Musikliebhaber kennen Igor Levit als einen der besten Pianisten der Gegenwart. Seine musische Begabung zeigte sich bereits in der frühen Kindheit und diese wurde von der Mutter – einer habilitierten Musikpädagogin – intensiv gefördert. Geboren wurde er in Gorki (Sowjetunion). Mit 8 Jahren übersiedelte er mit seiner Familie als „jüdische Kontingentflüchtlinge“ von Russland nach Deutschland. Seit dem 3. Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht. Mit vier Jahren war sein Solo-Debüt, mit sechs Jahren der erste Orchesterauftritt mit dem Philharmonie-Orchester von Nischni Nowgorod. An der Musikhochschule Hannover schloss er im Jahr 2010 sein Klavierstudium erfolgreich ab und erhielt mit seinen Diabelli-Variationen von Ludwig van Beethoven die höchste Punktzahl in der Geschichte dieser Hochschule. Dann ging es bald mit seiner Pianistenkarriere sehr schnell steil bergauf: 2013 Plattenvertrag mit Sony Classical, erste CD mit Beethoven-Klaviersonaten, seit 2019 Professor für Klavier an der Musikhochschule Hannover, 2021 Salzburger Festspiele, seit 2022 Mitgestalter des Musikfestivals Heidelberger Frühling.
Mittlerweile erhielt Igor Levit mehr als 30 angesehene Preise und Auszeichnungen. Die ersten erhielt er mit 17 Jahren im Jahr 2004. Neben Preisen für Bestseller bei Platten- und CD-Aufnahmen (z.B. für die Beethoven-Klaviersonaten) folgten auch Preise für sein politisches und gesellschaftliches Engagement, z.B. den Internationalen Beethovenpreis (2019), das Bundesverdienstkreuz am Bande (2020), den Carl-von-Ossietzky-Preis (2022), die Buber-Rosenzweig-Medaille (2024) und den Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar (2025)
Engagement für Humanismus, Zivilcourage und Solidarität
Igor Levit hat sich bereits in jungen Jahren politisch und gesellschaftlich engagiert, besonders gegen Antisemitismus, Rassismus und Populismus. Als im Jahr 2020 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihm das Bundesvierdienstkreuz am Bande verlieh, betonte dieser in seiner Begründung:
„Bürger, Europäer, Pianist – so bezeichnet sich Igor Levit selbst, und diese Reihenfolge ist dem außergewöhnlichen Künstler auch Programm. Bei ihm sind künstlerisches Wirken, gesellschaftspolitisches Engagement und Solidarität mit anderen untrennbar verbunden. Er brilliert auf den Konzertpodien der Welt mit seiner enormen Virtuosität wie mit tiefgründigen Interpretationen. Dabei vermittelt er seinem Publikum, welche Antworten die Musik auf Fragen hat, die heute noch so aktuell sind, wie sie es vor 250 Jahren für Beethoven waren.“
Während der Corona-Pandemie gab Igor Levit in den Jahren 2020 und 2021 eine Reihe von 52 „Hauskonzerten“, die über Twitter und Instagram im Internet verbreitet wurden und große Resonanz fanden. Diese Hauskonzerte wurden live aus seiner Berliner Wohnung übertragen und waren für jeden Interessierten abrufbar. Der Zeit-Redakteur Florian Zinnecker begleitete Levit in dieser Zeit, führte viele Gespräche mit ihm und veröffentlichte mit ihm ein gemeinsames Buch über diese gemeinsame Zeit (Levit und Zinnecker 2021). Dieses lesenswerte Buch ist eine Komposition aus Biographie, Autobiographie und Pandemie-Tagebuch.
Freiheit und Verantwortung sind für Levit ebenso existenziell bedeutsam wie die Demokratie. Dies bewog die Jury, ihm 2025 den Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar zu verleihen.
Wegen seines politischen Engagements gegen Antisemitismus und Rassismus wurde er besonders von der rechtsradikalen Szene kritisiert und angegriffen. Im Jahr 2019 bekam er Morddrohungen und schrieb daraufhin einen Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ mit dem Titel „Habe ich Angst? Ja, aber nicht um mich.“
Botschafter der Hoffnung
Für Igor Levit ist ein Leben in Hoffnung sehr wichtig, weshalb dieses Phänomen in seinen Interviews häufig auftaucht. Aufrichtige Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit mit Menschen sind für ihn eine Quelle der Hoffnung:
„Menschen sind Hoffnung. Daran will ich glauben. Ich habe nichts, worin ich meine Hoffnung setzen könnte, außer Menschen.“ (Igor Levit, zit. nach Georg Diez 2022).
Ein enger Zusammenhang besteht für Levit zwischen Emotion und Hoffnung. Durch ihre intensive Orientierung auf Zukunft hin prägt die Hoffnung das menschliche Zeiterleben und reicht weit über die Gefühle des Hier und Jetzt hinaus. Beide Phänomene berühren jedoch intensiv die Gefühlswelt. Hierzu sagte Igor Levit:
„Jede menschliche Emotion ist Hoffnung, jede mögliche Geste, jedes mögliches Gefühl oder jeder Gedanke im Epizentrum jedes Kunstwerks. Der einzige Grund, warum Menschen Kunst erschaffen, ist, um sich selbst zu verstehen: Warum man fühlt, was man fühlt, warum wird leben.“
Als Levit im November 2023 im Berliner Ensemble ein gemeinsam mit Michael Friedmann organisiertes Solidaritätskonzert gegen Antisemitismus spielte, feierte Katrin Sohns im „Tagespiegel“ dies mit dem von ihr gewählten Titel: „Worte und Klänge der Hoffnung. Ein Konzert gegen das Schweigen“ (Sohns 2023). Reinhard J. Brembeck bezeichnete Igor Levit in der „Süddeutschen Zeitung“ als einen „Großmeister der Hoffnung“, der gegen Hoffnungslosigkeit und Verzagtheit anspielt. (Brembeck 2024). Die fundamentale Bedeutung der Hoffnung für das menschliche Leben kommt also in der gegenwärtigen Levit-Rezeption spürbar an.
Literatur
Brembeck, Reinhard J., Ein Großmeister der Hoffnung. Igor Levit in der Isarphilharmonie. Süddeutsche Zeitung vom 23. Oktober 2024
Diez, Georg, „Igor Levit: Ich bin Aktivist, sowohl online als auch offline.“ Interview. Augsburger Allgemeine vom 14. Februar 2022
Levit, Igor, Habe ich Angst? Ja, aber nicht um mich.“ Tagesspiegel vom 29. Dezember 2019
Levit, Igor, Zinnecker, Florian, Hauskonzert. Carl Hanser Verlag, München 2021
Sohns, Katrin, Worte und Klänge der Hoffnung. Ein Konzert gegen das Schweigen. Tagesspiegel vom 28. November 2023
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