GEDANKEN IN DER PANDEMIE 139: NANNY STAAT UND ONKEL MEDIEN

Die Medien als Pandemie-Treiber

Bild von Paweł Ludziński auf Pixabay

Die Medien als Pandemie-Treiber. Das Versagen der Politik. Und die Verantwortungslosigkeit der Bürger – Gedanken in der Pandemie, Folge 139.

„Doesn’t have a point of view/Knows not where he’s going to/Isn’t he a bit like you and me?“ – The Beatles, „Nowhere Man“

„If you are the dealer, I’m out of the game
If you are the healer, it means im broken and lame
If thine is the glory, then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame“ – Leonard Cohen, „You Want It Darker“

„Vertrauen ist der Anfang von allem.“ – Deutsche-Bank-Werbespot, 1990er-Jahre 

„Ich bin hingerissen!“ schrieb mir ein begeisterter Oliver Zenglein gleich ganz unmittelbar am gestrigen Sonntag seinen Eindruck von Peter Jacksons Doku-Miniserie über die Beatles: „Und ich war immer eher der John-Lennon- Typ. Aber jetzt bin ich ein Fan von Paul. „Peter Jackson kommentiert nichts. Er lässt es laufen. Wir sehen vier junge Männer (die sind ja erst zwischen 25 und 28, sehen aber älter aus) die eigentlich schon alles erreicht haben, aber die mit Epstein ihren Vater verloren haben. Sie sind so unglaubliche Musiker und trotz allem auch Kindsköpfe. Es ist magisch zu sehen, wie ,Get Back‘, ,Don‘t Let Me Down‘ und ,Let It Be‘ entstehen. Und Yoko? Und Paul? Hier muss Musikgeschichte umgeschrieben werden. Die beiden waren nicht der Grund der Trennung.“

Auch sonst erfährt man offenbar Neues: „Wusstest du, dass sie Billy Preston ins Studio geholt hatten und er eigentlich auf allen Songs der LP ,Let It Be‘ dabei ist? Er war quasi ein schwarzer fünfter Beatle.“ 

Ich mochte als Kind übrigens Ringo Starr am meisten. Später dann Paul McCartney. So oder so aber werde ich dann wohl alle Abneigung gegen Apple Plus und einen fünften Streaming-Dienst – nach (Ohjemine!) Mubi, Sky, Amazon Prime und Netflix – überwinden, und am nächsten Wochenende auch die Beatles gucken. Wer weiß: Vielleicht bin ich danach ja Lennon-Fan. 

„Part of me suspects, I’m a loser and part of me thinks I’m God Almighty.“ (John Lennon) 

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Das Unkonventionelle, Provokative war schon immer das Hauptinteresse von Paul Verhoeven. Mit fast jedem seiner Filme gelingt es ihm, Debatten und Skandale auszulösen und eine gewisse Lust an dem, was man heute „Trollen“ nennt, ist unübersehbar. Auch mit über 80 und fast 30 Jahre nach seinem Welterfolg „Basic Instinct“ hat Verhoeven auch in seinem neuesten Film „Benedetta“ immer noch viel Spaß daran, der Gesellschaft ihre Doppelmoral und den Tugendtaliban unserer eigenen Breitengerade ihre Untugend vorzuhalten. 

In „Benedetta“ geht es ihm vor allem um die Abgründe der Religions-Geschichte und -Tradition in den (ex-)christlichen Ländern Europas. Gleichgeschlechtliche Liebe war auch in diesem zivilisierten „Abendland“ lange Zeit eine „Todsünde“. Erst recht zwischen Frauen. Und erst recht innerhalb der katholischen Kirche.

Und doch gab es sie: Liebe und sexuelle Beziehungen zwischen Nonnen. Eine von ihnen war Benedetta Carlini (1590-1661) und sie war selbst unter ihresgleichen ein ganz besonderer Fall: Denn Carlini lebte zur Zeit der Spätrenaissance im späten 16 Jahrhundert nicht nur die verbotene Liebe hinter Klostermauern, sie war zugleich eine öffentliche Figur, denn die Mystikerin hatte göttliche Visionen die sogar vom Vatikan bestätigt worden und Carlini und das von ihr geführte Kloster in Pechia für einige Jahre zur Touristen-Attraktion machten. 

Dann führte ihr Liebesleben zu einem handfesten Skandal[…] Der niederländische Filmregisseur Paul Verhoeven erzählt jetzt Carlinis Geschichte auf seine Weise. 

Offensichtlich gelingt es dem alten geschulten Provokateur Verhoeven dabei immer noch, Autoritäten und Autoritäre zu provozieren. Er ist eben kein Frauenverächter, sondern ein Gegner der Diktatoren. Die erkennen ihren Feind mit jenem sicherem Instinkt der uns Demokraten manchmal fährt: In Russland wurde Verhoevens Film schon verboten.

„Benedetta“ erinnert in vielem stark an unsere Gegenwart: Eine ansteckende tödliche Seuche tobt in Norditalien. Manche glauben an alles, andere an gar nichts mehr. Und fast alles ist eine Frage des richtigen Narrativs, der kommunikativen Deutung der Wirklichkeit.

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Ein Augenmensch: „Sehen wollte ich“. Jetzt hat Georg Stefan Troller es (fast) geschafft. Nicht nur die Ex-Nazis, die immer so uralt werden, sondern auch der Wiener, Vertriebene, Emigrant, Jude, Rückkehrer, Weltbürger, Vermittler französischer Weltläufigkeit. Diese Woche wird er 100 Jahre alt. Allerherzlichsten Glückwunsch!!!

Zum 100. Geburtstag zeigt 3sat am Montag, 13. Dezember, 22.25 Uhr, in deutscher Erstausstrahlung „Auslegung der Wirklichkeit – Georg Stefan Troller“ und Werke des legendären filmischen Beobachters. 

In sehr persönlicher Atmosphäre wird der Jahrhundert-Journalist von Schauspielerin und Filmemacherin Ruth Rieser befragt. Von seiner Pariser Wohnung aus begeben sich beide auf eine spannende und erhellende Reise durch sein Leben. Der Verlust der österreichischen Heimat, seine Flucht und die Zeit als US-Soldat in Deutschland haben das Schaffen Georg Stefan Trollers stets grundiert. In seinen „Personenbeschreibungen“ und „Pariser Journalen“ perfektionierte er über die Jahre seinen persönlichen Stil, wurde zum Meister der Subjektive – versuchte er doch stets, über eine innere Verbindung zu den Befragten an den „Kern der Sache“ heranzukommen. Ruth Rieser taucht in Leben und Werk des Dokumentaristen ein und verknüpft Ausschnitte aus seinen Filmen mit seiner Selbstanalyse. Eine Hommage und ein Zeitdokument.

Troller hat in seinem Reporterleben hunderte Prominente interviewt – von Muhammad Ali bis Peter Handke. 

Im Anschluss zeigt 3sat ab 0.25 Uhr zehn Filme von Georg Stefan Troller aus den Jahren 1974 bis 1998, die 

sich danach nicht in der Mediathek finden werden: „Muhammad Ali – Der lange Weg zurück“; „Hollywood Profile: Isabella Rossellini“; „Dory Previn – Ein Leben in Hollywood“; „Peter Handke in Paris“; „Stan Rivkin – Der letzte Kopfgeldjäger“; „Ron Kovic – Warum verschwindest du nicht?“; „Begegnung im Knast“; „Zouc – die Geschichte eines dicken Mädchens“; „Art Spiegelman: Von Katzen und Mäusen“; „Personenbeschreibung: Leonard Cohen“.

Troller hat übrigens einen wunderbaren klugen Satz gesagt: Er wollte in seinen Interviews immer das Leben lernen, „so wie man lieben lässt, wenn man ins Kino geht, man das Schicksal erfährt, wenn man das Leben von Menschen dokumentarisch abbildet.“

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Das ist es dann auch mit den guten Nachrichten und dem Unterhaltungsprogramm für heute. Wir werden bald wieder noch viel mehr Zeit haben, uns mit all diesen Dingen zu beschäftigen. Sobald der von den Medien herbeigeredete Lockdown von den Politikern vollzogen werden wird. 

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Bereiten wir uns auf den Lockdown vor. Das heißt: Jetzt noch mal schnell auf den Weihnachtsmarkt und ins Fußballstadion, denn dann wird das bis zum April wieder verboten. 

Okay, das war jetzt nur halb erst gemeint. Bis zum Februar. 

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Es ist nicht so, dass es nicht ohne Lockdown ginge – dazu weiter unten – aber in Deutschland hat man ein Entscheidungsproblem. 

Seit der ersten Folge dieses Blogs ging es immer auch darum, auf Phänomene auf Texte und Filme und Bilder aufmerksam zu machen, die uns ein bisschen ablenken können von zum Beispiel Lockdown und Pandemie und uns über unangenehme Momente hinwegtrösten können. So soll es auch weiterhin sein. Das fällt aber nicht leicht, wenn die Nachrichtenlage so ist wie in diesen Tagen, und erst recht, wenn man nur einmal pro Woche einen Text  schreiben kann.

Jetzt müssen wir uns darum leider noch dem zuwenden, was ja diesem Blog seinen Namen und seine Existenzberechtigung gibt: Der Pandemie. 

Auch hier erstmal der Versuch, auf Positives aufmerksam zu machen. Allerdings muss, um das auch zu sehen, Deutschland erstmal seine Vorurteile ablegen, sein bescheuertes Schwarz-Weiß-Denken und seine Arroganz nach der Deutschland eh Weltmeister in allem ist, zum Beispiel Fußball und Corona-Bekämpfung, ein für alle Mal an den Nagel hängen: In Schweden, so berichten übereinstimmend seriöse Medien wie der Deutschlandfunk und wie der Nachrichtensender n-tv, sind die Zahlen gut. Sehr viel besser als in Deutschland. Das Land hat mit „100“ die niedrigste Inzidenz aller EU-Länder, obwohl nicht wesentlich mehr Menschen geimpft sind, als in Deutschland. Inzwischen liegt Schweden auch besser,als die anderen skandinavischen Länder. 

Es sind wesentlich weniger in den Kliniken, obwohl es seit Pandemiebeginn keine Maskenpflicht und kaum Lockdown-Maßnahmen gibt. Natürlich kann man jetzt gleich wieder einwenden, dass sich das schnell ändern kann, und das sieht man ja am deutschen Beispiel. Natürlich kann man sagen, dass die Bevölkerung dort im Schnitt etwas jünger ist, als hier, (was aber auch ein Nachteil für Deutschland ist denn eigentlich müsste genau deshalb unsere Impfquote weit höher liegen). 

Trotzdem könnte man auch jetzt die Fakten so nehmen wie sie sind: In Schweden laufen die Dinge besser.

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Der Grund für den schwedischen Erfolgsweg ist ganz offenbar, dass man das Gegenteil gemacht hat, wie in Deutschland. Man hat von Anfang an der Bevölkerung vertraut, und je länger die Pandemie dauert, um so mehr zahlt sich dieses Vertrauenskapital aus. 

Weil man bei uns in Deutschland der Bevölkerung relativ wenig vertraut hat, sie stattdessen mit Vorschriften und Regulierungen und ungerechter Gleichbehandlung – etwa Geimpfter und Nichtgeimpfter, oder schwer betroffener wie leichtbetroffener Regionen – gegängelt hat, benehmen sich die Deutschen nun auch wie trotzige Kinder. 

Sie zahlen das fehlende Vertrauen mit fehlendem Vertrauen zurück. 

Die latente Angst vor dem Bürger mit latenter Angst vor dem Staat. 

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Dagegen Deutschland? Ich wäre heilfroh, wenn Bill Gates uns alle impfen wollte. Dann hätten wir wahrscheinlich eine bessere Impfquote. Unser Problem ist aber nicht so ein großer Plan. Es gibt überhaupt keinen „Plan“, liebe Querkenker, das ist unser Problem. 

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Auch in Brasilien laufen die Dinge besser. Auch das hat – wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen – mit dem entscheidenden Faktor Vertrauen zu tun. „Das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitssystem wuchs.“ 

berichtet der Spiegel. Bei früheren Impfkampagnen lernte man, dass Wissenschaft besser funktioniert, als der Besuch beim Schamanen. „Insgesamt sind bereits 80 Prozent der erwachsenen Brasilianerinnen und Brasilianer vollständig immunisiert, auch Kinder ab zwölf Jahren bekommen längst die Spritze. In Folge sind die Corona-Infektionszahlen und Todesfälle stark nach unten gegangen.“

„Impfquoten bis zu 95 Prozent, es wird geboostert und der Karneval geplant: Brasilien blickt verwundert auf das deutsche Chaos“. 

In Sao Paolo gibt es sogar Impfquoten von 105 – das liegt aber nicht an Medienmanipulation wie deutsche Besserwisser schnell vermuteten, sondern daran, dass man auch Menschen impfte, die nicht in der Megalopolis gemeldet sind. 

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Noch ein Beispiel aus dem Ausland: Italien. Hier hat es das gegeben was die Deutschen fürchten wie der Teufel das Weihwasser: eine Impfpflicht für Pflege-Angestellte. Und nicht nur das

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Man muss Markus Söder nicht mögen – und ich mag ihn überhaupt nicht, wie selbst unaufmerksame Leser dieses Blogs wissen – man muss Söder nicht mögen, um festzustellen, dass er in einer Sache mal recht hat: Impfpflicht muss sein, und sobald es sie gibt, wird auch der unselige Streit ein Ende haben. 

Ganz schlimm ist es, wie wohlmeinende Idioten immer vor einer „Spaltung der Gesellschaft“ warnen. Als ob es diese Spaltung nicht längst geben würde! Und egal, ob man nun hinzufügt, das natürlich vor allem die Impfgegner daran schuld sind, dass die Gesellschaft gespalten ist, nicht etwa die Impfbefürworter, macht es überhaupt keinen Sinn, so an diese Fragen heranzugehen.

Um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, muss ganz einfach entschieden werden. Diskussion ist wichtig und der latente Antiparlamentarismus und Antidemokratismus der ganzen autoritären Wirtshaus-Politiker ist natürlich zu verurteilen. Aber auch im Parlament herrscht keine Dauerdiskussion – dies ist die Phantasie der Demokratiefeinde – sondern es herrscht eine Diskussion zur Meinungsfindung, und danach muss entschieden werden.

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Wir leben in einem großartigen Land. Man muss sich das einfach mal überlegen: Dass ein Bundeswehr-Flugzeug wegen sechs Patienten von Memmingen nach Münster einen eigenen Flug einrichtet. Wegen sechs Patienten. 

Ob da das Geld jetzt besonders effizient – pardon: nachhaltig – ausgeben wird, ist eine andere Frage. Bekanntermaßen wurde seit Frühjahr jedes dritte Intensivbett in den deutschen Krankenhäusern stillgelegt, weil es nicht genug Pflegekräfte gibt, um sie zu betreuen. 

Wären die locker 100.000 Euro Kosten pro Flug nicht besser investiert, um ein paar dieser Pflegekräfte mit besserer Bezahlung oder halt notfalls Rückkehrprämien, oder beidem dazu zu bewegen wieder ihre alte Arbeit aufzunehmen?

Nur mal ’ne Frage. 

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Sozialkontakte sind das Wichtigste für die Gesundheit, meldet der Deutschlandfunk, nicht Sport, Ernährung, Rauchverzicht oder Impfung. Das heißt natürlich nicht, dass uns Mitmarschieren in der Querdenker-Demo vor Corona schützt. 

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Die neue Regierung ist noch nicht da, aber sie wird schon geframed. 

Manche journalistische Kommentatoren erwecken zur Zeit den Eindruck, als sei die FDP oder Olaf Scholz oder die Ampel Schuld an den steigenden Inzidenzzahlen oder am Auftreten der Omikron Variante. Dies ist mehr als Oberflächlichkeit oder das Übersehen von Tatsachen. Dies ist eine fahrlässige oder bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Denn zur Zeit, also bis zum 25 November war die Bundesregierung, die große Koalition komplett allein verantwortlich, also Minister Spahn. Er hätte, auch wenn er 14 Tage lang das Gegenteil behauptet hat, natürlich die „epidemische Lage“ verhängen können.

Bis zum 25 November konnte alles entschieden werden, was angeblich jetzt nicht mehr entschieden werden kann, weil die Gesetze zu epidemischen Lage aufgehoben wurden.

Woanders wird gehandelt, in Deutschland wird diskutiert. Man muss vorsichtig sein mit solchen pauschalen Vorwürfen gegen das Diskutieren und das Reden. 

Die Bundesländer verschieben die Verantwortung auf den Bund. Kontaktbeschränkungen könnten längst angeordnet werden, wenn man sie denn für nötig hält. 

Worüber aber niemand redet: Die Verantwortung der Bürger. Wenn angeblich alle Angst haben, alle „etwas tun“ möchten, warum wird es denn nicht getan? 

Warum hängen die Bürger an Nanny Staat und Onkel Medien, um zu hören was sie tun sollen? 

Wahlrecht ab 16! Das ist wirklich die unsinnigste Idee der ganzen Koalitionsvereinbarung.  

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Aber wir erleben gerade noch schlimmere und noch unmoralischere Verhaltensweisen als vor einem Jahr: Wir überbieten uns im Populismus gegen volle Fußballstadien, gegen Karneval, gegen alles, was Vergnügen bereitet.

Das Fußballspiel in Köln, das jetzt in jeder Talkshow zitiert wird, hat nichts damit zu tun, dass das Infektionsschutzgesetz geändert wurde. Die Stadt Köln, die btw von der CDU regiert wird, kann eine solche Veranstaltung untersagen und das Land NRW, das btw auch von der CDU regiert wird kann das Spiel untersagen.

Muss man aber nicht, denn im G2-gesicherten Fußballstadion stecken sich kaum Leute an. 

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Diese schlaumeierischen Journalisten, die immer im Schuldirektorton sagen: „Jetzt muss gehandelt werden!“ Bloß, dass sie nie die sind, die tatsächlich handeln müssen. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich die Aufgabe von Journalisten ist, die Politiker zu mahnen, sie aufzufordern, sie in bestimmte Richtungen zu treiben. Journalisten sollten berichten, was Politiker tun und warum sie es tun, bzw. warum nicht. Um das vermitteln zu können, gehört auch, sie verstehen zu wollen, und dazu gehört Wohlwollen. Die Empathie, die besagte Journalisten immer mit großen Rehaugen einfordern, wenn sie gerade nicht über Annalena Baerbock oder Christian Lindner sprechen. 

Es sind Journalisten, die den Lockdown fordern, nicht etwa die Experten.

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Die Medien sind derzeit der Pandemietreiber Nummer 1. In fast jeder Talkshow sitzt neuerdings ein Journalist, um die Moderation des Moderators nicht etwa zu kontern und eine abweichende Meinung zu äußern, sondern um diese zu bestätigen, zu flankieren und um die in der Mitte sitzenden Politiker in die Zange zu nehmen. 

Gestern bei „Anne Will“, fast immer bei Lanz, Donnerstag auch bei Maybrit Illner. 

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Die Medien sind ein Teil des Problems, nicht der Lösung. Sie reizen den Streit an, sie debattieren immer über die Vergangenheit, in der angeblich alles falsch gelaufen ist. Sie haben im Frühjahr die Politiker in die Ecke gedrängt und zu Äußerungen gezwungen wie der, eine Impfpflicht werde es nicht geben, nur um genau diese Aussage jetzt genau den gleichen Politikern vorzuhalten. 

Auch Markus Lanz verschwendet seine kostbare Sendezeit mit einer reinen Scheindiskussion: Als ob es wichtig wäre, dass die SPD zehn Tage vor der Kanzlerwahl bekanntgibt, wer der Gesundheitsminister wird. 

Zu welchem Ergebnis solche frühen Bekanntgaben führen, sieht man bei Grünen und FDP: Mit deren Vertretern redet man nicht mehr über Inhalte, sondern über Flügelkämpfe und anderen Quatsch.

Natürlich stimmen die bekanntgegebenen Personalien auch alles andere als optimistisch: Für welche grüne Zukunft sollen denn Claudia Roth und Cem Özdemir stehen? Da müssen einfach zwei die ehemalige Parteivorsitzende versorgt werden, die sich für die Partei ohne Frage zwanzig Jahre aufgerieben haben.

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Wahrnehmen, was mit uns passiert. Das ist ein hehres Anliegen. Das wäre die Aufgabe der Medien. Es ist das, was ich auch versuche mit diesen „Gedanken in der Pandemie“. Mal gelingt es besser mal schlechter. 

Ich halte die Impfskepsis und die ganzen Theorien, die darüber entwickelt werden, warum das Impfen angeblich für uns gefährlich ist, für ausgemachten Unsinn. Die meisten Impfgegner sind für mich Trottel. Und ich finde es extrem hysterisch, wie nicht nur von Rechtsaußen manche Leute sagen, dass dass Impfen „eine gentechnische Manipulation“ sei. Ich bin noch nicht mal sicher, dass das faktisch auch nur im Ansatz richtig ist. Aber wenn es denn faktisch richtig sein sollte, dann ist doch diese hysterische Diktion vollkommen fehl am Platz. 

Auf der anderen Seite bin ich für die Freiheit des Einzelnen. Und in der Tat glaube ich, dass es sehr guter Argumente bedarf, um diese Freiheit des Einzelnen einzuschränken. 

Dies vorweg gesagt nun aber etwas anderes. Etwas, das man auch dazu sagen muss: Es kann uns nicht glücklich machen, und es tut uns als Gesellschaft nicht gut, wie zurzeit öffentlich über Impfgegner und Impfskeptiker geredet wird und die die Gesellschaft mit ihnen umgeht.

Es ist auch nach gerade vollidiotisch, wie hier alles in einen Topf geworfen wird: Die trotteligen Esoteriker mit den schon ganz schön verschwurbelten Verschwörungstheoretikern und die wieder mit den in vielen Fällen böswilligen, mindestens aber unmoralischen und ressentimentgeladenen Rechtsradikalen. 

Auch hier bestimmt wieder Angst das Handeln. Wer Angst hat, sucht einen Sündenbock. Tatsächlich muss man das alles nicht vergleichen und sollte es wohl auch nicht vergleichen, aber so, wie sich die deutsche Gesellschaft zu manchen Zeiten Katholiken als Sündenbock gesucht hat, Juden, Kommunisten, Terroristen, Liberalen, „Umweltsünder“ die Gegner der Wiedervereinigung und überhaupt immer wieder irgendwelche „vaterlandslose Gesellen“, so sind besteht die Gefahr, dass wir uns mit den Impfgegnern und Impfskeptikern wieder neue Sündenböcke erschaffen. 

Ich bin für harte klare Maßnahmen. Für eine Corona-Impfpflicht für alle. Aber ich bin gegen Moralisierung und moralische Aufladung dieses rein rechtsstaatlichen Themas. 

Wir sollten üben, Maß zu halten. 

Erschienen auf out-takes, der Blog der Film und Fernsehbranche