Den letzten Satz, den Pogners Tochter Eva in den „Meistersingern von Nürnberg“ zu sagen hat, richtet sie, voller Überzeugung, dass der Bewerber um den Meistersinger-Preis ihr geliebter Walther ist, an ihn: „Keiner wie du so hold zu werben weiß!“ Und drückt ihm einen Kranz aus Lorbeer und Myrte aufs Haupt. Richard Wagners Oper endet alsbald. Walther aber will nicht Meister, will ohne Meister selig sein.
Meistersinger Jonas Kaufmann wählte „Meistersinger“-Vorspiel und -Preislied als Entree zu seiner dritten Gala – nach 2021 und 2023 – in der Arena von Verona: „Jonas Kaufmann in opera“. Er will ein drittes Mal beweisen, dass keiner wie er „so hold“ zu singen „weiß“. Die Reihen im weiten Rund des Amphitheaters waren, wenn auch nicht bis zum allerletzten Platz, gut gefüllt – mit Fans des geborenen Münchners aus nah und fern. Trotz „Seitenwechsel“ zur Intendanz der Tiroler Festspiele Erl bleibt J. K. dem Kunstgesang treu.
Ob es klug war, mit Walthers Preislied zu starten? Der zurückhaltende Applaus gab die Antwort. Überhaupt Wagner. Dafür sind die Italiener nur bedingt zu haben. Kaufmanns berührende, die „Taube“ hauchzart in die Lüfte hebende, wundersam verlängerte Graserzählung des Lohengrin war ein erster, wenn nicht gar der Höhepunkt seines Veroneser Auftritts. Erste-Sahne-Sopranistin Marina Rebeka stand ihm mit der von ihr kühn angegangenen „Hallenarie“ der „Tannhäuser“-Elisabeth kaum nach. Ganz in Weiß und voller Elan, behauptete sie sich an dem Abend immer stärker. War sie es, die ihrem Partner das weiße Jackett ausredete und ihm eines in Lila empfahl? Passend zu den samtigen Passagen Giacomo Puccinis?
Der Italiener aus Lucca lieferte, worauf das Publikum abfuhr: auf das mit Glut und Hingabe gebrachte Duett Cio-Cio San/Pinkerton bis hin zu einem gelungenen „Addio fiorito asil“. Als Manon Lescaut und Des Grieux steigerten sich beide ihre Ausdruckskraft und Intensität. Wobei Kaufmann, Walther aus den „Meistersingern“ gleich, der eher Zurückhaltende, Bescheidene blieb. Sparte er sich den Italo-Glanz seiner verführerischen Stimme für die sechs Zugaben?
Es ist an der Zeit, sich zwischendurch vor dem großartig aufspielenden Orchestra di Fondazione Arena di Verona zu verbeugen und ihm großen Respekt zu zollen dafür, dass der Klangteppich mit ausgesuchten „Intermezzi“ fein gewebt blieb. Unter der äußerst souveränen Stabführung von Jochen Rieder. Aber auch dank eines lupenreinen und zugreifenden Blechs, dauerhaften Streicher-Wohlklangs und durchgehaltener Präsenz des Orchesters. Ein Pult-Debüt des vielseitig musikalischen Stuttgarters Jochen Rieder, das ihn in die erste Reihe der Arena-Dirigenten rückte.
Giacomo Puccini satt – im langen Rausschmeißer-Anhang, und siehe und höre: Jonas Kaufmann ließ es zur spürbaren Publikums-Freude nochmal aufblitzen. Er hat seinen Fans, auch wenn das packende Spinto ausblieb, das Erwartete gegeben: mit Arien und Duetten, aus „la boheme“ und „Tosca“, um da wieder die taffe Lettin Marina Rebeka mitzunehmen. Sie schlug sich grandios, zauberte mit „Vissi d`arte“ ein kleines Ereignis und fühlte sich bravourös in die kecke Musetta ein.
Bis sie sich mit ihrem Partner in den heiklen, das hohe C fordernden Bühnen-Abgesang aus der „boheme“ – „O suave fanciulla“ – begab und gemeinsam ins Schlittern gerieten. Es war daraufhin zu befürchten, diesmal auf „Nessun dorma“ verzichten zu müssen, doch Kaufmann bestand scheinbar darauf, blieb aber die sonst immer garantierte Gänsehaut-Erregung schuldig. Mit dem unverwüstlichen Italo-Gassenhauer „Volare“ sollte ein erfrischender Schlusspunkt zum Mitsingen gesetzt werden: „Cantare – oh, oh, oh, oh!“ Singe: „O, o, o je!“
Keiner wie er … versteht es noch immer, die Gala-risten für sich zu gewinnen, besonders die Evas unter ihnen. Sie urteilen halt aus liebendem Herzen.
