Die neue Basta-Republik – Der unmündige Bürger

Inmitten der Flüchtlingskrise samt dem schwindelerregenden Aufstieg der AfD feiert ein neuer Kommando- und Befehlston bei den etablierten Regierungsparteien Konjunktur. Der pluralistische Diskurs verkommt zur Meinungsdiktatur, die all jene abkanzelt, die eigenständig denken und all jene entmündigt, die nicht dem politischen Diktat folgen. Mag man über die AfD denken, was man will, mir ist sie sogar höchst unsympathisch, aber die ewigen Fingerzeige der politischen Klasse schüren ein Ressentiment, das ihnen selbst wie ein kalter Wind wieder ins Gesicht zurückbläst.

Die neue Basta-Politk

Die Zeiten des Gerhard Schröders sind vorbei. Seine Basta-Politik ist geblieben und prägt den Bevormundungsstaat. Dabei spielen alle politischen Couleurs die gleiche Karte, egal ob Politiker der Union, der SPD, der Grünen, der DIE LINKEN oder neuerdings der AfD.
Die Basta-Politik von Angela Merkel kommt metaphysisch aufgeladen daher, ignoriert die Stimme des Volkes, dessen Meinung nicht mehr willkommen ist, die es zumindest zu reglementieren gilt – ganz getreu dem Motto „was […] nicht sein kann, was nicht sein darf“, wie Christian Morgenstern in seinem Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ schrieb. Was nicht ins Bild der politischen Agenda passt, wird schlichtweg für falsch erklärt. Aus dem Pluralismus der Meinungen, von der eine Demokratie lebt, wird so eine Gehorsamsdiktatur, die zur Entpolitisierung oder Radikalisierung führt.

Gewünscht ist der Untertan


Gewünscht ist nicht der kritische Zeitgeist, der freie aufgeklärte Bürger, sondern der Untertan. Heinrich Mann hatte bekanntlich 1914 sein Buch „Der Untertan“ geschrieben und die Romanfigur Diederich Heßling als Beispiel eines konformen Menschen charakterisiert, der obrigkeitshörig ist, feige und ohne Zivilcourage, der konformistische und loyalste Mitläufer im deutschen Kaiserreich. Heßling war für Mann der Prototyp des aufkommenden Faschismus, jener anpassungsfähige und adaptionsfreudige Mensch, der blindlings folgt, ein Mensch also, den man nicht haben mag. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute wünscht man sich die Adaptionsfreudigen, die im blinden Trott den Imperativen der Macht Gehorsam leisten. Vergessen die Rede von Transparenz, Partizipation am Politischen und dialogischem Prinzip. Statt Dissens – Konsens, statt Polyphonie – Univozität.

Deutschland ist kein Mitmachland mehr

Deutschland ist kein Mitmachland mehr. Die Politik, die einst die Kunst des Machbaren war, ist zur Autokratie verkommen, die sich im Apodiktischen erschöpft: Die Direktive kommen von oben. Es muss nichts erklärt oder kommuniziert werden – der Befehl allein genügt. Wer gegen die Flüchtlingspolitik ist, läuft gegen den Mainstream, gegen die politische Korrektheit. Wer den EU-Beitritt der Türkei kritisiert, weil dort ein Autokrat regiert, der die Menschenrechte mißachtet, ist ebenfalls blamiert, weil er nicht versteht, dass die Mißachtung regionaler Menschenrechte möglicherweise die Voraussetzung für universales Menschenrecht sein soll, an das sich dann auch die Türkei anschließt. Vorerst ist die Kritik an der Türkei unerwünscht und wer Widerspruch einlegt erweist sich als Störenfried „wohlbedachter Außenpolitik“. In Sachen Menschenrechtsverletzung herrscht Friede, Freude, Merkelharmonie.

Der ewige Ja-Sager

Man will ein Volk von Ja-Sagern, das in den politischen Diskurs einstimmt. Doch schon Friedrich Nietzsche hat in seinem „Also sprach Zarathustra“ diesen Typus als den schiersten Ausdruck der „Herdenmoral“ des schwachen Ich blamiert. Für den Philosophen stand bekanntlich der Letzte Mensch für jenen Typus des „christlich-demokratisch-sozialistischen“ Menschen und damit für das schwächliche Bestreben nach Angleichung der Menschen untereinander, für die uniforme Gesinnungsherde. Menschen also, die sich möglichst risikolos, einem langen und „glücklichen“ Leben ohne Härten und Konflikten überlassen, die aber auch „keinen Stern mehr gebären“ können und damit die Fähigkeit verlieren, kreativ zu sein und zu denken.

Der neue Paternalismus

Man will nur das Beste für das Volk, so lautet das Argument der politischen Führungselite. Doch die Technik der Macht, die dahintersteht, ist ein neuer Paternalismus, der davon ausgeht, dass sich das demokratische Dogma längst überlebt hat und politische Entscheidungen letztendlich nur von Experten getroffen werden können. Sie allein, die neuen Bevormunder, sind in der Lage den Menschen, die nicht wissen was gut für sie ist, zu regieren. Angela Merkel hat dies verinnerlicht, sie ordnet die sinnliche durch ihre überkomplexe Welt. Ein Verhaltenskanon, ein Netz von Vorschriften und Geboten, wie man sich verhalten soll, regelt die Existenz jedes Einzelnen und bestimmt den Staat als einen, der sich in alles einmischt, der die persönliche Freiheit bevormundet, um die Bürger einerseits zu besseren Menschen zu erziehen und andererseits die Aufgabe übernimmt, diesen willensschwachen Geist vor sich selbst zu schützen.

Mehr DDR war nie

Mehr DDR war nie. Auch in de heutigen Bundesrepublik existiert eine Art von Sozial-und Betreuungstechnik mit einer dahinterliegenden subtilen Anleitung, wie das Leben besser zu gestalten sei. Dies funktioniert aber nur, wenn man die Bürger, so wie in der ehemaligen DDR, ihrer bürgerlichen Freiheiten entkleidet, sie entwilligt, weil man ganz verständlich davon ausgeht, dass ihnen ihre individuelle Freiheit unerträglich und unzuträglich ist und man diese durch eine beschränkte Wahlfreiheit ersetzen müsse. Inkompetenzverwaltung oder Vormundschaft für die Unmündigen. Wohlmeinende Politiker mit Richtungskompetenz entscheiden, was gut für uns ist. Die Politik wird so zum Glückanleitungsangebot, degeneriert zu einem demokratischen Despotismus, zu einer als Wohltat getarnten möglichen Tyrannei. Das System Merkel hat die von der SED 1954 formulierten Maximen zur moralischen Stärkung der mittlerweile im Geschichtsmüll versunkenen DDR reaktiviert. Dort hieß es: Die Stärke der Massen liegt in ihrem Zusammenschluss mit der Partei“ und Die Stärke der Partei liegt in ihrer unlösbaren Verbundenheit mit den Massen“. Anders gesagt: Nur wer sich der Partei, also Angela Merkel in Personalunion unterwirft, denn sie ist die Partei, dem ist das lebensweltliche Heil sicher.

Der Fall Böhmermann

Schlechte Karten hat allerdings der, der sich der Politischen Korrektheit entzieht und selbstbewußt den türkischen Präsidenten Erdoğan – wie im Fall des Satirikers Jan Böhmermann – mit einem im ZDF ausgestrahlten und dann wieder gestrichenen Schmähgedicht überzieht. In so einem Fall schlägt die Stunde der Agitatorin, der Bevormundungsstaat reagiert unmittelbar und stigmatisiert solches Benehmen als „bewusst verletzend.“ Telefonisch wird der Schulterschluß mit dem neuen Verbündeten initiiert, der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu um Verzeihung gebeten und darauf verwiesen, dass auch die Bundesregierung, die großen Wert auf die Presse- und Meinungsfreiheit legt, mitteilt, dass der Kritik Grenzen gesetzt sind. Böhmermann hat mit seinem Gedicht den türkischen Präsidenten persönlich verletzt, der darauf hin moralische Unterstützung von der Kanzlerin einklagte. Merkel hat reagiert, doch nicht für die Pressefreiheit, sondern zugunsten des höchst umstrittenen Despoten aus Ankara. Die Zensur ist wieder einmal nach Deutschland zurückgekehrt – und dies im Namen der Freiheit.

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2124 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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