Führt die „Nuklear-Allianz“ unter Führung Frankreichs letzendlich zum Ende des „Green Deal“ der EU?

frankreich fahne flagge heimat länder, Quelle: 0fjd125gk87, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat in letzter Zeit wiederholt versucht, in der Energie- und Klimapolitik gegenüber dem aktivistischen Overkill der gegenwärtigen EU-Kommission „Zeichen“ zu setzen (wie man so schön sagt), indem er eine „regulatorische Pause“ forderte und potentielle Groß-Investoren mit dem Ziel einer „Reindustrialisierung“ Frankreichs zu pompösen Treffen im Pariser Elysée-Palast und im Schloss von Versailles einlud. Während die Initiativen Macrons in den deutschen Mainstream-Medien kaum erwähnt wurden, sahen nicht nur anglo-amerikanische, sondern auch (staatlich subventionierte) französische Mainstream-Medien darin eine grundsätzliche Infragestellung der „Klimapolitik“ der EU (so Laszlo Trankovits am 17. Mai in „Tichys Einblick“).

Dieser Eindruck wird verstärkt durch die offenbar von Frankreich im Verein mit einer „Atom-Allianz“ mitteleuropäischer Staaten jüngst organisierte Blockade der Abstimmung über die Umsetzung des „Green Deal“ der EU in der Energiepolitik. Die Delegierten des Europaparlaments und der EU-Ministerrat hatten sich Ende März 2023 darauf geeinigt, dass bis zum Jahre 2030 42,5 Prozent und bis zum Jahre 2035 60 Prozent der in der EU eingesetzten Energie aus „erneuerbaren“ Quellen, d.h. Wind-, Solar- und Wasserkraft stammen müssen. Frankreich konnte nicht durchsetzen, dass die Kernkraft im Rahmen der EU-offiziellen Taxonomie generell als „grün“ eingestuft wurde. Nun geht es der französischen Regierung darum, wenigstens sicher zu stellen, dass der mithilfe der Kernenergie vergleichsweise günstig erzeugte Wasserstoff weiterhin in der Industrie verwendet werden kann. (Dabei steht außer Frage, dass Wasserstoff wegen der ungünstigen Energiebilanz seiner Herstellung kaum als universeller Energieträger geeignet ist.)

Am 16. Mai 2023 haben sich Vertreter der 16 zur „Alliance du nucléaire“ gehörenden EU-Mitgliedsstaaten (plus als Gastland das Vereinigte Königreich) sowie die für Energie zuständige EU-Kommissarin Kadri Simson auf Einladung der französischen Energiewende-Ministerin Agnès Pannier-Runacher in Paris getroffen und dort eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Darin erhoffen sie sich die Schaffung von 300.000 Arbeitsplätzen durch den Bau neuer Kernkraftwerke und einen Beitrag von 92 Milliarden Euro zum europäischen Bruttoinlandsprodukt. Bis zum Jahre 2050 soll der Anteil der Kernkraft am Energiemix der EU von 100.000 auf 150.000 Gigawatt steigen. 30 bis 45 neue große Kernreaktoren und daneben auch modulare Kleinreaktoren sollen gebaut werden. Allein in Frankreich steht der Bau von sechs Kernkraftwerken vom Typ EPR2 an. Die französische Nationalversammlung ebnete vor kurzem der Umsetzung des von Präsident Macron schon im vergangenen Jahr angekündigten Vorhabens den Weg, indem sie einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für neue Kernkraftwerke zustimmte.  Bleibt die „Allianz“ bei ihrer Haltung, bedeute das das Ende des „Green Deals“ der EU.

Dennoch zweifeln viele französische Befürworter der Kernkraft an Macrons Durchsetzungswillen. Michel Gay fragt im liberalen Online-Magazin „Contrepoints“ warum Macron der vorzeitigen Stilllegung des Kernkraftwerks Fessenheim zugestimmt hat. Dafür gebe es keine technischen, sondern höchstwahrscheinlich nur obskure politische Gründe. Hier zeigt sich Macrons Argumentations-Stil. (Ich spreche hier nicht von Kommunikation.) Immer wenn er etwas Richtiges verkündet, folgt fast im gleichen Atemzug das Gegenteil. Lange (zu lange?) ist Macron mit seinem verbalen Versuch, gleichzeitig („en même temps“) beide Seiten der politischen Auseinandersetzung zu bedienen, bei seinen Anhängern und Wählern einigermaßen durchgekommen.

Deshalb weicht Macron auch bei den mehr oder weniger pompösen Treffen mit potenziellen ausländischen Investoren (allen voran Elon Musk) unter dem Motto „Choose France“ wie jüngst im Schloss Versailles nicht von dieser Zweigleisigkeit bzw. Doppelzüngigkeit ab. Über allem steht das politisch-korrekte Bekenntnis zur „Dekarbonisierung“ – vielleicht verbunden mit dem diskreten Hinweis, dass diese in Frankreich (dank der Kernenergie) preisgünstiger zu haben ist als anderswo. Aber er hütet sich vor einem klaren Bekenntnis zum Ausbau der Kernenergie. Vielleicht rührt das daher, dass die größten Vermögensverwalter der Welt wie BlackRock, Vanguard, State Street und andere noch immer nicht bereit sind, den angekündigten Bau neuer Kernkraftwerke zu finanzieren.

In den französischen Staatsmedien und den staatlich subventionierten Privatmedien dominiert aktuell Klima-Angst-Propaganda der übelsten Sorte. Jede Laune des Wetters wie die Trockenheit im Süden des Landes oder die Überschwemmungen in Norditalien oder auch die anschwellende Zahl illegaler Einwanderer wird mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 4 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts gilt als feste Größe. Bei der Frage, wie diese Entwicklung zu bremsen sei, überwiegen Antworten, die uns bekannt vorkommen: Einbau von Wärmepumpen anstelle von Öl- und Gasheizungen, Verzicht auf Fleischkonsum usw. Gerade hat der französische Rechnungshof gefordert, Frankreich müsse die Zahl seiner Weiderinder drastisch senken und stattdessen mehr Kunstfleisch auf der Basis von Zellkulturen produzieren, um die Freisetzung des „Treibhausgases“ Methan zu reduzieren. (Bis jetzt ist der „ökologische Fußabdruck“ von Kunstfleisch allerdings noch größer als der von extensiv gehaltenen Weiderindern.)

Der bekannte liberale Ökonom Jacques Garello, emeritierter Professor der Universität von Aix-en-Provence, ist hingegen überzeugt, dass das größte Hindernis für Investitionen in Frankreich die nach wie vor überbordende Bürokratie ist. Diese sei auch dafür verantwortlich, dass Jahr für Jahr die am besten Ausgebildeten Frankreich den Rücken kehren.

Quelle: Gaertner.de