CORONA Filmbrancheninfos #10

Bild: geralt auf Pixabay

Die überall angekündigten Hilfsprogramme sind da (oder zumindest fast), Unsicherheit herrscht weiterhin in Sachen Kurzarbeit. Und wir schildern ein Beispiel, wie man die Krise zum Guten nutzen kann.

Der Bundespräsident hat heute das Gesetzespaket mit den Milliardenhilfen in der Corona-Krise unterzeichnet. Die Gesetze müssen jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, dann soll die Hilfe rollen. 
Doch wie funktionieren diese und ähnlich Hilfsmaßnahmen in der Praxis? Wir bitten alle, die bereits Erfahrungen mit den Soforthilfen aller Art gemacht haben, um eine Einschätzung beziehungsweise einen Erfahrungsbericht.

Seit dieser Woche gibt es einen Kurzarbeit-Tarifvertrag für die Branche. Und der schafft weitere Unsicherheit. Die Berufsverbände prüfen noch, Juristen auf beiden Seiten sehen Probleme und zu viele offene Fragen. Und wie viele Fragen tatsächlich noch offen sind, erfahren wir seitdem in ratlosen E-Mails von Betroffenen. 
Die Antworten wissen wir auch nicht. Zum Ende der Woche scheinen uns aber folgende Hinweise für Betroffene, also alle Filmschaffende, die einen laufenden Vertrag haben, hilfreich zu sein:

# Überstürzt nichts. 
# Erstmal keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung unterschreiben, die sich auf diesen Tarifvertrag beziehen, denn die Gageneinbußen und die „Anordnung“ scheinen zu groß zu sein. Für Verdi-Mitglieder kann die Kurzarbeit natürlich angeordnet werden. 
# Die Entwicklung der nächsten Tage und die Einschätzungen und Empfehlungen der Berufsverbände abwarten. 
# Solange keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung vom Filmschaffenden unterschrieben wurde, läuft der Gagenanspruch in vereinbarter Höhe weiter. Erst durch eine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung verliert man diesen. 
# Lieber keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarungen unterschreiben, die irgendeine Änderung oder Verkürzung der Vertragslaufzeit zur Folge haben könnten. Die Verträge laufen ja nicht etwa zu dem in den Verträgen meistens „voraussichtlich“ genannten Termin aus, sondern erst mit der tatsächlichen Fertigstellung des Films. Es handelt sich bei den Verträgen in der Regel nicht um zeitlich befristete Verträge, sondern um „zweckbefristete“. Erst mit der Fertigstellung der Produktion wird deren Zweck erreicht und das Arbeitsverhältnis beendet. Daher heißt der Tarifvertrag ja auch „für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende“. 
# Vor dem Unterschreiben die Vereinbarung möglichst von einem Rechtsanwalt oder einer Einrichtung, die rechtsberatend tätig sein darf, prüfen lassen.

Freie könnten ja Urlaub nehmen oder sich arbeitslos melden. Das rät man beim NDR den Arbeitnehmerähnlichen in Zeiten der Corona-Krise. Der Sender lasse die Freien im Regen stehen, klagt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi).

Hotlines für selbständige Kreative gibt es in vielen Bundesländern. Eine Übersicht mit Kontaktdaten hat PCI, das Netzwerk der öffentlichen Einrichtungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland, erstellt.

Einen rechtlichen Überblick in der Corona-Krise gibt die MFG im kostenlosen Webinar. Der Rechtsanwalt Nico Arfmann informiert Unternehmen und Freiberufler eine Stunde lang über Folgen und Möglichkeiten und hat auch Zeit für individuelle Fragen. Bis zu 15 können teilnehmen, deshalb sind die Webinars schnell ausgebucht. Das nächste findet am Dienstag, 31. März, um 10 Uhr statt. 

Ihr angekündigtes Hilfsprogramm für die Film- und Medienbranche haben die Bundes- und Länderförderer heute vorgestellt. 15 Millionen Euro haben die acht größten Regionalförderer, Filmförderungsanstalt und Kulturstaatsministerin zusammengelegt (im Durchschnitt also jede 1,5 Millionen Euro), um die Filmbranche bei den „existenziellen Herausforderungen“ „bestmöglich zu unterstützen“. Die Maßnahmen sollen „schnell und unbürokratisch“ umgesetzt werden.
Das Hilfsprogramm bezieht sich allerdings nur auf Projekte, die von verschiedenen Fördereinrichtungen gemeinsam gefördert wurden, erklärt die Pressemitteilung. Es soll zudem „dort greifen, wo alle anderen im Kontext der Corona-Krise ergriffenen Hilfsmaßnahmen und Förderprogramme des Bundes und der Länder nicht in Anspruch genommen werden können.“ Weitere Einschränkungen finden sich in den näheren Bestimmungen zu den drei unterstützten Bereichen Produktion, Verleih und Kino.

Die MFG Baden-Württemberg stockt nachträglich ihre Kinoförderung auf: Jedes Kino, das im vorigen Jahr einen „Kinopreis“ der MFG erhielt, bekommt nochmal 5.000 Euro aufs Preisgeld drauf. Zudem verzichtet die MFG 2020 ersatzlos auf alle Rückzahlungen aus Kinoinnovationsdarlehen von heimischen Kinos. 

Auch die Stuntleute forderten gestern sichere Verhältnisse am Set. Die German Stunt Association (GSA) appellierte an die Behörden der Länder, Städte und Landkreise, „im Sinne des Stopps der Verbreitung der Corona Viren sofort alle Genehmigungen für Dreharbeiten auszusetzen.“ Gemeint sind fiktionale Produktionen. 
Das Weiterlaufen von Dreharbeiten widerspreche allen beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung, so die GSA. „Viele Stunts, zum Beispiel Kämpfe, sind ohne permanentem Körperkontakt, nicht denkbar.“ Allgemeinverfügungen, wie sie bereits in der vorigen Woche verschiedene öffentliche Stellen der Länder, Städte und Landkreise erließen, seien unzureichend, meint die GSA „so ist das Drehen in geschlossenen Räumen weiterhin erlaubt.“ (Anmerkung der Redaktion: Lediglich das Münchner Kreisverwaltungsreferat sieht das Drehverbot allgemein – siehe die Brancheninfo #9 von gestern). Der Berufsverband fordert deshalb einen „bundesweit einheitlichen und rechtsverbindlichen“ Stopp der Dreharbeiten.

Am 24. April sollen die »Lolas« verliehen werden. Aber mit der Gala wird’s in diesem Jahr nichts. Die Deutsche Filmakademie arbeite an einemAlternativkonzept für den „Deutschen Filmpreis“, ließ Filmakademie-Präsident Ulrich Matthes die Mitglieder in einem Brief wissen.

Die Hälfte der Mehrkosten bei Drehabbruch wollen die öffentlich-rechtlichen Sender bei ihren Auftragsproduktionen übernehmen. Der Präsident der Deutschen Akademie für Fernsehen (DAFF), Gerhardt Schmidt, fordert von den Sendern die volle Unterstützung: „Denn wie sollen die mittleren und kleinen Produktionsunternehmen die restlichen 50 Prozent aufbringen? Wahrscheinlich, indem sie die vertraglichen Ansprüche freier und festangestellter Mitarbeiter*innen und Dienstleister mit Hinweis auf die Krise entsprechend beschneiden.“

Ein paar Tipps fürs Wochenende zum Lesen, Schauen und Hören: Die Deutsche Kinemathek ist zwar geschlossen, aber trotzdem da. In den vergangenen Jahren hat sie ihre digitalen Angebote ausgebaut. In der umfangreichen Sammlung finden sich Storyboards und Zeichnungen von Ken Adam, im Archiv der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin kann man Filme in voller Länge streamen und Interviews mit Zeitzeug*innen anschauen. Ab kommenden Sonntag bietet die Kinemathek zudem Online-Führungen durch aktuelle Sonderausstellungen und durch die Ständige Ausstellung.

Das Berliner Kino Arsenal betreibt seit kurzem ein Streamingangebot. Wegen geschlossener Säle ist das Programm jetzt frei zugänglich.

Nicht zufrieden mit dem, was die großen Streamingdienste bieten? Mit den Filmen vieler kleinerer Portale lässt sich jetzt ein individuelleres Programm kuratieren, erklärt „Die Zeit“.

Seit Jahrzehnten sind sie am Aussterben, jetzt wittert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine Renaissance der Autokinos.

Lisa Jopt und Johannes Lange sinnieren in ihrem Podcast „Wofür es sich zu looosen lohnt“ auf Spotify über alles Mögliche. Diese Woche hatten die Schauspieler*innen „Corona Gefühle“ und erzählen, wie sie ihre Zeit zwischen Menschheitsaufgabe, Existenzangst und Frühlingsanfang verbracht haben.

Was tun, wenn alles stillsteht? Kochen können die Mitarbeiter*innen einer Berliner Catering-Firma zurzeit nicht. „Wir möchten diese Zeit aber nutzen, anderen helfen, nicht untätig rumsitzen und unserer großen Leidenschaft dem Kochen nachkommen“, schreibt Küchenchef Alexander Niki Gutsche und sammelt Spenden für alte Menschen, Obdachlose und Behinderte: „Mit diesem Geld möchten wir dann für diese kochen und täglich mit einer warmen Mahlzeit beliefern.“ Krankenhäuser und Altersheime könnten solche Unterstützung gebrauchen.

Die Nachrichten sind ernst genug und Netflix wird auch irgendwann langweilig. Wir wollen in unseren kommenden Brancheninfos regelmäßig Initiativen und Beispiele vorstellen, die auch inspirieren. Geschichten des Gelingens, eine Story des Umdenkens, der Kreativität, die Neues, Ausprobierenswertes und Energie in sich trägt. 

Also schreibt uns bitte: Was trägt mich durch diese besondere Zeit? Wie nutze ich die freie Zeit? Was ist mein Aha-Erlebnis? Welche Ideen entstehen?

Und jetzt übergeben wir an unseren Blog: 

Diesseits des Paradies’

Lese-, Hör- und Streamingtips fürs blogfreie Wochenende, Hilfe für eine Schauspielerin und ein paar Sätze in eigener Sache: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 05. Von Rüdiger Suchsland

„The streets are that empty. It seems as though the bulk of the city has retreated to their quarters, rightfully so. At this time, it seems very poignant to avoid all public spaces. Even the bars, as I told Hemingway, but to that he punched me in the stomach, to which I asked if he had washed his hands. He hadn’t. He is much the denier, that one. Why, he considers the virus to be just influenza. I’m curious of his sources.“
Der US-Schriftsteller F. Scott Fitzgerald über sich und seinen Freund Ernest Hemingway während der Spanischen Grippe – leider zu schön, um wahr zu sein.

Fake News gibt es viele. So auch leider, leider dieses wunderbare Zitat von Francis Scott Fitzgerald, das in den letzten Tagen durch die Medien geisterte. Auch die „Taz“ ist ihm aufgesessen, reagiert aber souverän: „Warum soll man denn Fakes vergessen, Non-Fakes aber nicht? Das war mal genau andersherum: Als Romane noch buchstäblich ergreifend waren, und Zeitungen eher was für den ebenso schnell- wie leichtgläubigen Plebs.“ schreibt „Taz“-Autor Ralf Sotschek. Recht hat er.

Eigentlich wollte ich heute mal nur über schöne Dinge schreiben. Aber das ist nicht ganz so einfach in Corona-Zeiten. 
So muss ich zuerst eine Schauspielerin erwähnen, der es gerade nicht gut geht, nicht zuletzt in der Hoffnung dass wir alle ihr helfen können. Es handelt sich um Halima Ilter. Sie kommt aus Berlin und ist Deutsche. In den letzten Wochen hat sie im kurdischen Teil des Irak (oder im irakischen Kurdistan, das ist egal jetzt) mit einer spanischen Crew einen Film gedreht. Jetzt wollte sie zurück, alle Flüge sind gecancelt, und das deutsche Konsulat in Erbil hat sich (anscheinend auch in nicht eben freundlichen Worten) geweigert, ihr zu helfen oder auch nur Unterkunft zu besorgen – warum auch immer. Nun muss sie im spanischen Konsulat wohnen. 
Das, was ich daran ein bisschen skandalös im großen Wirbel finde, ist: Einerseits stopft Heiko Maas gecharterte Maschinen mit Touristen voll, die naiv (dumm?) genug waren, noch vor zwei, drei Wochen in Urlaub in Billigländer zu fliegen – zum Beispiel mit Friedrich Merz ins Resort nach Marrakesch. Aber eine deutsche Schauspielerin mit Migrationshintergrund, die im Irak gearbeitet hat, bekommt vom deutschen Konsulat vor Ort keine Unterstützung, sondern ist auf die Spanier angewiesen.

Die Spanier wären schon längst weg, aber sie wollen nicht ohne sie weg. Die Spanische Botschaft meinte zur Regisseurin, Halima Ilter sei nicht ihr Problem, weil sie Deutsche ist und die Deutschen „viel besser aufgestellt“ sind als andere Vertretungen im Irak.
Vielleicht kommt Halima Ilter jetzt mit der spanischen Armee im Helikopter raus. Das wird ein schöner zweiter Dokumentarfilm, den die Spanier jetzt drehen.
»In der Krise zeigt sich Charakter“, behauptet Heiko Maas auf seiner FacebookSeite. Und Monika Grütters bietet „Hilfsmaßnahmen für Kreative“ an. Super, Frau Grütters.

Jetzt aber. Am Wochenende kommen wir alle vielleicht endlich (oder noch mehr?) zum Lesen und Serien-Schauen. 
Für alle die es wissen wollen, aber nicht zu fragen wagten: Ich werde lesen. Und zwar in einem Buch über die Renaissance. Warum? Verrate ich nächste Woche. 

Eine richtig interessante Geschichte ist zum Beispiel diese – und auch hier denkt man wieder: Als ob sie es geahnt hätte! Zwei Ärzte wurden nämlich zu den großen Helden am Beginn der modernen Medizin: Der Franzose Louis Pasteur schuf die Grundlagen der Bakteriologie, und bekämpfte aufsehenerregend Infektionskrankheiten. Sein Pendant in Deutschland ist Robert Koch. Er begründete die Seuchenlehre und die experimentelle Mikrobiologie. Mit aufwendigen Reihenuntersuchungen entdeckte er unter anderem den Erreger der Tuberkulose 1882 und den Erreger der Cholera 1883. Zu seiner Sternstunde wurde das Jahr 1892. Hier kam es in Hamburg zur letzten großen Cholera-Epidemie Europas. Mehr als 8.000 Menschen starben, was nicht zuletzt an den maroden, äußerst unhygienischen Trinkwasserleitungen lag. In einer Untersuchung über die Fauna im Hamburger Rohrnetz wurden mehrere Dutzend Tiere festgestellt, sogar Schlangen. „Ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde“, notierte der Bakteriologe Koch damals entsetzt, nachdem er die Quartiere der Hamburger Armen besichtigt hatte. „Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln.“ Nicht nur Koch urteilte vernichtend, bald stand die Stadt stand unter Quarantäne. Als die Epidemie eingedämmt war, veränderte sich die Stadtplanung der Hansestadt komplett: Sozialwohnungen lösten die alten Arbeiterquartiere ab, eine neue Kanalisation und Wasserversorgung wurde geschaffen, Badeanstalten eingerichtet, die Versorgung mit Ärzten und Krankenbetten derart verbessert, dass das zuvor rückständige Hamburg nun die modernste Stadt im Deutschen Reich war. Koch übernahm auch das in England erfolgreiche „Leicester-System“ von James Young Simpson. Es bestand aus drei verknüpften Prinzipien: Überwachung, Meldung, Isolierung. 90 Jahre später wurde diese Methode von der WHO übernommen und seit 1977 gilt die Krankheit als ausgerottet.
Eine Dokufiction, die auf Arte am vorigen Samstag ausgestrahlt wurde, und in der Mediathek angesehen werden kann, erzählt von diesem „Duell im Reich der Mikroben“. Wer dann darüber mehr wissen will, und sich durchs Thema nicht abschrecken, sondern eher seltsam faszinieren lässt, dem empfehle ich vom Briten Richard J. Evans: „Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830-1910“, ein wissenschaftliches Buch (bei Rowohlt vergriffen, aber antiquarisch erhältlich), aber auch ein süffig zu lesender Historienkrimi, der anhand der Cholera-Seuche eine Kulturgeschichte Hamburgs (meiner Geburtsstadt) erzählt, und mit unglaublich vielen Details aufwartet.

Daneben werde ich mich am Wochenende noch auf den Streaming-Seiten der Diagonale und des Kopenhagener Dokumentarfestivals herumtreiben, dann mal in die neue Freud-Serie schauen, über die man ja verschiedenes hört. Und in „Unorthodox“, Maria Schraders Serie nach Deborah Feldmanns Buch. 
Sehen könntet ihr auf der ARD beziehungsweise der Mediathek auch „Unsere wunderbaren Jahre“ – die ist zumindest interessant, auch dafür, was nicht gelingt. Ich finde, dass sich die Serie vor allem wegen einiger Schauspieler lohnt, allen voran der wahnsinnig guten Elisa Schlott, die längst als deutsche und intelligentere Version von Scarlett Johannson gelten müsste und der großartigen Vanessa Loibl – die mir leider leider bis dahin völlig unbekannt war. Shame on me. Und ja: Hans-Jochen Wagner ist so gut wie immer, aber bei dem ist das nichts Neues, scheint mir.

Am Sonntag steht der 125. Geburtstag von Ernst Jünger an. Für mich kein sympathischer Schriftsteller, und das meine ich nicht nur politisch. Aber eine interessante, auch mit unter faszinierende Figur der deutschen Geistesgeschichte. Ich habe „Das abenteueliche Herz“ wirklich toll gefunden, und „In Stahlgewittern“ auch sehr lesensewert – der Roman über den Ersten Weltkrieg wird immer als Gegenstück zu Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ beschrieben. Tatsächlich hängen beide eng zusammen, und wer Jünger mit Remarque zurückweist, sollte wissen, dass dieser die „Stahlgewitter“ in einer Rezension hochgelobt hat. Ich kenne Linke, die sagen von sich selbst, sie hätten „eine morbide Faszination“ für Jünger. Da könnte man auch Bert Brecht zitieren: „Lasst mir den Jünger in Ruhe“. Peter Trawny hat ein kluges Buch über Jünger und die Bundesrepublik geschrieben. Und im tollen Forum des SWR hat man jetzt über ihn kontrovers diskutiert. Hier zum Nachhören. Dort gibt es auch noch ein zweites halbstündiges Radiostück, das auch von Jüngers Technikkritik und seinen – trotzdem ziemlich rechten – Öko-Ideen handelt. 
Überhaupt ist der SWR der zurzeit interessanteste Sender für alle, die mal Radiohören wollen, ohne mit Corona vollgeballert zu werden.

Noch etwas in eigener Sache: Es gab sehr viele Reaktionen auf die ersten Folgen dieses Blogs, sehr positive und sehr negative. Ich möchte mich für beides bedanken! Bitte macht weiter so. Wer möchte, kann mich auch gern selbst anschreiben, in Rückmeldungen an Crew United oder persönlich per mail unter suchsland_r@web.de oder auf Facebook: ruediger suchsland – gerne werde ich versuchen, auf alles zu antworten, aber ich kann das nicht versprechen. Denn während viele andere leider gerade zu wenig zu tun haben, haben wir Journalisten sehr viel zu tun, und übernehmen auch noch das, was normalerweise die Techniker machen. Hoffentlich bleibt das nicht so, aber manche Redaktionen werden versuchen, die Situation zu nutzen, und die Technik-Abteilungen abzuwickeln. Ich habe in den letzten Tagen mehr Praktisches, Konkretes über Online-Kommunikation gelernt als in vielen Jahren vorher. 

Aus einigen der negativen Rückmeldungen sehe ich, dass ich den Sinn dieses Blogs offenbar noch nicht richtig verständlich gemacht habe. Zunächst einmal: Dies ist ein persönlicher Blog. Alles wird von mir verantwortet, es ist keine Meinungsäußerung von Crew United, oder allenfalls insofern, dass sie es mitteilenswert finden, und zeigen, wie tolerant sie sind. 
Darum schreibe ich auch bewußt „ich“, um klar zu machen, dass es persönlich ist. Es ist eine von vielen möglichen Reaktionen auf alles, was mit „Corona“ einhergeht. Wie viele andere reagiere ich halt erstmal mit tagebuchartigen persönlichen Überlegungen, die ich hier aber öffentlich mache. To whom it may concern…
Es ist klar, dass jeder in dieser Ausnahmesituation anders reagiert. Und wie sonst auch ist Textlesen immer auf eigene Gefahr und Verantwortung. Abgesehen davon ist das alles auch für mich learning by doing. Mit der letzten Folge 04 war ich gar nicht zufrieden. Mit Folgen 02 und 03 schon. Folge 01 musste sehr schnell fertig sein, die ging so. 
Aber jeder legt auch ein bisschen hinein, was er mitbringt. Das geht mir nicht anders. Natürlich möchte ich damit zugleich etwas Positives tun: Anregen zum Nachdenken, Weiterdenken, Querdenken, um die Ecke denken – Hauptsache kein Mainstream-Denken, das tun wir schon genug. Dafür das Kommentieren und Irritieren dieses Mainstream, des Eh-schon-Vorhandenen. Und da wir alle sowieso und gerade im Quadrat Medien verschiedener Art nutzen, soll auch diese Nutzung kommentierend begleitet werden. Von „Medienbeobachtung“ und „Neugier“ hatte ich in der ersten Folge geschrieben. Ich möchte Hinweise geben auf Sachen, die vielleicht übersehen werden. Und dies interpretieren. Als Angebot.
Dass das auf die eine oder den anderen dann miesepetrig oder zynisch wirkt, macht mich traurig, weil es so keineswegs gemeint ist. Im Gegenteil. Natürlich ist dies gerade keine Situation, in der besonders gute Stimmung aufkommt, andererseits machen mich die vielen Aktivitäten und Ideen dieser Tage optimistisch. 
Aber Gemecker? In Folge 02 wurden zwei Festivals gelobt und angepriesen, die Online streamen; in Folge 03 „Unterleuten“ gelobt und die Schauspieler*innen darin angepriesen, Woody Allen wenigstens unterhaltsam gefunden, die bloggenden Virologen auch, in Folge 04 sogar Jens Spahn gelobt, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Dunja Bialas. Nur Disney+ fand er nicht so toll.
Nur „zynisch“ bin ich nicht, und will ich nicht sein, auch wenn es in Susanne Heinrichs Film „Das melancholische Mädchen“ heißt, jeder Zyniker sei nur ein enttäuschter Moralist, und ich mit dieser Definition an der bestimmt was dran ist, gut leben könnte. 
Ich versuche hier einfach, realistisch zu sein (das macht mich glücklich, vielleicht auch andere), und wo es geht, ironisch (das entspannt und unterhält); und ich möchte niemandem Moral predigen. Darum habe ich zum Beispiel in Folge 04 versucht, einfach das zu Ende zu denken, was Jens Spahn im Interview sagt, und in den Handlungshinweisen für Ärzte steht. Ich habe zitiert, nicht kritisiert, eher mit meinen Worten gesagt: So ist das eben, so muss es wohl sein, auch wenn’s schlimm ist. Es gibt Menschen, die trösten solche Einsichten.
Ich schreibe diese Texte für Menschen, die mich schon kennen, oder die mich kennenlernen wollen. Nicht um Recht zu haben, sondern um eine Debatte zu beginnen, Widerspruch auszulösen, oder auch Sympathie. 
Es freut mich, wenn ihr weiterhin Lust habt, Euch darauf einzulassen. 

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende! Und: bleibt gesund!

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Dem schließen wir uns an! Bis Montag!
Euer Crew United Team

Brancheninfo von crew-united und cinearte, erschienen auf out-takes