Das waren noch Zeiten, als wir Alten – Jahrzehnte sind`s her – unser Wissen über alte Völker und Kulturen aus Sachbüchern bezogen. „Was ist was?“ hieß eine nicht zu schlagende Serie aus dem Tessloff-Verlag. Der sorgte für erstklassige Szenen – zum Beispiel über die Pharaonen und ihre Pyramiden am Nil. Heute noch kann Opa das eine oder andere seiner seit Kindertagen gesammelten Erklär-Bücher, immer noch gerne das über das alte Ägypten, hervorholen – aber vieles davon hat sich, wie er gestehen muss, geändert, neue Forschungen haben manche „alte Wahrheit“ relativiert.
Was den Nil und seine Bedeutung für die Kultur der Welt angeht, ist jetzt endlich den Museumsleuten am Münchner Kunst-Areal die längst fällige Ausstellung für Heranwachsende geglückt: „Aufwachsen im Alten Ägypten“ heißt sie und nimmt sich erstmals dem Abschnitt „Kindheit“ eines Menschen-Lebens an. Arnulf Schlüter und Melanie Flossmann-Schütze, die Doppelleitungsspitze am keck mit SMAEK abgekürzten Musentempel (Lies: „Staatliches Museum Ägyptischer Kunst“!) war über die Maßen einfallsreich, als es die Kinder in den Fokus stellte. Die Zusammenarbeit mit dem Münchner Innenarchitekturbüro „Die Werft“ hat ein Ausstellungskonzept hervorgebracht, vor dem man – als Geschichtslehrer, aber auch als kulturell interessierte Eltern (und, nicht zu vergessen, Großeltern) eine tiefe Verbeugung machen kann. So viel Pfiffiges und Anregendes wie diese Kinder-Schau ist schon lange nichts mehr im Museums-Bereich anzutreffen gewesen.
Es war ihnen nicht nur ein Bedürfnis, sondern ist ihnen rundweg gelungen, was sie, Schlüter und Flossmann-Schütze, vorhatten, nämlich „in dieser Ausstellung ein wenig den Kontrast zu heute darzustellen und durch die Lebensumstände in der Antike zeigen, was wir inzwischen alles erreicht haben“. Die Lebenswelt der Kids im Alten Ägypten können sich Schülerinnen und Schüler anhand der übersichtlich gestalteten und immer wieder lustig eingefangenen Situationen selbst „erarbeiten“, Kleidung anziehen und am eigenen Leib erproben, Schlafstellen auf ihre Tauglichkeit prüfen, die Hieroglyphen erraten, die altägyptischen Sternbilder kennenlernen.
Nicht alle jungen Besucherinnen und Besucher, die natürlich allein, aber auch in Begleitung Erwachsener die Schau durchwandern können, werden auf jedes der hier aufgegriffenen Teil-Themen zugehen, ob Schulalltag oder Hausarbeit, Zauber, Bestattungsrituale oder Religion, aber sie haben die Möglichkeit dazu. Sie steigen in uralte Kulturen der Zeit zwischen 3000 vor und 500 nach Christi Geburt ein. Sogar das Thema Kindersterblichkeit wird angeschlagen.
Mit einigen anderen Museen im Münchner Kunstareal teilt das SMAEK die Attraktion, dass es sonntags nur einen Euro Eintritt kostet. Allein diese Tatsache könnte dazu beitragen, dass das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst – in unmittelbarer Nachbarschaft zur Film- und Fernsehhochschule an der Gabelsbergerstraße gelegen – gerade mit dieser neuen Sonderschau zum Ziel eines der nächsten geplanten Familienausflüge wird. Das Besondere an dieser Ausstellung: Die Erwachsenen können ihre Kleinen durchaus allein lassen – sie kommen mit Hilfe der bestens beschrifteten Entdecker-Tipps gut allein zurecht. Indessen steigen die Großen die Treppe einen Stock tiefer, um sich zum Beispiel einmal über die gerade aktuelle Problematik der christlichen Kopten zu informieren.
Bis 21. Juli ist das SMAEK der richtige Ort, um zu erfahren, wie die jungen Alten Ägypter lebten. Dienstag ist von 10 bis 20, Mittwoch bis Sonntag bis 18 Uhr geöffnet.
