Werner Tübke. Mein Herz empfindet optisch. Aus den Tagebüchern, Skizzen und Notizen

Foto: Stefan Groß

Werner Tübke war einer der bekanntesten Künstler in der DDR. Nun liegen erstmals in Buchform seine 26 privaten Tage- und Skizzenbücher vor, die einen sehr tiefen und bewegenden Eindruck in seine Persönlichkeit geben.

 

Das wohl bekannteste Werk in der früheren DDR ist das Panoramagemälde von Werner Tübke. Als seine künstlerischen Vorbilder betrachtete er Lucas Cranach und Albrecht Dürer. Neben dem Bauernkriegspanorama ist das Gemälde „Tod in Venedig“ eines seiner bekanntesten Werke. Tübkes Malstil zeichnete sich aus durch seine manieristische Verzerrung und die oftmals altertümlich gekleideten Figuren. 1976 wurde Werner Tübke vom Kulturministerium der DDR mit einem der größten Kunstprojekte des 20. Jahrhunderts beauftragt.[1] Zu Ehren von Thomas Müntzer und in Erinnerung an die Schlacht bei Frankenhausen sollte unter seiner Leitung ein monumentales Panoramagemälde für eine Gedenkstätte auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen entstehen.[2] Die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 war eine der bedeutendsten Schlachten während des Deutschen Bauernkriegs und im Wesentlichen dessen letzte. In ihr wurden die Aufständischen unter Thomas Müntzer durch ein Fürstenheer vollständig besiegt. Die Niederlage des Bauernheeres bei Frankenhausen bedeutete zugleich auch das Ende des Bauernkriegs überhaupt. Dort wurden Müntzers letzte Mitstreiter endgültig von einem Adels- und Landsknechtsheer niedergeschlagen, und dort sollte auch an das Vermächtnis der Aufständischen erinnert werden.

Tübke schuf kein herkömmliches Schlachtengemälde, sondern einen historisch-philosophischen Bilderreigen für eine ganze Epoche. Von 1976 an ließ sich Tübke von seiner Hochschultätigkeit beurlauben. Er studierte bis 1978 Renaissancegemälde, machte Skizzen sowie kleinere Bilder. Die Arbeiten von Tübke und seinen Helfern an dem Monumentalgemälde erstreckten sich über acht Jahre 1987 war das Panoramagemälde mit mehr als 3000 Figuren fertig und der Maler erschöpft, ein Selbstporträt ist im Bild als Harlekin enthalten.

Außer dem Panoramagemälde ist Tübke als einer der Begründer der Kunstrichtung der Leipziger Schule einem breiteren Publikum bekannt. Nach einer Tätigkeit 1953/54 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralhaus für Volkskunst in Leipzig war Tübke von 1954 bis 1956 und 1957 bis 1963 als freischaffender Künstler tätig. Von 1956 bis 1957 arbeitete er zwischenzeitlich als wissenschaftlicher Oberassistent an der HGB Leipzig, bevor er aus kunstpolitischen Gründen entlassen wurde. 1958 konnte er als Sieger eines Wettbewerbes das Hotel Astoria in Leipzig mit seiner ersten größeren Arbeit, den Wandbildern Die fünf Kontinente, gestalten. Die Zeit um 1960 war von wachsender Anerkennung für sein Werk bestimmt. Tübke begann in künstlerischen Leitungsgremien Leipzigs mitzuwirken und heiratete 1960 die Malerin Angelika Tübke geb. Hennig. Anschließend bereiste er ein Jahr lang die Sowjetunion, u. a. den Kaukasus und die mittelasiatischen Republiken.

Nach seiner Rückkehr wurde er wieder als Oberassistent in Leipzig eingestellt und 1964 zum Dozenten berufen. In den folgenden Jahren verarbeitete er in mehreren Gemälden des Zyklus Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze das Grauen der Nazi-Herrschaft, insbesondere deren ungenügende Aufarbeitung in der BRD. Sein sinnbildreicher, geradezu symbolistischer Stil mit vielen Rückbezügen auf die Renaissance-Malerei stieß auf heftige Kritik von offizieller Seite.

Zwischen 1970 und 1973 gestaltete er das Wandbild Arbeiterklasse und Intelligenz am Rektoratsgebäude der Karl-Marx-Universität zu Leipzig. Während dieser Zeit reiste er zweimal nach Italien, studierte die Renaissance- und Barock-Malerei und errang mit seiner dortigen Einzelausstellung, der ersten außerhalb der Warschauer-Pakt-Staaten, auch internationale Anerkennung.

Das Œuvre Werner Tübkes umfasst ca. 6000 Zeichnungen, etwa 500 Aquarelle, 350 Gemälde (Öl, Tempera, Mischtechnik) und mehr als 200 Druckgraphiken (zumeist Lithographien, aber auch Radierungen und Holzschnitte, letztere aus der Frühzeit). Im Werk dominiert das Menschenbild (Historien- und Zeitdarstellungen, Porträts, Akte, Sinnbilder, Harlekinaden, christliche Motive, Mythologisches); Landschaften sind vorrangig im Aquarell ausgeführt.

Werner Tübke wurde eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen zuerkannt, darunter: 1971 Kunstpreis der Stadt Leipzig; 1972 Goldmedaille der Grafikbiennale in Florenz; 1977 Hauptpreis Malerei der 2. Triennale der Kunst sozialistischer Länder in Sofia; 1980 Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR; 1982 Mitglied der Königlichen Akademie der Künste Schwedens in Stockholm; 1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR/zu Berlin (1992 Austritt); 1988 Ehrenmitglied der Akademie der Künste der UdSSR; 1989 Ehrenmitglied der Serbischen Akademie für Kunst und Wissenschaft Belgrad (1992 Austritt). Er starb 2004.

Bislang sind bereits mehr als 100 Einzelausstellungen des Künstlers in Deutschland, Österreich, Schweden, Italien und Frankreich, in den Niederlanden, Russland und den USA gezeigt worden. Darüber hinaus gab es unzählige weitere Ausstellungsbeteiligungen in ganz Europa, Australien und den USA. Werke von Werner Tübke befinden sich in vielen wichtigen Museen und Sammlungen in Europa und in Übersee.[3]

Einblicke in die Persönlichkeit des Künstlers

Nun liegen erstmals in Buchform seine 26 privaten Tage- und Skizzenbücher vor, die einen sehr tiefen und bewegenden Eindruck in seine Persönlichkeit geben. Ausgehend von der These, dass Werk und die Person des Künstlers untrennbar miteinander verbunden ist, ist dieses Werk sowohl für die Tübkeforschung als auch die Beschäftigung mit Kunst in der DDR ein Meilenstein. Der in der BRD noch nicht so bekannte Tübke hatte einen facettenreichen, eigentümlichen Charakter, der hier schonungslos ausgebreitet wird. Diese zum ersten Mal veröffentlichten Tage- und Skizzenbücher bringen dem Leser einen bemerkenswerten Künstler näher, der wegen seiner Involvierung in die Kunstpolitik der SED nicht unumstritten war. Ein authentisches Dokument über einen der besten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Anschaffung sich lohnt.

Annika Michalski/Eduard Beaucamp (Hrsg.): Werner Tübke. Mein Herz empfindet optisch. Aus den Tagebüchern, Skizzen und Notizen, Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN: 978-3-8353-3036-8

 

[1] Emmrich, I.: Werner Tübke. Schöpfertum und Erbe. Eine Studie zur Rezeption christlicher Bildvorstellungen im Werk des Künstlers. Union-Verlag, Berlin 1976, S. 19

[2] Behrendt, H.: Das Panoramabild in Bad Frankenhausen. „Frühbürgerliche Revolution“ von Werner Tübke. Seine Ideen-, Entstehungs-, Deutungs- und Vermittlungsgeschichte, Kiel 2002, S. 26ff

[3] Emmrich, I.: Werner Tübke. Schöpfertum und Erbe. Eine Studie zur Rezeption christlicher Bildvorstellungen im Werk des Künstlers. Union-Verlag, Berlin 1976, S. 109

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Über Michael Lausberg 543 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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