Die Haltung des katholischen Soziallehrers August Pieper zum Nationalsozialismus

Kirche in Potsdam, Foto: Stefan Groß

Die Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen heißt seit 1953 „August-Pieper-Haus“ nach dem katholischen Soziallehrer August Pieper (1866 – 1942). In den letzten Jahren sind verschollen geglaubte Dokumente ans Tageslicht gekommen, die August Piepers Haltung zum Nationalsozialismus und zum Führerprinzip aufzeigen. Werner Neuhaus veröffentlicht darüber das Buch

August Pieper und der Nationalsozialismus:

Über die Anfälligkeit des Rechtskatholizismus für völkisch-nationalistisches Denken

welches am 27.10.2017 erscheinen wird. Eine Ebook-Ausgabe ist bereits auf dem Markt.

Das Bistum Aachen erklärt, dass Piepers Haltung nicht mit der (heutigen? damaligen?) katholischen Soziallehre übereinstimmt, auch wenn die katholische Soziallehre sich kaum wandelt. Die Bischöfliche Akademie in Aachen gibt den Namen ihres Tagungshauses auf. Das Bistum beschließt nach untätigen Jahrzehnten resolut: Schluss mit August Pieper!

Die Haltung Piepers zum Nationalsozialismus ändert sich nach 1933 nur geringfügig, jedoch konsequent. So bezeichnet Pieper schon ein Jahrzehnt vor der Machtergreifung Hitlers die Weimarer Republik als „Formdemokratie“. Erst ab 1933 rückt er etwas näher zur NS-Ideologie. Man kann Pieper als ideologischen „Märzgefallenen“ bezeichnen, als im Frühjahr 1933 viele zögerliche Antidemokraten der NSDAP beitreten. Pieper wird kein NSDAP-Parteimitglied. Pieper übernimmt auch nicht alle Ideologien des NS: Neben den Antipazifismus klammert er den Antisemitismus der NSDAP aus bis auf eine einzige relativ moderate, schriftlich nachweisliche Ausnahme. Auf Gewalt gegen Juden und anderen Personen, die nicht der „Volksgemeinschaft“ angehören, geht August Pieper niemals ein. Hingegen verlangt der Beitritt zur NSDAP den unbedingten Nachweis des Antisemitismus. Die persönliche oder politische Freiheit ist nach Ansicht Pieper nicht notwendig. Er behauptet sogar, dass NS-Ideologien im Neuen Testament in Jesus-Sprüchen zu finden sind.

Um sich als guter Nationalsozialist darzustellen, schreibt Pieper nach 1933, dass er bereits vor 1933 ein überzeugter Anhänger des NS gewesen sei, also bereits nach dem verlorenen Weltkrieg ein Nazi gewesen ist. Diese Behauptung entbehrt eines jeglichen Nachweises.

Nach 1933 spricht Pieper von der Notwendigkeit einer arischen Religion (deutsches Christentum mit einem deutschen Gott) und ihrer Befreiung von Juda, Moskau und Rom (sic!). Alleine diese Aussagen reichen wohl aus, August Piepers Namen aus der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen zu entfernen.

Während des Zweiten Weltkrieges betrachtet Pieper die Alliierten als Kriegstreiber. Pieper sieht nach dem Endsieg die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Katholiken mit Nationalsozialisten, da er – wie die meisten Deutschen – bis zu seinem Tod 1942 fest am Endsieg glaubt. So fordert er, dass die deutschen Katholiken gut behandelt werden sollen, denn diese wünschen „in Reich und Gemeinde als gleichberechtigte Bürger und Volksgenossen zugezogen zu werden bei allen Arbeiten für das Gemeinwohl.“ Nicht nur Pieper ist der festen Überzeugung, dass Katholizismus und Nationalsozialismus eine große gemeinsame Schnittmenge aufweisen. Der Nationalsozialismus ist eine Antibewegung gegen Liberalismus, Parlamentarismus, Kapitalismus und Sozialismus (Kommunismus, Bolschewismus). Der politische Katholizismus erkennt (bis heute) im Bolschewismus seinen größten Widersacher. Die Sozialdemokratie bezeichnet Pieper verächtlich als „Sozdie“, ähnlich dem heutigen „Sozi“. Pieper sieht sich als geistiger Brückenbauer zwischen Weimarer Republik und katholischer Kirche einerseits und dem Nationalsozialismus andrerseits. Bis zu seinem Tod hält er am theologischen Glauben fest, dass der NS-Staat die wahre Volksgemeinschaft verwirklicht. Sein Werk „Die Deutsche Revolution 1933“ beginnt mit den Worten: „Die Deutsche Revolution als Werk höherer Mächte.“

Dank den akkuraten und fleißigen Recherchen von Werner Neuhaus erkennen wir, dass Katholizismus und Nationalsozialismus / Faschismus hervorragend zusammenarbeiten. Deutschland unter Hitler, Italien unter Mussolini und Spanien unter Franco liefern Beweise in Form von Verträgen (Konkordaten) zwischen ihren Staaten und dem Vatikan, die bis heute gelten und von denen der Vatikan bis heute profitiert. Man stelle sich vor, das Münchener Abkommen würde noch heute Gültigkeit haben! Verträge zwischen dem Vatikan und Sozialistische Staaten sind nicht geläufig.

Selbstverständlich gibt es auch gravierende Unterschiede zwischen dem Katholizismus und dem Nationalsozialismus. Nach 1933 leidet Pieper darunter, da die Katholische Kirche ihn ins Abseits drängt. Ein möglicher Grund für den jetzigen „Schluss mit August Pieper!“ besteht darin, dass es der Katholischen Kirche Aachens und Deutschlands heute höchst unangenehm ist, an den real existierenden Gemeinsamkeiten zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus erinnert zu werden.

Zwischen der Katholischen Kirche und dem Nationalsozialismus gibt es auch formale Ähnlichkeiten. So endet die Herrschaft der Nazi- und Faschisten-Führer (Hitler, Mussolini, Franco) wie die des Papstes erst mit dem Tod. Eine vorzeitige Abwahl ist nicht vorgesehen. Ausnahmen wie der ehrbare Papst Benedikt bestärken die Regel.

Ein kurzer, eventuell oberflächlicher organisatorischer Vergleich zwischen Faschismus, Katholizismus und als weitere Religion das Judentum, lässt organisatorische Ähnlichkeiten erkennen, deren Bedeutung der Erforschung harren. Nicht nur Nazis und hohe katholische Würdenträger kleben an der Macht, sondern auch weit weniger bedeutende Vorsitzende Jüdischer Organisationen und Gemeinden in Deutschland. Einmal an der Macht wird diese nur mit beiden Beinen voraus notwendigerweise abgegeben. Hingegen ist die familiäre Vererbung politischer Macht über mehrere Generationen im Faschismus nicht offenkundig, ganz im Gegensatz zu Päpsten à la Borgia, Rabbiner-Dynastien und jüdischen Gemeindevorsitzenden.

Allgemein kann man feststellen, dass mangelnde oder gar fehlende Demokratie innerhalb einer Organisation zur Faschisierung der gesamten Organisation führt. Dass vor allem religiöse Organisationen befallen sind, ist sicher kein Zufall.

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.