Künstlerin Ingrid Hornef und Würfelbilder

in der Tradition der Konkreten Kunst

Künslerin Ingrid Hornef. Foto: Wikimedia Commons, Annette Courtis.

Die deutsche Künstlerin Ingrid Hornef begeht am 12. August dieses Jahres ihren 85. Geburtstag. Anfänglich hat sie sich intensiv mit Tonarbeiten, mit Steinbildhauerei sowie mit Installationen beschäftigt. Der kunstinteressierten Öffentlichkeit wird sie jedoch bekannt mit ihren sogenannten „Würfelbilder“. Diese Bilder gehören zu der seit 2002 bis heute fortgeführten Werkreihe „ALEA IACTA EST“ – Der Würfel ist gefallen. Sie hat unzählige Einzelausstellungen und ebenso Beteiligung an Gruppenausstellungen im deutschsprachigen Raum als auch in Frankreich vorzuweisen.

Hornef steht in der Tradition der Konkreten Kunst. Der Begriff Konkrete Kunst geht auf den Niederländer Theo van Doesburg (1883-1931) zurück. Bereits im Jahre 1917 kommt es zur Bildung einer avantgardistischen Künstlervereinigung in der niederländischen Stadt Leiden. Sie gibt sich den Namen „De Stijl“. Diese Kunstbewegung ist geprägt von präzisen geometrischen Formen, von klaren Linien, und von farblicher Klarheit. Hier entsteht langsam der Kern der Stilrichtung, die später „Konkrete Kunst“ heißt. Van Doesburg  publiziert in Paris im Jahre 1930 das „Manifest der konkreten Kunst“ in der Zeitschrift „Art concret“. Mit jenem Manifest wird eine Kunst gefordert, die beispielsweise jegliche Anlehnung an Natur oder auch jeglichen Symbolismus ausschließt, so wie die Abstraktion nach Natureindrücken verneint. Vielmehr steht das bildnerische Element nur für sich selbst, und es wird in einer exakten Technik gestaltet.

Der Schlüssel zu der Konkreten Kunst von Hornef ist: der Zufall. Sie visualisiert mit ihren Bildern das Ergebnis des Würfelwurfes, ihres Würfelwurfes. Sie gibt dem Zufall eine Gestalt. Hornef  setzt den Zufall kalkuliert ein. Ordnungen entstehen somit unter dem Einfluss des Zufälligen. Die Beschäftigung mit dem Prinzip des Zufalls in der Kunst hat eine gewisse Tradition. Bereits Hans Arp (1886-1966) entwickelt vor dem 1. Weltkrieg eine Werkreihe mit der Bezeichnung „Collagen nach den Gesetzten des Zufalls geordnet“. Er zerreißt Papier in viele Fetzen und lässt diese auf den Boden fallen. Die durch den Luftwiderstand erzeugte Konstellation fixiert er. Seit Jahren ist auch Hornef von der Thematik „Zufall“ fasziniert. Sie hat sich für den Würfel als „Zufallsgenerator“ entschieden. Zunächst stellt Hornef die Basisregeln des zukünftigen Werkes auf. Sie wählt das Material aus, meistens MDF (Mitteldichte Faserplatte), denn diese verzieht sich nicht, und die späteren aufgetragenen Linien werden klar abgebildet. Konturen können klar und eindeutig abgebildet werden. Weiterhin legt sie die Farben und die Breite der Linien fest. Seit einigen Jahren benutzt sie auch Farben wie Blau und/oder Rot. Alles ist streng durchdacht. Am Anfang bemalt sie die MDF-Platten vollständig schwarz oder weiß. Seit 2023 bemalt sie diese auch in der Farbe Blau.

Das Format des Bildes ist meistens ein Quadrat. Dieses wird von Hornef wiederum in viele gleichmäßige Quadrate eingeteilt. Das Quadratraster zeichnet Hornef entweder mit einem Bleistift oder meistens mit einem Filzstift ein. Diese feine Einteilung bleibt gewöhnlich sichtbar.

Werke der Konkreten Kunst haben keine symbolische Bedeutung. Die Konzentration von Hornef liegt auf der Erschaffung abstrakter Kompositionen. Diese werden durch die Verwendung von geometrischen Formen, klaren Linien und klaren Breiten umgesetzt. Die Quadrate werden gefüllt durch waagerechte, senkrechte und diagonale Linien, beziehungsweise mit Balken, seit kurzem auch mit Dreiecken. Oder das Quadrat bleibt leer, eben abhängig vom Würfelwurf. Bei den ersten „Würfelbilder“ ist das jeweilige festgelegte Ordnungsschema zu erkennen. Sie arbeitet stets nach einem, vor den beginnenden Würfelwürfen, festgelegten Ordnungsschematismus. Bei den weiteren Werken ist das Erkennen der Formgesetzlichkeit zunehmend schwieriger. Jede neue Festlegung bedingt eine neue systematische Bildstrukturierung. Diese jeweils neuen strengen architektonischen Formkategorien im Bildaufbau werden für den Bildbetrachter zunehmend schwieriger zu erkennen, wenn vielleicht nicht sogar unmöglich.

Die „Würfelbilder“ von Hornef sind keineswegs eintönig. Sie weisen eigentlich eine gewisse Strenge auf, und dennoch geht von den sehr unterschiedlichen kombinatorischen Variationen der Werkreihe eine ästhetische Faszination aus. Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass der Zufall als Medium ihrer Arbeit die Rolle bezüglich der Gestaltung des Werkes übernimmt. Der Würfel ist für Hornef das Zufallsmoment. Die Regel, d. h. Würfel gibt sechs Möglichkeiten vor. Aber beim Wurf gibt es eben nur ein Ergebnis. Die gewürfelten Zahlen werden von ihr bildnerisch umgesetzt. Den Zahlen werden von ihr aufgestellte individuelle Vorgaben zugeordnet. Hornef  bestimmt durch ihre Festlegung die Regel. Max Bill (1908-1994) sagt: „Konkretion ist Gegenständlich-Machung von etwas, das vorher nicht sichtbar, nicht greifbar vorhanden war“. Damit würde Hornef mit ihrer künstlerischen Arbeitsweise Dinge sichtbar machen, die zuvor so noch nicht bildlich dargestellt sind.

Am Ende bleibt dennoch die Frage: was ist, wenn Zufall eine reine Abstraktion ist, für eine letztlich nicht verstandene Kausalität? Was  ist, wenn alles doch vollständig vorherbestimmt ist?

Hornef ist weiterhin künstlerisch rege tätig in ihren Ateliers in Hofheim am Taunus (Hessen) und in Bages (Frankreich).

Auf der Homepage www.ingrid-hornef.de sind zahlreiche Abbildungen ihrer Werke zu betrachten, gerade auch aus der Werkreihe „ALEA IACTA EST“