Das explizite Zeitalter – Pornographie und Statistik

Schaufensterpuppen, Foto: Stefan Groß

Es geht voran

Nun gehen wir allesamt auf die 20er Jahre zu. Ob es die roaring twenties werden, wird man sehen. Wir alle wissen durch die medialen Dauerrückblicke, was markant an der jeweiligen Dekade war – seien es die 80er, 90er oder 00er Jahre. Man rechnet weniger in Jahren als in Jahrzehnten, erst dort ergibt sich ein signifikantes Muster.

Was ist der gemeinsame Nenner?

Die 10er Jahre waren ein explizites Do-it-yourself Jahrzehnt. Das Time Magazine kürte mit einem verspiegelten 2006 jedermann. „Du machst es selbst“ war damals schon die Botschaft, in weiser Voraussicht, was Vernetzung wirklich bedeutet. Jahre später war für die Kanzlerin Internet noch Neuland. Jeder, der einen Führerschein hat oder im Baumarkt einkauft, kann diese simplen Fähigkeiten für Amokläufe nutzen.

Do-it-yourself

Jeder, der gern filmt und Sex hat, kann dies kombinieren und in der Subkultur der Pornographie zum Starlet werden. Pornographie ist die Essenz der Jahre – hier kreuzen sich der do-it-yourself Gedanke und das Explizite. Es geht nicht um Lieben, sondern ums Ficken. Der kleinste gemeinsame Nenner.

Nacktheit

Nacktheit und Einfachheit als Ausdruck radikal-demokratischer Teilhabe. Die gemütliche Publizistik ist auf links gedreht worden. Etablierte Zeitschriften schrumpfen. Amateure an Laptops, die nach Feierabend eigene Blogs und Debattenforen bespaßen, haben an Macht gewonnen. Einige haben die Seite gewechselt oder sich neu erfunden. Fasst man alles zusammen, dürfte Akif Pirincci typisch für dieses Jahrzehnt sein. Die explizite Wucht seiner Verbalpornographie spaltet die Geister in solche, die ihn verachten und andere, die ihn lieben. Konfliktlinien brechen konsequent auf. Man mag davon halten, was man will, es passiert und gibt den 10er Jahren eine eigene Struktur, die nicht jedem gefallen mag.

Das statistische Zeitalter

Die explizite, pornographisch nackte Wissenschaft ist die Statistik. Spritzt man sein täglich Sperma zeitgemäß beim Anblick der Internetpornographie ab, verrät einem eine App danach, wie viele Handbewegungen man dabei vollzog, wie lange es dauerte beziehungsweise wie es um den eigenen Blutdruck danach bestellt ist. Algorithmen spüren auf, welcher Partner passt, und Statistiker äußern sich im Radio zu einem Werbespruch eines Portals, wonach sich alle 11 Minuten hier verliebt.

Die Bewertung der Bewertung – mehr Statistik geht kaum…

Messen und bewerten – der homo oeconomicus lebt. Keine Diagnose ohne Gegen-Check im Netz. Kein Arztbesuch bei einem unterdurchschnittlich bewerteten Medicus, kein Autokauf eines schlecht beleumundeten Wagens bei einem Händler mit zu wenigen Likes. Die Bedingungen der Möglichkeiten werden vorsortiert.

So wie Pinocchio zum richtigen Jungen wurde, ist Statistik zum Lebewesen geworden. Man mag dies mögen oder nicht – so ist es nun einmal.

 

 

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