Die Mitverantwortung des Patienten und das Fehlverhalten von Ärzten

Es dürfte sich um eine Binsenweisheit handeln, dass es sich bei der Medizin um ein zutiefst kommunikatives Fach handelt. Offensichtlich bedarf es aber in der heutigen Zeit eine ständige Wiederholung entsprechender Weisheiten um deren Gültigkeit wieder ins Gedächtnis rufen zu lassen. Oder sollte diese Problematik etwas mit dem neoliberalen Zeitgeist etwas zu tun haben welcher dazu führt, dass nunmehr auch bei den Hausärzten vermehrt Patienten lediglich als Fall behandelt werden?

Zum neoliberalen Zeitgeist ist zu bemerken, das bereits heute bei der Einstellung von Chefärzten in den Krankenhäusern Verträge unterschreiben müssen, welche wirtschaft- liche Zielsetzungen beinhalten. Darüber hinaus bieten Haus- und Fachärzte immer häufiger Leistungen an, welche von den Krankenkassen nicht bezahlt werden (IGL).

Das sich verantwortliche Ärzte mit der eigentlich fremden Logik der Ökonomie befassen müssen oder diese sich zu eigen machen, entspricht keineswegs der Ethik ihres Berufsstandes. Die negativen Auswirkungen bei der Behandlung der Patienten können als fatal zu bezeichnet werden.

In den 90er Jahren wurde eine Qualitätssicherungsdiskussion ausgelöst welche dazu führte, das die Ärzteschaft mit einer Flut von Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen geradezu überrollt wurde. Diese Leitlinien sollen der Verbesserung der medizinischen Ver- sorgung bei akzeptablen Kosten führen, was als deutliches Indiz dafür zu sehen ist, dass Kostengesichtspunkte zunehmend Eingang in die Qualitäts- und Standarddiskussion finden.

Die Diskussion um den medizinischen Standard nach den Stand der medizinischen Erkenntnis ist keineswegs neu. Allerdings, das die von medizinischen Fachgesellschaften entwickelten Empfehlungen auf Studien beruhen, welche von Pharmaunternehmen bezahlt wurden und werden kann als bedenklich eingestuft werden. Selbstverständlich sind Pharmaunternehmen daran interessiert, dass ihre Produkte entsprechend Erwähnung finden und somit zur Gewinnmaximierung beitragen können.

Formal gesehen sollen die Leitlinien für Ärzte unverbindlich sein und haben keine haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Man sollte jedoch keineswegs so „blauäugig“ sein, dass einem Mediziner im Gerichtsprozess bei Nichtbeachtung dieses nicht angekreidet werden kann.

In diesem Zusammenhang ist deutlich zu machen, dass es sich bei Patienten um Individuen handelt, welche unterschiedlich auf Behandlungsformen und Medikamente reagieren können und es in vielen Fällen absolut notwendig wird, von vorhandenen Standards abzuweichen. Demnach sind derartige Fälle vom Mediziner sehr sorgfältig zu dokumentieren was eine Methodik mit hohem Aufwand erforderlich macht. Es dürfte darüber hinaus bekannt sein, dass altbewährte Behandlungsformen und Medikamente keineswegs schlechter sein müssen als neue Produkte, welche wenig in der Praxis erprobt wurden.

Die Fach- und Hausärzte haben sich geradezu mit einem Bündel von Vorschriften und Gesetzen zu befassen. Insbesondere wenn man hierbei an die Vorschriften zur Aner- kennung des diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzens zwecks Abrechnungs- fähigkeit gegenüber den Krankenkassen denkt.

Eine permanente Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist aber maßgeblich über den Erfolg und Misserfolg einer Behandlung entscheidend und zudem zeitaufwendig. Die Hoffnung auf Gesundung ist das, was den Kranken trägt. Lediglich als Fall betrachtet und behandelt zu werden beinhaltet zumeist eine gewisse Lieblosigkeit welches als Gift für die Widerstandskraft eines Patienten in seiner schwierigen Situation anzusehen ist. Gelegentlich sind auch Verhaltensweisen zu beobachten, welche sich mit dem Begriff „Geschäft mit der Angst“ beschreiben lassen. Dieses kann dann für den Patienten in seiner schwierigen Situation prekäre Auswirkungen haben.

In vielen Fällen machen Patienten ihre Erfahrungen, welche sich mosaikartig Zusammen- setzen. Der Patient lernt, dass das Gesundheitswesen als solches mit Fehlern behaftet ist und es offenbar Propheten sind, die ihm Hoffnungen machen. Das entstehen eines Misstrauens führt verstärkt zu der Notwendigkeit für den Patienten sich der Mitverantwortung zu stellen und sich sachkundig zu machen; also sich nicht allein auf die ärztliche Heilkunde zu verlassen.

Es dürfte offensichtlich am neoliberalen Zeitgeist und den wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Zusammenhang bringen lassen, dass Ärzte Kassenpatienten gegenüber sehr deutlich machen, dass die Zeit für die Konsultation zeitlichen Beschränkungen unterliegt. Bereits bei Terminanfragen, insbesondere bei Fachärzten, erfolgt zunächst die Frage ob man Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse ist oder einer privaten Versicherung angehört. Spätestens jetzt bemerkt der Betroffene, dass man es in dieser Republik mit einem Gesundheitssystem zu tun hat, was als krank und getrost als Zweiklassensystem bezeichnet werden kann.

In der derzeitigen Situation wird immer häufiger der Fall als solches betrachtet, eine Anamnese wird, wenn überhaupt, nur rudimentär vorgenommen und eine ganzheitliche Betrachtung, welche über den scheinbaren Fall hinausgeht, unterbleibt. Für den Patienten tritt oftmals die groteske Situation ein, in der er die Diagnosen verschiedener Fachärzte selbst zusammenstellen muss um dieses Konvolut dann dem Haus- oder Vertrauensarzt vortragen zu können. Es ist festzustellen, dass viele Fachärzte oftmals eine Dokumentation über die Gesprächsinhalte einer Konsultation vernachlässigen, was dazu führt, dass der Patient ständig erneut seine Krankengeschichte vorzutragen hat. Es erscheint in vielen Fällen schon als außergewöhnlich, wenn ein behandelnder Arzt sich die Mühe macht, vor der Verschreibung eines Medikaments, eine intensive Untersuchung vorzunehmen.

Offensichtlich handelt es sich um ein verbreitetes Phänomen, das Ärzte es nicht mehr erlernt haben mit der Ganzheitlichkeit des kranken Menschen umzugehen. Die soziale Kompetenz im Umgang mit den Sorgen und Nöten der Patienten wird wohl nicht mehr gelehrt und im täglichen Beruf demnach auch nicht bewusst trainiert.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass offenbar der relevante Zusammenhang zwischen emotionalen und somatischen Komponenten nur noch selten beachtet wird.

Der gebildete Patient wird sich nicht nur auf andere verlassen. Er muss sich der Frage stellen welche Rolle er im Umgang mit seiner Krankheit spielen will und welchen Beitrag er selbst zur Bewältigung er zu leisten in der Lage ist. Es geht dabei um seine persönliche Mitverantwortung. Diesen Vorgang entsprechend zu unterstützen dürfte auch eine wichtige Aufgabe der behandelnden Ärzte sein und wird in sehr vielen Fällen sträflich vernachlässigt. Es könnte sich ja hieraus die Möglichkeit ergeben, die Kompetenz des Arztes zu hinterfragen. Eine unwürdige Behandlung kann auch darin bestehen, das Patienten lediglich mit Floskeln abgespeist werden und Kassenpatienten IGL in Anspruch nehmen, um bei kommenden Konsultationen eine größere Aufmerksamkeit zu erhaschen, da sie den wirtschaftlichen Interessen des Arztes entgegen kommen.

In diesem Zusammenhang sei aber auch erwähnt, dass es noch Haus- und Fachärzte gibt, welche sich der Ethik ihres Berufsstandes trotz aller Schwierigkeiten bewusst sind und entsprechend handeln. Allerdings sind es wohl die negativen Rahmenbedingungen welche dazu führen, dass diese immer mehr aussterben. Die Medizin als solches verkommt immer mehr zum Gewerbe was dazu führt, dass arme Menschen in der Tat früher sterben müssen.

Eine unwürdige Behandlung kann auch darin bestehen, dass aus Unwissenheit nicht alle Möglichkeiten der Therapie ausgeschöpft werden. Dieses bedeutet, das derjenige wer nicht dazu in der Lage ist sich die notwendigen Informationen zu beschaffen dieses u. U. mit einer verkürzten Lebensdauer zu bezahlen hat. Es ist erschreckend wie Gedanken- losigkeit, Zeitmangel und die Unorganisiertheit und die überbordenden patientenfremden wirtschaftlichen Interessen die Würde des kranken Menschen antasten,, was im traditionellen Sinn des Wortes unethisch ist.

Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich bei der Ärzteschaft um Akademiker handelt. Deshalb ist es bemerkenswert, dass viele sich von selbsternannten Controllern die Therapiefreiheit Scheibchenweise abnehmen lassen und zum willigen Werkzeug von profitgierigen Pharmaunternehmen, welche ein merkwürdiges korruptionsähnliches Verhältnis zur Politik unterhalten, machen lassen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass die GKV lediglich Probleme mit den Einnahmen haben, welche über den Gesundheitsfonds ausgeschüttet werden und maßgeblich von den Zuweisungen des Bundes für versicherungsfremde Leistungen abhängig sind. Auch die Deckelung der Krankenkassenbeiträge dürften dazu führen, dass weiterhin Zusatzbeiträge erforderlich werden.

Literaturhinweis: Christoph Lohfert: Well du arm bist musst du früher sterben, Der ohnmächtige Patient. Piper, München

Rainer Westphal: DieÖkonomisierung der Medizinoder die Mutation dieser zum Gewerbe, https://www.tabularasamagazin.de/artikel/artikel_5875/?ref=rss

Über Westphal Rainer 94 Artikel
Rainer Westphal, geboren 1944, ist seit 2 Jahren freiberuflich auf dem Sektor „Betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung“ mit dem Schwerpunkt Controlling tätig. Nach Abschluss der Mittleren Reife studierte er nebenberuflich Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Arbeitsrecht. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Geld- und Devisenhandel verfügt er über entsprechende interne Branchenkenntnisse.

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