150 Jahre Münchner Opernfestspiele – Festakt und Premiere: Bayerns Staatsoper jubiliert

„Dreams and Dramas“ steht in Leuchtschrift auf dem Halbbogen über der Fassade des Münchner Nationaltheaters – künstlerische Zugabe für die Zeit der 150. Münchner Opernfestspiele, Foto: Hans Gärtner

150 Jahre Münchner Opernfestspiele – das Jubiläum musste festlich begangen werden – mit einem Festakt und, tags darauf, mit der Premiere der „Oper aller Opern“, wie E. T. A. Hoffmann urteilte: Mozarts „Don Giovanni“. Den machte GMD Vladimir Jurowski zur Chefsache mit eigenen mozärtlichen Tasten-Intermezzi und schroffen Eingriffen in die vom Bayerischen Staatsorchester ächzend, aber grandios gemeisterten musikalischen Eskapaden der zweiaktigen, viereinhalb Stunde währenden „Dramma giocoso“, eine BSO-Novität der speziellen, wohl nicht jedermanns Sorte. Am 6. Juli wird sie dem „Volk“ bei „Oper für alle“-freiem Eintritt auf dem Marstallplatz geboten.

Da darf es dann erleben, was für eine seltsame Opernfestspiel-Neuheit sich „Faust“-Theaterpreisträger David Hermann mit Jurowski ausgedacht hat, um sich von allen bisherigen „Don Giovannis“ zu unterscheiden. Dem „komplexen Stück“ wurden zwei Götterfiguren aus La Pontes Epilog hinzugefügt, Prosperina und Pluto. Sie geistern, rot gewandet, durch alle Szenen mit der seit Jahren langweiligsten Bühnenarchitektur (Jo Schramm). Das Pärchen P&P übernimmt die Verantwortung für den Mord am Komtur (Christof Fischesser), dem Vater der Donna Anna (Vera-Lotte Boecker, in Top-Form mit hellem Sopran-Glanz). Das Konzept konnte nicht überzeugen, war weder Spaß noch Ernst, auch wenn Prosperina, unglücklich in ihrer Zwangsehe, „etwas gegen die männliche Anlage“ des Stückes auszurichten versucht.

Sie schlüpft in den Titelhelden, von Edel-Bariton und Rollen-Debütant Konstantin Krimmel bewundernswert und stimmlich elegant gegen den „Wüstling“-Strich gebürstet, eines Teils seiner maskulinen Unwiderstehlichkeit beraubt. Sogar der arme Masetto (Michael Mofidian), ehelich Zerlina (Avery Amereau) versprochen, wird am Ende prosperiniert, wovon Don Ottavio (Giovanni Sala, diskret in seiner Trauer-Sympathie zu Donna Anna) verschont bleibt. Donna Elvira (Samantha Hankey) darf exaltiert bleiben bis zum Wehtun. Herr der Lage bleibt der Diener. Kyle Ketelsen sorgte dafür, dass er als Proll-Leporello, selbst für Don-Giovanni-Fremde, in bester Erinnerung bleiben dürfte.

Da hat dieser wunderbar unterkühlt gemimte Typ viel gemein mit der Sängerin Sonya Yoncheva und ihrem Auftritt als Dido, Kleopatra, Almirena und Zima (gemeinsam mit Avery Amereau) im Festakt am Premieren-Vorabend. Unter Stefano Montanaris etwas aufgeregt anmutender Leitung einer Abordnung des Bayerischen Staatsorchesters wurde hinreißend Purcell, Händel und Rameau gesungen. Gut zu ertragen ob dieser Fülle an Wohllaut: die Reden von Staatsintendant Serge Dorny, Staatsminister Markus Blume und – in eben dieser Reihenfolge – Ministerpräsident Markus Söder (Kultur als unabdingbare Demokratie-Investition und Europa als kulturelles Projekt).

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde schlug in ihrer auf Englisch gehaltenen Festansprache klug und leise andeutend, den Bogen von der Warnung vor nationalistischer Abschottung und europäischer Zersplitterung zu einem Programm-Punkt der diesjährigen Opernfestspiele, der zweiten Festival-Premiere: „Pénélope“ von Gabriel Fauré am 18. Juli im Prinzregententheater. „Beständigkeit“ – dafür steht nach Lagarde Odysseus` Gattin, eine Tugend, eine Haltung, die niemand anderes besser als eine der großen Frauen unserer Kulturgeschichte verkörpere.

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.