allem mit Streitigkeiten über Wald- und Weiderechte. Wenige Jahre später erlangte der junge Publizist Karl Marx (1818-1883, 1838 Bonner Studentenverbindung „Trierer Tischgesellschaft“) mit Zeitungsartikeln über den Holzfrevel erste Berühmtheit. Wie dessen Vater, der preußische Anwalt und Justizrat Heinrich Marx (1777-1838), war auch Schiller Mitglied der kleinen, aus kaum 300 Mitgliedern bestehenden evangelischen Gemeinde (zumeist aus anderen Provinzen an die Mosel versetzte Beamte) sowie der traditionsreichen Trierer Casino-Gesellschaft. „Hier ist jeder geachtet“, schrieb Ernst von Schiller Ende der 1820er Jahre, „wenn  er sich gut beträgt“. Vater Marx wandte sich an den Appellationsgerichtsrat Ernst von Schiller, den er von dessen Tätigkeit am Landgericht Trier kannte, um ihm den Wunsch seines Sohnes zu übermitteln, ihn kennen zu lernen. Ob es zu einer solchen Begegnung kam, ist nicht bekannt. Der Dichtersohn gehörte 1829 auch zu den Mitgründern eines  „Vereins zur Besserung der Verbrecher und Verbesserung der Gefangenen-Anstalten“. In Trier war er zuletzt auch Mitglied der Regierungskommission für die erste juristische Staatsprüfung.

Für Ernst von Schillers Karriere erwiesen sich gute Kontakte nach Berlin günstig, insbesondere zu dem dort 1832 in das Amt als Innenminister berufenen berüchtigten Gegner der Burschenschaften, „Liberalen-Fresser“ und „Demagogenjäger“ Karl Albert von Kamptz (1769-1849). Während eines Aufenthaltes in Berlin nahm er an mehreren Audienzen bei Mitgliedern des Königshauses teil, vor allem des Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. Am 7. Januar 1835 wurde er auf Empfehlung von Kamptz‘ als Appellationsgerichtsrat an den Rheinischen Appellationsgerichtshof nach Köln berufen. Zuletzt bekleidete er das Amt eines Staatsprokurators in Bonn. Im Alter distanzierte sich von der nationalen Begeisterung seiner Jugend. In seinem umfangreichen Briefwechsel wird die Burschenschaft nirgends erwähnt. 1838 erwirkte er einen Bundestagsbeschluss, der die Familie für zwanzig Jahre vor Nachdrucken der Werke seines Vaters schützte. 1839 nahm er mit Frau und Stieftochter am Schillerfest in Stuttgart teil und hielt zur Enthüllung einer Statue seines Vaters im Namen der Familie die Festrede.

Außer einigen bereits erwähnten Gedichten ist er dichterisch nicht hervorgetreten. Ernst von Schiller starb am 19. Mai 1841 (nicht wie auf dem Grabstein irrig angegeben am 29. Mai) im Alter von nicht einmal 45 Jahren in Vilich bei Bonn wie sein berühmter Vater an Lungentuberkulose. Bestattet wurde er auf dem alten Bonner Friedhof neben seiner Mutter. Da das Grab für zwei Särge zu schmal war, wurde sein Sarg auf den der Mutter gesetzt, worauf dieser einbrach. Die Inschrift auf der Grabstätte lautet: „Muß ich ihn wandeln, den nächtlichen Weg? Mir graut, ich bekenn es! Wandeln will ich ihn gern, führt er zu Wahrheit und Licht. Herzensgüte, rechtlichen Sinn und Geistesklarheit erbte er von seinem großen Vater, sein letzter Wunsch war ein Grab neben seiner Mutter“. Im Bonner Ortsteil Vilich ist eine Straße nach Ernst von Schiller benannt. Seine umfangreiche Briefsammlung, „ein besonders anschauliches Dokument aus der Zeit des Vormärz“ (Sieh-Burens) ist erhalten geblieben. Sein Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv, Schiller-Nationalmuseum, Marbach a. N.

Nachtrag: 14 Jahre später verirrte sich der zuletzt geisteskranke Komponist Robert Schumann (1810-1856, 1828 Burschenschaft Markomannia-Leipzig, 1830 Corps Saxo-Borussia Heidelberg) auf einem seiner Freigänge aus dem Endenicher Irrenhaus auf den Bonner Friedhof. Er meinte, Schillers Grab entdeckt zu haben, und meditierte fortan jeden Tag an Ernsts und Charlottes Grab. In seinem Testament bestimmte er, dort nahe neben Schillers Grab beerdigt zu werden.

 

Verwendete und weiterführende Literatur: Neuer Nekrolog der Deutschen 19/1 (1843), S. 528-536 (Heinrich Döring); Gothaisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser 6 (1856), S. 594; Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 244 f.; Karl Schmidt, Schillers Sohn Ernst. Eine Briefsammlung mit Einleitung (1893, 2. Aufl. 1905, Nachdruck 2012, auch digital); Burschenschaftliche Blätter Jg. 21, H. 3 (1. 5. 1907), S. 49 ff.; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung 1 (1910, 2. Aufl. 1966 ), S. 28 und 31 f., 3 (1912, 2. Aufl. 1966), S. 353, 4 (1913, 2. Aufl. 1966), S. 42, 6 (1919, 2. Aufl. 1965), S. 154, 17 (1940), S.  15 f.; Ernst von Schiller, Briefe aus einer schönen alten Stadt, Trierer Texte Nr. 4 (1967), 3 Bl., ohne Seitenangaben); Peter Krause, „O alte Burschen Burschenherrlichkeit“. Die Studenten und ihr Brauchtum (5. Aufl. 1997), S. 74; Nicholas Boyle. Goethe. Der Dichter in seiner Zeit, Bd. I 1749-1790 (1995) und Bd. II 1791-1803 (1999), jeweils a. m. O.; Hilde Lermann (Hrsg.), Schillers Sohn Ernst. Ein Psychogramm in Briefen (2002); Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung (2004), S. 453 und 456; Rudolf Cramer, Der Dichtersohn Ernst von Schiller und seine Mutter Charlotte im Bonner Raum, in: Bonner Geschichtsblätter 53/54 (2004), S. 277-288; Neue Deutsche Biographie 22 (2005). S. 759 (Norbert Oellers); Peter Kaupp (Bearb.), Stamm-Buch der Jenaischen Burschenschaft. Die Mitglieder der Urburschenschaft 1815-1819 (2005), S. 39 (mit Bild); Hans Peter Hümmer/Wilhelm Bauer/Hans  Söhnlein: Erfand Friedrich von Schiller den corpsstudentischen Idealismus? Zum 200. Todestag des großen deutschen Dichters, in: Einst und Jetzt 50 (2005), S. 13-30; Peter Kaupp/Josef Ulfkotte, Die Jahn-Friesensche Burschenordnung von 1811/12, in: Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert 16 (2008), S. 32; Josef Niesen, Bonner Personallexikon (3. Aufl. 2011), S. 421; Katarina Sieh-Burens, Dichtersohn und Biedermann: Ernst von Schillers Karriere in der preußischen Rheinprovinz, in: dies., Spurensuche. Historische Persönlichkeiten im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg (2012), S. 51-67. Internet: E. F. W. v. Sch. (Wikipedia), Trierer biographisches Lexikon, Kösener Korps-Listen von 1789-1910 (1910), 127, Nr. 121.

Über Peter Kaupp 2 Artikel
Dr. phil. Peter Kaupp, 1936 in Barcelona geboren, war nach dem Studium der Sozialwissenschaften in Mainz zunächst ab 1964 in der Wiesbadener Redaktion der Brockhaus Enzyklopädie, ab 1966 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie in Mainz, ab 1967 im Statistischen Bundesamt Wiesbaden (Öffentlichkeitsarbeit) und zuletzt 1981-2001 Prof. an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Abt. Post- und Fernmeldewesen) in Dieburg. Er ist Mitglied der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung, der deutschen Gesellschaft für Hochschulkunde und der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte sowie Co-Autor und Mitherausgeber des „Biographischen Lexikons der Deutschen Burschenschaft“ (9 Bde., 1996-2018). Umfangreiche publizistische Tätigkeit, zuletzt „Auf den Spuren von Mohren, Mauren und Kammertürken. Ein kulturwissenschaftlicher Beitrag zur aktuellen Rassismusdebatte, in: Abhandlungen der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kultur und Bildung e. V., Bd. 45 2022), S. 153-180. Nähere biographische Einzelheiten und Bibliographie s. Wikipedia.