Französischer Präsident Emmanuel Macron erhält Karlspreis 2018 in Aachen

Europafahne; Foto: Stefan Groß

Für seine Verdienste um die Europäische Union wird der französische Staatspräsident Emmanuel Macron mit dem diesjährigen Karlspreis ausgezeichnet. Wir drucken hierseine Rede in der Sorbonne nachmals ab. Darin forderte der Politiker dazu auf, Europa völlig neu zu denken.

Ich bin gekommen, um über Europa zu sprechen. „Schon wieder“, werden einige sagen. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, denn ich werde damit weitermachen, da doch unser Kampf genau darin besteht. Es ist unsere Geschichte, unsere Identität, unser Bezugspunkt. Es beschützt uns und es bietet uns eine Zukunft.

„Jetzt schon? Ist das notwendig?“, werden andere sagen. Denn für sie ist nie der richtige Zeitpunkt, um von Europa zu sprechen. Es ist immer zu früh oder schon zu spät. Sie haben sich an diese Taktik gewöhnt. Es ist so viel einfacher, niemals zu erklären, wohin man möchte, wohin wir unsere Völker führen möchten, und bei versteckten Argumenten zu bleiben, weil man einfach das Ziel aus den Augen verloren hat. Es ist so viel angenehmer, in ganzen Sitzungen über Instrumente zu diskutieren, ohne genau zu wissen, wohin wir gehen.

Jeder ist also daran gewohnt, nicht mehr zu sagen, was er denkt, was er sich wünscht, und dabei Glauben macht, dies sei eine Taktik. Die Erfahrung zeigt, dass dies nirgends hinführt.

Hierüber n der Sorbonne zu sprechen, ist sehr sinnvoll. Wir alle sind uns des Prestiges dieses Hörsaals bewusst. Aber die Sorbonne ist nicht erst mit diesem ehrwürdigen Gebäude entstanden. Es war zunächst Idee, getragen von einigen Gelehrten und ihren Schülern, die auf Stroh sitzend ihre Zukunft gestalteten.
Dieser Hörsaal allein macht nicht die Sorbonne aus. Dass sie heute lebendig ist, verdankt sie der Vorstellung, die sich ihre Professoren und Schüler vom Wissen machen: Eine Idee deren Kraft acht Jahrhunderte überdauert hat. Europa ist ebenfalls eine Idee, getragen seit Jahrhunderten von Vorreitern, Optimisten und Visionären, und diese müssen wir uns immer mehr und ohne Unterlass aneignen. Die schönsten Ideen, die uns voranbringen, die das Schicksal der Menschen verbessern, sind immer zerbrechlich. Und Europa wird nur von der Vorstellung leben, die wir uns von ihm machen. Es liegt an uns, es mit Leben zu füllen, es immer schöner und stärker zu machen, uns nicht von der Gestalt abhalten zu lassen, die ihm von den historischen Umständen gegeben wird. Denn diese Gestalt vergeht, doch die Idee bleibt und sein Ziel muss das unsere sein.
Robert de Sorbon vertrat die Idee des partnerschaftlichen Zusammenlebens. Und von überall her strömten die Intellektuellen und die Gelehrten, die den europäischen Gedanken schmiedeten. Über Kriege und Krisen hinweg, über die Unwägbarkeiten der Geschichte hinweg, die Europa erschüttert haben, hörte dieser Gedanke nicht auf zu wachsen und zu strahlen. Und dort, wo das Chaos hätte triumphieren können, hat die Zivilisation immer den Sieg errungen.
Wir sind die Erben dieser ganzen Geschichte. Wir sind die Erben zweier Explosionen, die Nacht über unser Europa hätten bringen müssen. Ich spreche von denen des vergangenen Jahrhunderts, den beiden Weltkriegen, die Europa dezimiert haben und die uns hätten verschlingen können. Doch gemeinsam haben wir die Prüfung gemeistert, ohne jemals die Lektionen daraus zu vergessen. Die Idee hat über die Ruinen triumphiert. Der Wunsch nach Brüderlichkeit war stärker als Rache und Hass.

Durch die Klarsicht der Gründerväter wurde dieser Jahrhunderte alte Kampf um die Vorherrschaft in Europa in eine brüderliche Zusammenarbeit umgewandelt, beziehungsweise in friedliche Rivalität. Hinter der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl oder dem Binnenmarkt stand bei diesem Projekt das Versprechen auf Frieden, Wohlstand und Freiheit.

Als eine Generation später Griechenland, Spanien und Portugal in den Binnenmarkt eintraten, waren dies keine technischen Begriffe. Für jeden von ihnen, die sie die Diktatur überwunden hatten, enthielten sie Freiheit. Und als das, was man damals Osteuropa nannte, also von Polen bis nach Bulgarien, diesem Projekt eine weitere Generation später beitrat, hat uns derselbe Hoffnungsstrahl angetrieben. Es galt, eine 1947 begonnene Geschichte endlich zurechtzurücken. Für zahlreiche Länder, die schlimmste Unterdrückung erfahren hatten, erschien der Beitritt zur Europäischen Union wie ein nie gekanntes Versprechen auf Emanzipation.

Zweifellos hat man nicht genug bedacht, dass dieses ideale Europa geschützt heranwuchs. Zunächst geschützt vor dem Rest der Welt. Seine Sicherheit war nicht seine Angelegenheit: gewährleistet von Amerika. Seine Wirtschaft kannte bereits den zu verfolgenden Weg: Amerika einholen. Es war auch vor der Bevölkerung geschützt. Das im Entstehen begriffene europäische Projekt bestand für einige Wenige in der Aufgabe, einen zerrissenen Kontinent durch die Überwindung populistischer Leidenschaften wieder zusammenzuführen.
Das vitale Interesse besteht noch immer. Doch die Dämme hinter denen sich Europa entfalten konnte, sind verschwunden. Hier ist es nun, geschwächt den Stürmen der Globalisierung ausgesetzt, und was ohne Zweifel noch schlimmer ist, Ideen ausgesetzt, die sich als bessere Lösungen präsentieren.

Diese Ideen haben einen Namen: Nationalismus, Identitarismus, Protektionismus und Souveränismus durch Abschottung. Diese Ideen, die so oft die Flammen entfacht haben, in denen Europa hätte untergehen können, treten in jüngster Zeit im neuen Gewand in Erscheinung. Sie nennen sich legitim, weil sie die Angst der Bevölkerung zynisch ausnutzen. Zu lange haben wir ihre Macht ignoriert. Zu lange waren wir uns sicher, dass die Vergangenheit uns nicht mehr einholt, haben wir gedacht, dass wir die Lektion gelernt hätten. Wir haben gedacht, dass wir uns in der Trägheit, in der Gewohnheit einrichten können, dass wir dieses Ziel ein wenig aus den Augen verlieren können, diese Hoffnung, die Europa tragen sollte, weil sie zu einer Selbstverständlichkeit geworden war, deren Faden wir verloren hatten.

Doch die traurigen Leidenschaften Europas sind sehr wohl da, sie rufen sich uns in Erinnerung und üben Faszination aus. Sie schaffen es, die Schar von Unglücken vergessen zu machen, die ihnen in der Vergangenheit immer gefolgt sind. Sie beruhigen und – ich wage es auszusprechen – sie können schon morgen den Sieg erringen. Nicht, weil die Bevölkerung leichtgläubig ist! Nicht, weil die europäische Idee tot ist! Sondern weil wir aus Unachtsamkeit, Schwäche oder Blindheit die Voraussetzungen für ihren Sieg geschaffen haben. Weil wir vergessen haben, den Faden für dieses Ziel vorzugeben! Weil wir vergessen haben, Europa zu verteidigen! Weil wir vergessen haben, Vorschläge für Europa zu machen! Weil wir zugelassen haben, dass sich Zweifel einnisten.
Was sagen sie unseren Bevölkerungen? Dass sie die Lösung haben. Dass sie schützen. Doch angesichts welcher Herausforderungen? Alle Herausforderungen, die uns bevorstehen – von der Klimaerwärmung bis zum digitalen Wandel über die Migration, den Terrorismus – all das sind globale Herausforderungen, auf die eine Nation, die sich in sich selbst zurückzieht, nur ungefähr und insgesamt wenig reagieren kann.

Sie belügen die Bevölkerung, aber wir haben es zugelassen, weil wir die Vorstellung verbreitet haben, dass Europa eine ohnmächtige Bürokratie geworden sei. Wir haben überall in Europa erklärt, dass, wenn es Zwänge gab, diese europäisch waren! Als die Ohnmacht an die Tür klopfte, waren es nicht wir, sondern Brüssel! Dabei vergessen wir, dass wir Brüssel sind, immer! Wir haben nichts mehr vorgeschlagen, wir wollten nicht mehr. Ich überlasse nichts denen, die Hass, Spaltung oder nationale Abschottung versprechen. Ich überlasse ihnen keinen einzigen Vorschlag. Es liegt an Europa, Vorschläge zu machen. Es liegt an uns, diese zu tragen, jetzt und sofort.

Ja, wir können es uns nicht erlauben, dieselben Gewohnheiten, Politikstrategien, Begrifflichkeiten und Budgets beizubehalten. Wir können auch dem Weg der nationalen Abschottung nicht mehr folgen. Das wäre ein kollektiver Untergang. Wir dürfen uns von der Illusion der Abschottung nicht einschüchtern lassen! Und indem wir diese Lüge ablehnen, sind wir auf der Höhe unserer Zeit, ihrer Dringlichkeit und ihrer Schwere.

Es liegt an uns und an euch, den einzigen Weg, der unsere Zukunft sichert, zu ebnen, und davon möchte ich heute sprechen. Es ist die Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europa. Haben wir gemeinsam den Mut, uns diesen Weg zu bahnen. Wie ich den Franzosen gegenüber in jedem Augenblick dazu stand, so sage ich es heute mit ungebrochener Überzeugung: Das Europa, wie wir es kennen, ist zu schwach, zu langsam, zu ineffizient, aber allein Europa kann uns eine Handlungsfähigkeit in der Welt geben angesichts der großen Herausforderungen dieser Zeit.

In einem Wort: Allein Europa kann tatsächliche Souveränität gewährleisten, das heißt, die Fähigkeit, in der heutigen Welt zu bestehen, um unsere Werte und unsere Interessen zu verteidigen. Es gilt, eine europäische Souveränität aufzubauen und es besteht eine Notwendigkeit, sie aufzubauen. Warum? Weil das, was unsere Identität ausmacht, was unsere tiefe Identität prägt, dieses Wertegleichgewicht, dieses Verhältnis zur Freiheit, zu den Menschenrechten, zur Gerechtigkeit ist etwas nie Dagewesenes auf diesem Planeten. Die Treue zur Marktwirtschaft, aber auch die zur sozialen Gerechtigkeit ist ebenso wichtig. Was Europa darstellt, können wir nicht blind übertragen, weder auf die andere Seite des Atlantiks noch auf die Grenzen zu Asien. Es liegt an uns, es zu verteidigen, und es in der Globalisierung aufzubauen.

Anstatt also all unsere Energie auf unsere inneren Spaltungen zu konzentrieren, wie wir es nun schon viel zu lange machen, anstatt unsere Debatten in einem europäischen Bürgerkrieg zu verlieren – denn darum handelt es sich bei den Haushalts-, Finanz- und Politikdebatten –, müssen wir eher darüber nachdenken, wie wir Europa stärker machen in der Welt, wie sie ist, und wie wir die sechs Schlüssel der Souveränität gestalten können, die unerlässlich sind für den Erfolg.

Angesichts jeder einzelnen dieser Herausforderungen müssen wir nunmehr konkrete Maßnahmen ergreifen. Das erste Schlüsselelement – die Grundlage jeder politischen Gemeinschaft – ist die Sicherheit. Wir erleben in Europa zweierlei Entwicklungen: einen fortschreitenden, unausweichlichen Rückzug der Vereinigten Staaten sowie ein dauerhaftes Terrorismusphänomen, das wohl unsere freien Gesellschaften zu zerschlagen sucht. Europa ist sich in diesen Bereichen endlich seiner Schwachpunkte und der Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns bewusst geworden. So müssen wir die zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und terroristischer Propaganda im Internet angefangenen Arbeiten ausweiten. Damit haben wir begonnen – einige von uns. Wir müssen unsere Cybersicherheit verstärken und einen gemeinsamen Raum der Sicherheit und des Rechts schaffen.

Auf dem Gebiet der Verteidigung muss unser Ziel darin bestehen, dass Europa, ergänzend zur NATO, selbständig handlungsfähig ist. Der Grundstein für diese Autonomie wurde gelegt, und in den vergangenen Monaten sind hierbei Fortschritte von historischem Ausmaß erzielt worden. Im Juni haben wir die Grundlagen für dieses Europa der Verteidigung geschaffen: eine dauerhafte strukturierte Zusammenarbeit, durch die wir uns stärker engagieren, gemeinsam voranschreiten und uns besser koordinieren können; aber auch einen Europäischen Verteidigungsfonds, um unsere Verteidigungsfähigkeiten und unsere Verteidigungsforschung zu finanzieren. Im Zuge des Austausches mit denjenigen Mitgliedstaaten, die in diese Richtung vorankommen möchten, füllen wir diesen unverzichtbaren Grundstein nun mit Inhalten.

Doch wir müssen noch weiter gehen. Woran es Europa, diesem Europa der Verteidigung, heute am meisten fehlt, ist eine gemeinsame strategische Kultur. Unsere Unfähigkeit, gemeinsam überzeugend zu handeln, gefährdet unsere Glaubwürdigkeit als Europäer. Unsere Kultur ist nicht dieselbe, weder die parlamentarische, noch die geschichtliche, noch die politische, und selbst unsere Empfindlichkeiten sind nicht dieselben. Und dies werden wir auch nicht von heute auf morgen ändern. Doch ich schlage vor, mit dem Aufbau einer solchen gemeinsamen Kultur jetzt sofort zu beginnen, und zwar durch eine europäische Interventionsinitiative für die Entwicklung dieser gemeinsamen Strategiekultur.

Um diese Annäherung zu erreichen, brauchen wir eine tiefgreifende Veränderung. Ich schlage unseren Partnern deshalb vor, in unsere jeweiligen nationalen Streitkräfte – und mit dieser Initiative beginne ich bei unseren französischen Streitkräften – Soldaten aus allen europäischen Ländern aufzunehmen, die sich so früh wie möglich an unseren Arbeiten zur Vorausschau, Erkenntnisgewinnung, Planung und Unterstützung von Operationen beteiligen wollen. Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts sollte Europa dann über eine gemeinsame Einsatztruppe, einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt und eine gemeinsame Handlungsdoktrin verfügen.

Ich möchte, dass diese gemeinsame Kultur sich in der Terrorismusbekämpfung auch auf unsere Nachrichtendienste erstreckt. Ich wünsche mir daher die Schaffung einer Europäischen Akademie für nachrichtendienstliche Tätigkeit, um die Bande zwischen unseren Ländern durch Ausbildungs- und Austauschmaßnahmen zu stärken.

Im Angesicht der internationalen Dimension des Terrorismus muss das Europa der Sicherheit unser Schutzschild sein. Überall in Europa sickern sie ein, haben hier ihre Verzweigungen – gemeinsam müssen wir darum handeln. Von der Prävention bis hin zur Strafverfolgung. Deshalb müssen wir eine Europäische Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität und Terrorismus schaffen, die über die derzeitigen Kompetenzen hinausgeht, welche jüngst festgelegt wurden.

Sicherheit hat, wie wir in den vergangenen Tagen schmerzlich feststellen mussten, nicht nur mit Bomben und Kalaschnikows zu tun. Auch der Klimawandel bedroht unsere Sicherheit stärker denn je und kostet Woche für Woche in Europa Menschen das Leben. Deshalb möchte ich, dass wir eine Europäische Zivilschutztruppe schaffen können, in der wir unsere Rettungs- und Einsatzmittel bündeln, so dass wir auf die Katastrophen reagieren können, die immer weniger natürlichen Ursprungs sind: von Bränden bis zu Wirbelstürmen, von Überschwemmungen bis zu Erdbeben.

Ein Europa, das zusammensteht, um Menschen zu schützen, einzugreifen, Leben zu retten, das ist ein Europa, das den Sinn für diese Brüderlichkeit wiederfindet, die wir in dessen Mittelpunkt gestellt haben, das sich aus seinen Beschwörungen löst, um konkret zu handeln und zu zeigen, welche Kraft im gemeinsamen Handeln steckt.

In der Sicherstellung unserer Souveränität liegt das zweite Schlüsselelement auf europäischer Ebene, das bedeutet: unsere Grenzen sichern und zugleich unsere Werte bewahren. Die Migrationskrise ist keine Krise, vielmehr handelt es sich hier um eine Herausforderung, die lange währen wird. Diese Herausforderung ist aus den tiefgreifenden Ungleichheiten der Globalisierung erwachsen. Und Europa ist keine Insel. Hier sind wir, und unser Schicksal ist mit dem des Nahen und mittleren Ostens sowie mit dem Afrikas verknüpft. Angesichts dieser Herausforderung müssen wir auch hier auf europäischer Ebene agieren. Nur mit Europa werden wir unsere Grenzen wirksam schützen, Asylberechtigte würdig aufnehmen, sie wirklich integrieren können und zugleich schnell diejenigen zurückschicken, die kein Anrecht auf diesen Schutz besitzen.

Solange wir zulassen, dass einige unserer Partner von einem Massenzustrom überschwemmt werden, ohne dass wir ihnen bei der Sicherung ihrer Grenzen helfen, solange unsere Asylverfahren weiter langsam und uneinheitlich sind, solange wir unfähig sind, gemeinsam die Rückführung nicht asylberechtigter Migranten zu organisieren, solange wird es uns gleichermaßen an Effizienz wie an Menschlichkeit mangeln.

In den kommenden Jahren muss Europa damit zurechtkommen, dass hierin seine größte Herausforderung liegt. Und wir haben nur eine einzige Wahlmöglichkeit, eine einzige Alternative: entweder schotten wir uns hinter unseren Grenzen ab, was gleichermaßen illusorisch wie unwirksam wäre, oder wir errichten einen gemeinsamen Raum der Grenzen, des Asyls und der Zuwanderung.

Deshalb möchte ich, dass im kommenden Jahr die verschiedenen in der Diskussion befindlichen Rechtstexte zur Reformierung unserer Migrationspolitik verabschiedet werden. Ich möchte, dass eine echte Europäische Asylbehörde geschaffen wird, die unsere Verfahren beschleunigt und vereinheitlicht, dass wir endlich vernetzte Datenbanken und sichere biometrische Ausweisdokumente haben, denn derzeit bearbeiten wir in Frankreich Zehntausende von Asylanträgen, die unsere europäischen Partner bereits abgelehnt haben. Dass nach und nach eine europäische Grenzpolizei geschaffen wird, die überall in Europa für eine strikte Grenzsicherung sorgt und die Rückführung derjenigen sicherstellt, die nicht bleiben können. Dass auf solidarischem Wege ein großes Bildungs- und Integrationsprogramm für die Flüchtlinge finanziert wird, denn es ist unsere gemeinsame Pflicht als Europäer, denjenigen Flüchtlingen, die bei sich zuhause und unterwegs ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, einen Platz einzuräumen, und diese Pflicht dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

Wir müssen dies jedoch tun, ohne die Lasten einigen wenigen aufzubürden, ob es sich dabei nun um die Ersteinreiseländer oder die endgültigen Aufnahmeländer handelt. Dazu müssen wir den Rahmen für echte Solidarität abstecken– selbstbestimmt, organisiert und abgestimmt. Und mit diesem Grundstein, diesem gemeinsamen Raum, den ich vorschlage ich, werden wir es schaffen.
Diese Solidarität, dieses Streben nach Effizienz beginnt mit der Arbeit jedes einzelnen. Deshalb habe ich in Frankreich ein großes Reformprojekt in Anlehnung an das deutsche Vorbild für die bessere Aufnahme von Flüchtlingen, eine Erhöhung der Umsiedlungen in unser Land, eine Beschleunigung der Asylverfahren, für mehr Effizienz bei den unabdingbaren Rückführungen angestoßen. Was ich für Europa möchte, beginnt Frankreich ab sofort selbst umzusetzen.

Der Blick muss auch weiter nach vorn gehen, und ich sage Ihnen ganz deutlich, dass auch die solidesten Grenzen und die ambitionierteste Sicherheitspolitik anhaltende Migration nicht werden aufhalten können. Einzig die Stabilisierung und Entwicklung der Herkunftsländer werden die Migrationsströme versiegen lassen. Die Ungleichheiten, die Einzug gehalten haben, und die daraus entstehenden Krisen sind es, die die großen Migrationsströme unserer Tage nähren. Zwar muss Europa eine Grenze haben, die wir schützen und deren Beachtung wir durchsetzen müssen, doch ist sich Europa in allererster Linie schuldig, auch eine Perspektive zu haben, und diese Perspektive liegt in seiner Außenpolitik, die klare Prioritäten setzen muss: allem voran der Mittelmeerraum, das Herz unserer Zivilisation. Wir haben ihm den Rücken zugewandt, weil wir den Blick auf die Krisen nicht wagten. Heute prägen sie jedoch das Bild in diesem Raum.

Unsere gemeinsame Politik im Mittelmeerraum und in Afrika muss nun konsolidiert werden. Darum haben wir uns in den letzten Wochen mit einigen und unter ständiger Einbindung der Europäischen Union in die für Libyen und die Sahelzone ergriffenen Initiativen bemüht. Auch insgesamt darf unsere europäische Politik Afrika nicht mehr als bedrohlichen Nachbarn empfinden, sondern muss es als den strategischen Partner sehen, mit dem wir Herausforderungen der Zukunft in Angriff nehmen müssen: Jugendbeschäftigung, Mobilität, Bekämpfung des Klimawandels, technologischer Wandel.

Ich möchte, dass unsere Partnerschaft mit Afrika ein Bestandteil unserer Neugründung europäischen Vorhabens wird. Die Entwicklungshilfe muss wachsen – dazu habe ich mich im Namen Frankreichs verpflichtet, und Jahr für Jahr werden wir sie weiter erhöhen, und diese Erhöhung dient auch der Verbesserung der Ergebnisse, denn eine Zahl allein ist noch keine Politik, und allzu oft klammern wir uns bei diesem Thema an Symbole. Und dann denken wir, eine Entwicklungspolitik bestünde allein aus einer Zahl. Das werden wir gemeinsam mit den Zivilgesellschaften besser machen.

Doch diese öffentliche Entwicklungshilfe muss auch europäisch sein, mit neu gewonnenem Ehrgeiz; dazu bin ich bereit, ich möchte auf neuer Grundlage das Vorhaben einer europäischen Finanztransaktionssteuer neu anschieben, um eine solche Entwicklungspolitik zu finanzieren.

Diese Debatte kennen wir in- und auswendig. Warum scheitern solche Initiativen jedes Mal wieder? Weil die technischen Einzelheiten, die wir letztlich festlegen, manche Länder stärker als andere benachteiligen. Ich habe daher einen einfachen Vorschlag: In Europa gibt es zwei Länder, die Finanztransaktionen besteuern: erstens Frankreich – und das sage ich mit umso mehr Demut, als es einer meiner Vorgänger war, der dies beschlossen hat. Nehmen wir also diese Steuer, führen wir sie allgemein in Europa ein, und dann bin ich bereit, nein, dann will ich sogar die gesamten Erträge daraus für die europäische öffentliche Entwicklungshilfe bereitstellen.

Doch noch ein weiteres Land besteuert Finanztransaktionen, und das ist Großbritannien, das schon lange vor uns seine sogenannte Stamp Duty besaß. Wenn manche einen unlauteren Wettbewerb befürchten, weil nämlich, wenn wir Finanztransaktionen mit einer unermesslich hohen Steuer belegten – so wie es manche Vorgänger für die anderen geplant hatten –, die die Fähigkeit zur Schaffung wirtschaftlicher Aktivität völlig zum Erlahmen brächte, so ist das nicht haltbar. Wenn wir uns jedoch gemeinsam entschieden, die britische Steuer anzunehmen, könnte uns niemand sagen, dies würde Widrigkeiten verursachen oder eine Wettbewerbsschieflage der Europäischen Union. Nein! Wir sollten uns also für das eine oder das andere dieser beiden einfachen Modelle entscheiden, mit einer breiten Bemessungsgrundlage, doch sollten wir es endlich tun. Ich jedenfalls werde mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen.

Sie haben es bereits verstanden: das dritte Schlüsselelement für unsere Souveränität ist diese Außenpolitik, diese Partnerschaft mit Afrika, diese Entwicklungspolitik, die uns dahin bringen muss, ein umfassendes Projekt aufzulegen, das auf gegenseitigen Investitionen, Bildung, Gesundheit, Energie beruht. Ergreift Europa diese Chance nicht, so werden andere es tun, und tut es niemand, so wird allein Europa alle Konsequenzen dessen tragen müssen.
Das vierte Schlüsselelement unserer Souveränität besteht darin, dass wir in der Lage sind, auf die wichtigste große Veränderung unseres Planeten zu reagieren: den ökologischen Wandel. Dieser vollständige Wandel revolutioniert unsere Produktionsweise, die Umverteilung und unser Verhalten. Europa befindet sich heute an einem Zwiespalt, aber unsere Entscheidung ist einfach: Wollen wir unsere Produktion so weiterführen wie bisher und unsere Wettbewerbsfähigkeit angesichts von Mächten verteidigen, die diese Entscheidung derzeit treffen oder bereits getroffen haben, oder wollen wir einen Schritt zulegen und die Marktführer eines neuen Produktionsmodells werden, das nicht nur ein Wirtschaftsmodell, sondern auch ein Gesellschafts-, ein Zivilisationsmodell ist, das es uns ermöglicht, die Ungleichgewichte, die externen Effekte einer Gesellschaft neu zu überdenken, von denen insbesondere die Ärmsten und Schwächsten betroffen sind?

Ich habe meine Wahl getroffen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass Europa Vorreiter des wirksamen und ausgewogenen ökologischen Wandels sein muss. Deshalb müssen wir unsere Transportmittel, unser Wohnungswesen und unsere Industrien neu gestalten. Dafür müssen wir investieren und in starkem Maße zu dieser Neugestaltung beitragen. Zunächst müssen wir einen fairen CO2-Preis einführen, der auf einem ausreichend hohen Niveau ist, um die Kosten für diesen Wandel zu decken. Auch das wird schwierig. Denn auch hier wird es Lobbyisten, Widerstände geben, die behaupten, dass es eine gute Idee sei, die aber nur wenige Euro kosten soll. Wenn wir in den kommenden Jahren keinen vernünftigen Preis pro Tonne Kohlendioxid haben, mit dem wir unsere Volkswirtschaften tiefgreifend neuausrichten können, dann bringt das nichts.
Studien belegen, dass Preise unter 25-30 Euro pro Tonne nicht effizient sind. In diese Richtung müssen wir uns bewegen und wir müssen uns schon heute zusammenschließen, um das umzusetzen. Das ist unerlässlich. Ein signifikanter CO2-Mindestpreis, ein wahrer Einheitspreis, ein wahrer Wandel, um diese Neugestaltung unserer Volkswirtschaften einzuleiten, die Sektoren zu begleiten, die dies benötigen, sowie die Gebiete zu begleiten, die zu den Opfern dieser Veränderungen werden, und zwar mit gut durchdachten, konkret zugeschnittenen Verträgen, um die Gebiete, in denen besonders veraltete Produktionsmodelle vorherrschten, zu unterstützen und sie von der Schaffung neuer Arbeitsplätze profitieren zu lassen.

Für diesen Wandel braucht es auch einen europäischen Energiemarkt, der wirklich gut funktioniert, sowie den Willen und die Förderung von Vernetzungen. Wir haben diese lange ausgebremst, denn sie waren nicht wirklich ein Kernstück unserer egoistischen Interessen. Zusammen mit Spanien, Portugal, mit all unseren Nachbarn müssen wir an dieser Zusammenschaltung der Netze arbeiten. Warum? Weil zu bestimmten Jahreszeiten, wenn in bestimmten Regionen erneuerbare Energien in großem Umfang produziert werden, dies ganz Europa zu Gute kommen muss. Zu anderen Zeiten, wenn die kohlenstoffarme, kohlenstofffreie und kostengünstige Atomenergie unerlässlich ist, müssen wir auch diese gemeinsam nutzen. Wir hätten einen europäischen Energiemarkt, der besser funktioniert, wenn wir diese Vernetzungen schneller ausbauen.

Um diese Strategie zum Erfolg zu führen, müssen wir unseren von der Globalisierung am stärksten betroffenen Unternehmen die gleichen Bedingungen garantieren wie den konkurrierenden Unternehmen aus anderen Regionen der Welt, die nicht die gleichen Umweltschutzanforderungen haben. Deshalb brauchen wir eine CO2-Steuer an den Grenzen Europas. Das ist unerlässlich.

Mindestpreis, Vernetzung, Übergangsvertrag für die Gebiete, CO2-Steuern an den Grenzen Europas – dies sind die vier Grundpfeiler dieser europäischen Zielsetzung im Bereich Energie. Das ist nicht an einem Tag zu schaffen. Ich kenne die Widerstände einiger, aber wenn wir uns weigern, darüber zu sprechen bzw. Fortschritte in dieser Hinsicht zu machen, weiß ich eines genau, dann wird das nie etwas. Also setzten wir uns ein verbindliches Ziel: in fünf Jahren, in zehn Jahren, lasst uns den Wandel vorbereiten, aber bereits ab jetzt Fortschritte machen. Europa muss der Vorreiter dieses Energiewandels sein und es braucht diese Zielsetzung, diesen einheitlichen Markt, um dieses Modell aufzubauen.
Natürlich darf dieses europäische Ziel nicht nur defensiv sein. Deshalb schlage ich auch die Einführung eines europäischen Industrieprogramms zur Förderung sauberer Fahrzeuge und zum Aufbau gemeinsamer Infrastrukturen vor, damit wir Europa durchqueren können, ohne es zu beschädigen. Wir brauchen neue Großprojekte. Dieses gehört dazu und versöhnt uns mit einem Kernanliegen unserer Industrie in diesem Bereich.

Ein Europa, das unsere anspruchsvolle Sichtweise von der nachhaltigen Entwicklung garantiert, ist auch ein Europa der Nahrungsmittelsicherheit und -souveränität und deshalb spreche ich diese Zielsetzung bewusst an dieser Stelle an. Wir müssen ohne Tabus die richtigen Fragen stellen: Schützt unsere Gemeinsame Agrarpolitik hinreichend unsere Landwirte und unsere Verbraucher? In Anbetracht der letzten Jahre habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass dem so ist, und wir haben diese Form von Paradoxon erreicht, wo die GAP zu einem französischen Tabuthema geworden ist, während unsere Landwirte unermüdlich seine Umsetzung anprangern.

Die Agrarpolitik darf keine Politik der Veradministrierung aller Gebiete der Europäischen Union, aller Branchen werden, und nicht wie es häufig der Fall ist, zu einer Einkommenspolitik werden, die den Wandel nur unzureichend begleitet und mitunter komplexe Schemata hervorbringt, die wir unseren Bevölkerungen nur schwer erklären können.

Die europäische Agrarpolitik muss dazu beitragen, dass die Landwirte würdevoll von ihrem Einkommen leben können, indem sie vor unvorhersehbaren Marktentwicklungen und großen Krisen geschützt werden. Sie muss sie in ihrer Weiterentwicklung unterstützen, damit sie eine verantwortungsvollere Landwirtschaft aufbauen können. Es wird in Europa immer mehrere Landwirtschaftsmodelle geben und ich möchte, dass jedes Land diese Umwandlung nach seinen eigenen Bestrebungen und Präferenzen umsetzen kann. Und diese neue Gemeinsame Agrarpolitik muss, um nicht bürokratisch und ungerecht zu sein, das Instrument des Übergangsprozesses im Landwirtschaftssektor, unserer Souveränität angesichts der großen Herausforderungen der Globalisierung sein. Sie muss zu einer Neubelebung unserer ländlichen Gebiete führen, zu neuen Zielsetzungen.

Anders gesagt möchte ich, dass wir ungehemmt und beispiellos eine Gemeinsame Agrarpolitik einleiten, die sich zunächst zwei Ziele setzt: den Schutz vor unvorhersehbaren Marktentwicklungen, vor der Unbeständigkeit der Weltmärkte, die die Nahrungsmittelsouveränität Europas gefährden könnten, und die Förderung des umfassenden Wandels im europäischen Landwirtschaftssektor sowie größere Flexibilität für die einzelnen Länder bei der Organisation ihrer Gebiete und der Branchen, weniger Bürokratie, Entscheidungen auf regionaler Ebene, flexiblere Unterstützung der Branchen, in denen Entscheidungen, die weiterhin gemeinsame ortsbezogene Entscheidungen bleiben, getroffen werden müssen.

Der Anspruch der Europäer besteht darin, Vertrauen in die täglich von ihnen verwendeten Lebensmittel und Produkte haben zu können, und das gehört zu der von mir erwähnten Nahrungsmittelsicherheit. Und auch hier wird deutlich, dass die europäische Ebene unumgänglich ist. Wir haben das im letzten Sommer mit der sogenannten Eierkrise erlebt. Wir haben gesehen, dass in einem Teil Europas gemachte Fehler, denn wir sind ein integrierter Markt, sich auf ganz Europa auswirken und Zweifel an unserer Nahrungsmittelsicherheit aufkommen lassen, während unsere Bürger den legitimen Anspruch erheben, über all diese Themen die Wahrheit unmittelbar zu erfahren.

Deshalb brauchen wir ein europäisches Untersuchungs- und Kontrollgremium, um gegen Betrug vorgehen, die Lebensmittelsicherheit garantieren und die Einhaltung von Qualitätsstandards in ganz Europa kontrollieren zu können. Diese Veränderung müssen wir auch herbeiführen. In dieser Hinsicht unterstütze ich die Entscheidung von EU- Kommissionspräsident Juncker, europaweit die zwei Lebensmittelstandards abzuschaffen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Gremium diese rechtmäßige Konvergenz gewährleisten kann.

Der Anspruch der Europäer besteht auch darin, den Experten vertrauen zu können, die uns aufklären. Unsere kürzlich geführten Debatten zu Glyphosat und zu Substanzen, die die natürliche biochemische Wirkweise von Hormonen stören, zeigen die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Bewertung auf europäischer Ebene, die transparenter und unabhängiger gestaltet ist und auf einer besser finanzierten Forschung basiert, um so die Risiken ermitteln und Alternativen vorschlagen zu können. Das ist unerlässlich. Wir führen heute politische Diskussionen, die mitunter die wissenschaftlichen Debatten ersetzen wollen. Dabei muss die Wissenschaft über die Gefahren aufklären, und sie muss anschließend in transparenter und unabhängiger Weise die möglichen, wissenschaftlich nachgewiesenen Alternativen aufzeigen. Auf keinen Fall darf Wissenschaft von politischer Einmischung verdrängt werden und so Besserwissern und Entscheidungsträgern Raum bieten und dazu beitragen, dass politische die wissenschaftlichen Entscheidungen übertrumpfen; und sie darf erst recht nicht der öffentlichen Stimme folgen, der von Lobbyisten, von industriellen Interessen, die die von den Bürgern erwarteten kollektiven Entscheidungen intransparent machen.

Das fünfte Schlüsselelement unserer Souveränität liegt im Bereich Digitales. Hier bedeutet die Herausforderung auch einen grundlegenden Wandel unserer Volkswirtschaften, unserer Gesellschaften, ja sogar unserer Vorstellungswelten. Der digitale Wandel steht nicht für eine Wirtschaftsbranche, ist nicht ein Randgeschehen unserer Zeit, und Europa kann hier viel verlieren, aber auch viel gewinnen. Europa ist geprägt von dieser einzigartigen Bindung an ein stetiges Gleichgewicht zwischen Freiheit, Solidarität und Sicherheit – und genau das steht bei der digitalen Revolution auf dem Spiel. Europa, das sich nach dem Krieg ein wirtschaftliches Aufholmodell aufgebaut hat, muss sich bei dieser Revolution durch radikale Innovationen an die Spitze stellen. Und ja, überall in Europa müssen wir daher alles daran setzen, diese Champions des Digitalen bei uns zu haben, wissenschaftliche und unternehmerische Talente anzuziehen.

Ich weiß sehr wohl, dass das manchen zuweilen ein Dorn im Auge ist. Diese Politik möchte ich aber in Frankreich in der Wirtschaft fahren. Die Zeiten sind vorbei, da unsere Volkswirtschaften sich so gestalten können, als wären sie in einem abgeschlossenen System, als ob die Talente nicht abwandern könnten und die Unternehmer an einem Pflock angebunden blieben. Das mag man bedauern, aber so ist es nun einmal. Diese digitale Revolution dreht sich um die Talente, und wer sie anzieht, zieht andere mit an – genau das ist die Zielrichtung der Regierung, und das ist das, was der Premierminister, der Wirtschafts- und Finanzminister, die Ministerin für Innovation, Hochschulbildung und Forschung und andere in der Regierung anstreben.

Wir werden diese Reformen weiter verfolgen, aber auch Europa muss hier Ehrgeiz aufbringen. Ich möchte, dass Europa sich an die Speerspitze dieser Revolution durch radikale Innovation stellt. Lassen Sie uns in den kommenden zwei Jahren eine Europäische Agentur für radikal neuartige Innovationen gründen, so wie es die USA mit der DARPA bei der Eroberung des Weltalls getan haben. Das muss unser Ehrgeiz sein. Wir haben heutzutage eine einmalige Chance, das zu tun. Ergreifen wir diese Chance, finanzieren wir die Forschung in neuen Bereichen wie der Künstlichen Intelligenz, nehmen wir das Risiko in Kauf! Diese Agentur würde Europa in die Rolle des Innovators statt des Hinterherlaufenden bringen.

Und statt zu bedauern, dass die großen Champions des Digitalen heute Amerikaner sind und morgen Chinesen, sollten wir uns in die Lage versetzen, europäische Champions hervorzubringen, sollten wir bereit sein, in dieser weltweiten Umwälzung angemessene Sicherheiten und wirksame Regelungen zu schaffen. Ich wünsche mir ein Europa, das diesen digitalen Wandel erfolgreich meistert, doch rüttelt er zugleich an unseren Grundfesten und unseren wirtschaftlichen und sozialen Gefügen. Dieser Kontinent des Digitalen hat heute keine Normen, oder um es genauer zu sagen, er hat ein einziges Gesetz: das Gesetz des Stärkeren. Europa ist hier aufgefordert, den Regelungsrahmen festzusetzen, um nicht faktisch ein zu uns importiertes Gesetz des Stärkeren erleiden zu müssen.

Das Vorhaben eines digitalen Binnenmarktes ist hierfür eine einmalige Gelegenheit, die wir ergreifen müssen, um diejenigen Mittel und Wege zu gestalten, mit denen es uns möglich wird,- die Regeln zum Schutz der individuellen Freiheiten und zur Achtung der Geheimhaltung, auf die jeder ein Anrecht hat, zu verteidigen, – die Wirtschaftsdaten unserer Unternehmen zu schützen und eben diese europäische Regulierung zu schaffen, die gleichzeitig Personen und die Unternehmen auf legitime Weise schützt, – die europäischen Akteure auf einem fairen Markt auftreten zu lassen und auch die tiefgreifenden Umbrüche in der traditionellen Wirtschaft auszugleichen, die dieser Wandel zuweilen hervorruft. Im Zentrum unserer Souveränität stehen hierbei die großen digitalen Plattformen und der Datenschutz.

Und das gleiche gilt für die Besteuerung. Warum müssen wir darüber diskutieren? Weil ich zutiefst von dieser innovationsbasierten Wirtschaft überzeugt bin, ich bin zutiefst von einer offenen Welt überzeugt, aber die offene Welt ist nur etwas wert, wenn der dabei stattfindende Konkurrenzkampf fair ist! Und wir können es nicht hinnehmen, dass europäische Akteure besteuert werden und internationale Akteure nicht, dass Akteure des digitalen Bereichs keinerlei Steuern zahlen und in Wettbewerb zu Akteuren der traditionellen Wirtschaft treten, die sie wiederum zahlen müssen!

Aus diesem Grund hat Frankreich gemeinsam mit seinen Partnern auf Ebene der Minister für Wirtschaft und Finanzen eine Initiative angestoßen, von der ich mir wünschen würde, dass sie auch auf Ebene der Staats- und Regierungschefs aufgegriffen wird: die der Besteuerung von Wertschöpfung, dort, wo sie entsteht, und die es uns ermöglicht, unsere Steuersysteme umfassend zu überprüfen und schonungslos die Unternehmen zu besteuern, die sich mit dem einzigen Ziel der Besteuerung zu entgehen, außerhalb Europas ansiedeln. Diese Steuer ist gerecht, denn sie besteuert überall dort, wo in einem Land Wertschöpfung entsteht, und sie erinnert uns lediglich an ein wesentliches Element unserer gemeinsamen und demokratischen Philosophien und zwar daran, dass es Gemeinschaftsgüter gibt, die finanziert werden müssen, und daran, dass alle Wirtschaftsakteure dazu beitragen müssen. Es darf hier keine Akteure der New Economy geben, die wie blinde Passagiere durch die moderne Welt reisen, denn diese New Economy, das wissen wir, führt auch zu Unordnung, schafft Ungleichheiten, stiftet Verwirrungen auf regionaler Ebene. Somit entstehen Situationen, die zu Recht Entschädigungen und Unterstützungen durch die öffentliche Hand nach sich ziehen. Es ist somit nur fair und gerecht, dass sie sich, während sie anderweitig Profit anhäuft, an dieser Solidaritätsmaßnahme dort beteiligt, wo sie ihren Mehrwert schafft.

Sie sehen: Was ich für Europa will, ist nicht nur, dass dieser digitale Wandel gelingen soll, sondern ich will auch einen gerechten Rahmen hierfür, einen Rahmen, mit dem wir unsere Werte verteidigen können, unsere Grundlagen der Gesellschaft wie auch das unabdingbare wirtschaftliche Gleichgewicht. In diesem Europa des Digitalen müssen wir daher auch unsere Urheberrechte schützen, wir müssen an allen Stellen die Werte derer schützen, von denen sie tatsächlich geschaffen werden. Urheberrecht: das ist keine Diskussion aus anderen Zeiten, das ist keine Diskussion – entschuldigen Sie den Ausdruck – aus der Mottenkiste. Man stempelt Frankreich ab, wenn man sagt „Ja, ja, wir wissen schon, was Sie uns sagen werden, jetzt kommen Sie wieder mit dem Urheberrecht.“ Begabte Regisseure überall aus Europa wissen: Wenn wir die europäische Vorstellungswelt nicht haben – und darauf komme ich gleich noch zurück –, dann ist Europa nicht mehr es selbst, doch dabei geht es auch um Gerechtigkeit.
Die digitale Welt soll also der einzige Ort, wo Wertschöpfung nicht dem zugutekommt, der sie schafft, sondern nur dem, der sie transportiert, der sie hin zu seinem Endverbraucher befördert? Wenn wir heute da stehen, wo wir sind, wenn wir alle von mir vorhin erwähnten Herausforderungen bewältigt haben, wenn wir aufrecht stehen, dann deshalb, weil wir Gefühle, eine gemeinsame Kultur haben, weil diejenigen, die die etymologischen Boten dessen sind, was uns wirklich zusammenhält, die wahre Autorität in Europa, das sind die Autoren. Deshalb müssen die Urheberrechte in diesem modernen digitalen Raum verteidigt werden. Und es ist die Würde Europas, es ist seine ureigene Fähigkeit zu existieren und sich nicht in einem derartigen Bereich aufzulösen, was dazu führt, dass wir diesen Wandel nur schaffen können, wenn wir die gerechte Entlohnung aller Autoren und aller Formen künstlerischen Schaffens in der digitalen Welt verteidigen.

Souveränität bedeutet schließlich Wirtschafts-, Industrie- und Währungsmacht. Dem Zentrum Europas wirtschaftliche und industrielle Macht zu verleihen, erfolgt selbstverständlich über die eben erwähnte Energiepolitik und Politik der Digitalisierung. Und auch über die Fortsetzung einer ehrgeizigen Raumfahrtpolitik und der Konsolidierung einer europäischen Industrie, die auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig ist. Aber eine nachhaltige Wirtschaftsmacht kann nur mit Hilfe einer gemeinsamen Währung entstehen, weshalb mir soviel an dem Ziel einer Eurozone gelegen ist. Ich schäme mich nicht für die Eurozone, das tut mir leid, und ich denke im Übrigen, dass es kein Mitglied der Europäischen Union außerhalb der Eurozone erleichtert oder es ihm gefällt, wenn diejenigen, die eine gemeinsame Währung haben, sich nicht zu sagen trauen, dass sie daraus etwas machen wollen.

Denn ausgehend von dieser Wirtschafts- und Währungsunion, innerhalb dieses Gremiums, können wir das Herzstück eines integrierten Europa schaffen. Ich nehme die Fragen und Beunruhigungen zu diesem Thema wahr und will klar sein: Die grundlegende Herausforderung ist nicht ein Mechanismus, der wie aus Zauberhand alle Probleme lösen würde. Gäbe es so einen Mechanismus, so hätten wir ihn bereits entwickelt. Es geht nicht darum, unsere Schulden aus der Vergangenheit zu vergemeinschaften, nicht darum, die Probleme der öffentlichen Finanzen des einen oder anderen Staates zu lösen; die Herausforderung besteht darin, die Arbeitslosigkeit abzubauen, die immer noch jeden fünften jungen Menschen in der Eurozone betrifft. Was wir brauchen, ist eine dauerhaft angelegte Wirtschafts- und Politikstrategie. Unsere Herausforderung inmitten der Eurozone besteht darin, herauszufinden, wie wir es schaffen, aus dieser Zone eine Wirtschaftsmacht zu machen, die mit China und den USA konkurrieren kann und wie es uns gelingt, das zu erreichen, woran wir seit zehn Jahren scheitern: Arbeitsplätze zu schaffen und dafür zu sorgen, dass die Generation der heutigen Jugend nicht zu einer Generation wird, die durch unsere Missstände und unsere Ungleichgewichte zur Arbeitslosigkeit verdammt ist!

Um dies zu erreichen, muss jeder in seinem eigenen Land Verantwortung zeigen. Deshalb haben wir in Frankreich beispiellose Reformen angestoßen, ich hatte sie angekündigt und die Regierung setzt sie um. Die Reform des Arbeitsmarktes, der Berufsausbildung, der Finanzierung der Wirtschaft werden es erlauben, Wachstum und Beschäftigung zu schaffen und das zu tun, was wir in unserem Land tun müssen. Denn wir würden nicht eine einzige Sekunde lang angehört werden, wenn unsere europäischen Ziele nur dafür da wären, unsere internen Probleme zu lösen, darum geht es nicht. Ich erlaube niemanden in Europa angesichts dessen, was wir in Frankreich gerade machen, erklären zu wollen, dass Frankreich heute kein Recht hätte, Vorschläge zu machen. Wir führen Reformen durch, wir verändern unser Land, aber wir tun dies auch mit einer europäischen Zielsetzung. Ich habe keine roten Linien, ich habe nur Horizonte.
Diese Verantwortung, die wir in unserem Land haben, übernehme ich und werde ich übernehmen, denn dies liegt im Interesse Frankreichs und Europas, aber wir brauchen auch gemeinsame Regeln und Instrumente. Wir brauchen Konvergenz und Stabilität durch nationale Reformen, aber auch durch eine Koordinierung unserer Wirtschaftspolitiken und einen gemeinsamen Haushalt. Will man die Unterschiede abbauen und unsere gemeinsamen Güter weiterentwickeln – alles, was ich eben genannt habe: die Sicherheit, den Schutz angesichts der Migrationen, den digitalen Wandel, den ökologischen Wandel, eine echte Entwicklungs- und Partnerschaftspolitik – diese gemeinsamen Güter, an deren Spitze die Währung steht, sind wir uns schuldig zu finanzieren. Also brauchen wir mehr Investitionen, wir brauchen Mittel zur Stabilisierung angesichts der Wirtschaftskrisen. Ein Staat kann eine Krise nicht alleine durchstehen, wenn er nicht mehr über seine Währungspolitik entscheidet. Aus all diesen Gründen brauchen wir einen stärkeren Haushalt im Zentrum Europas, im Zentrum der Eurozone.

Die Mittel dieses Haushalts werden diese Zielsetzung widerspiegeln müssen. Die europäischen Abgaben im digitalen oder ökologischen Bereich werden so eine echte europäische Quelle zur Finanzierung gemeinsamer Ausgaben darstellen. Darüber hinaus müssen wir darüber nachdenken, in diesen Haushalt zumindest teilweise eine Steuer einfließen zu lassen, zum Beispiel die Körperschaftssteuer, sobald ihre Harmonisierung erfolgt ist.

Die Solidarität, die ein Haushalt mit sich bringt, kann nur einhergehen mit einer größeren Verantwortung, die mit der Einhaltung der Regeln beginnt, die wir uns geschaffen haben und mit der Umsetzung unerlässlicher Reformen.
Ein Haushalt kann nur einhergehen mit einer starken politischen Steuerung durch einen gemeinsamen Minister und eine anspruchsvolle parlamentarische Kontrolle auf europäischer Ebene. Alleine die Eurozone mit einer starken und internationalen Währung kann Europa den Rahmen einer Weltwirtschaftsmacht bieten.

Gehen wir das Problem also in der richtigen Richtung an: Wenn der Euro die Währung aller EU- Staaten werden soll, vorausgesetzt sie erfüllen die Kriterien, so schaffen wir ohne Zögern eine starke, effektive und solidarische Eurozone und schon morgen wird dieses machtvolle Gebilde all denjenigen nutzen, die ihm beitreten werden.

Im Grunde stellt sich hier die Frage der Einheit. Diese europäische Einheit, von der deutsch- französischen Aussöhnung bis zur Wiedervereinigung von Ost und West ist unser schönster Erfolg und unser wertvollster Trumpf. Neben diesen sechs Schlüsseln für die Souveränität will ich den Kampf für die Einheit führen. Wir werden kein starkes und souveränes Europa haben, wenn es nicht vereint ist, zusammenhält, kohärent ist. Verlieren wir diese Einheit, gehen wir das Risiko ein, zu unseren todbringenden Brüchen und unserer zerstörerischen Hegemonie zurückzukommen. Einheit gewährleisten ohne Einförmigkeit zu suchen, das ist unsere Herausforderung.

Das Europa der 28 kann nicht wie das Europa mit sechs Mitgliedern funktionieren und unser Projekt, die Zukunft unserer Völker, kann nicht darin bestehen, den größten gemeinsamen Nenner zu suchen. Indem wir beständig den Antrieb schaffenden Ehrgeiz einiger und die Einhaltung des Rhythmus jedes Einzelnen zum Ausdruck bringen, werden wir den Wunsch erwecken, vorwärts zu gehen und wird Europa zu Gunsten aller Fortschritte machen. Um diese Einheit zu schmieden ohne Furcht vor dem Fortschreiten derjenigen, die vorausgehen, zu haben, verfügen wir über zwei Bausteine: Solidarität und Kultur. Auf der Solidarität will ich beharren, da wir seit zehn Jahren in Europa viel über Verantwortung gesprochen, aber die Solidarität untereinander vergessen haben.

Europa und sogar der Binnenmarkt als dessen Sockel ist kein Wettstreit um Unterbietung, das haben wir zu Beginn der 90er Jahre gedacht und haben das Ziel des gemeinsamen Marktes verfälscht, haben glauben gemacht, dass der gemeinsame Markt der Regel des Unterbietens folgt, die Diktatur eines Marktes ist, der nicht mehr wusste, wohin er geht! Nein, der gemeinsame Markt, der eigentliche Geist Europas, ist, wie es Jacques Delors sagte, „die belebende Konkurrenz, die stärkende Zusammenarbeit und die vereinende Solidarität“. Gleichzeitig müssen wir die Essenz dieses Gleichgewichts wiederfinden, damit der regellose Wettbewerb nicht zu einer endgültigen Spaltung führt.

Darin liegt der Sinn meines Kampfes für die Überarbeitung der Entsenderichtlinie, und gerade wo sich Frankreich um die Reform seines Arbeitsmarktes bemüht, ist dies keineswegs unbedeutend. Wir müssen den sozialen Dialog in unserem Land lebendiger gestalten. Aber das werde ich niemals tun, ohne zu wissen, wie ich diejenigen verteidigen kann, die in ihrer Arbeit dem Sozialdumping ausgesetzt sind. Denn heute schützt Europa nicht vor Sozialdumping, wir haben zugelassen, dass ein europäischer Markt entsteht, der letztlich die Philosophie der Einheitlichkeit unseres Arbeitsmarktes umgeht. Niemand ist mit dieser Situation zufrieden, das habe ich bei all meinen Auslandsbesuchen in Europa feststellen können.

In diesem Kampf um die Überarbeitung der Entsenderichtlinie geht es also um mehr Gerechtigkeit und mehr soziale Konvergenz in Europa. In diesem Sinne begrüße ich den Vorschlag von Jean-Claude Juncker, eine europäische Aufsichtsbehörde einzusetzen, die über die Einhaltung der Regeln wacht; das ist eine Notwendigkeit, aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und ein wahrhaftiges Projekt der Steuer- und Sozialkonvergenz auf die Beine stellen.
Dazu habe ich zwei konkrete Vorschläge. Der erste zum Thema Körperschaftssteuer: Wir haben bereits begonnen, die Grundlagen für diese Steuer zu harmonisieren, aber wir müssen die Harmonisierung beschleunigen. Zwischen Deutschland und Frankreich müssen wir das innerhalb der kommenden vier Jahre abschließen. Wir haben die Chance einer klaren Legislaturperiode, bringen wir das also zum Abschluss. Aber auch darüber hinaus, in der gesamten Europäischen Union, dürfen wir keine solchen Divergenzen bei der Körperschaftssteuer haben. Die Steuerdivergenz befeuert auch eine gewisse Uneinigkeit, sie zersetzt unsere eigenen Modelle und schwächt Europa im Ganzen.

Deshalb möchte ich, dass wir bis zum nächsten europäischen Haushalt 2020 eine Spanne für Steuersätze festlegen, die für die Mitgliedsstaaten bindend ist. Die Einhaltung dieser Spanne wäre dann eine Bedingung für den Zugang zu den europäischen Kohäsionsfonds, denn es geht nicht, dass man von der europäischen Solidarität profitiert und gleichzeitig andere ausspielt. In diesem Zusammenhang begrüße ich das Vorgehen der Europäischen Kommission, die sich in den vergangenen Monaten in Bewegung gesetzt und dank der Arbeit von Margrethe Vestager und Pierre Moscovici dafür gesorgt hat, dass bei gewissen Akteuren und Ländern ein Umdenken einsetzt. Wir müssen aber noch weiter gehen, es darf nicht sein, dass unsere Strukturfonds die Senkung der Körperschaftssteuer finanzieren. Das ist ein Europa, das verkehrt herum läuft, das ist ein Europa, das sich selbst spaltet.

Mein zweiter Vorschlag ist, dass wir uns auf eine echte Sozialkonvergenz verständigen und schrittweise unsere Sozialmodelle einander annähern. Das ist vollkommen vereinbar mit unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit. Ich möchte nicht, dass wir diese beiden Ansprüche gegeneinander ausspielen, warum auch? Schauen Sie sich doch einmal die Welt an, wie sie heute ist! Vor einigen Jahren sagten Manche: Eine europäische Ambition scheint uns keine gute Idee zu sein, unsere Priorität ist die Wettbewerbsfähigkeit. Diejenigen, die das versucht haben, haben die Unterstützung im Volk verloren. Was hat das britische Volk zum Brexit gesagt? Die britische Mittelschicht hat gesagt: „Ich finde eure Wettbewerbsfähigkeit ja ganz nett, aber sie betrifft mich nicht. Die Attraktivität des Standorts London ist nicht für mich gemacht.“ Was hat das amerikanische Volk gesagt, wen man richtig hinhört? „Dieses vollkommen ungeschützte Amerika, diese Wettbewerbsfähigkeit, die ihr uns erklärt habt, ist nicht für uns als Mittelschicht gemacht.“ Nun ist ein Rückzug im Gange, der genau daher rührt; überall dort, wo die Demokratien dieses Ziel auf die Spitze getrieben haben, zugunsten einer Wettbewerbsfähigkeit ohne Gerechtigkeit, sind sie an ihre Grenzen gestoßen.

Wir müssen also in Europa unser Sozialmodell erneuern, nicht etwa das Sozialmodell des 20. Jahrhunderts, auch nicht das Sozialmodell einer Aufholwirtschaft, nein. Wir müssen es in seiner Form überdenken und es auf europäischer Ebene aufbauen, denn Europa ist der richtige Maßstab für diesen Kampf. Ich möchte deshalb, dass wir von November an konkret darüber sprechen, worin genau der soziale Grundstock Europas besteht, und um diesen zu errichten, müssen wir auch Konvergenzregeln aufstellen. Wir sollten einen Mindestlohn festlegen, der an die wirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Länder angepasst ist, dabei aber schrittweise in Richtung Konvergenz denken.
Unsere Sozialversicherungsstandards liegen heute zu weit auseinander; wenn eine Arbeitskraft heute in ein anderes Land entsandt wird, liegt derzeit die Hauptursache für Ungerechtigkeit in den Sozialleistungen. Deshalb schlage ich abgesehen von der Reform der Entsenderichtlinie, die wir nach Möglichkeit bis Ende des Jahres durchführen, vor, dass das höchste Sozialversicherungsniveau bezahlt wird, allerdings zugunsten des Herkunftslandes. Dieses Geld füttert einen Solidaritätsfonds, der den am wenigsten reichen Ländern zu Gute kommt, damit sie sich annähern können.

Wir müssen in den kommenden Monaten einfache, abgestimmte Kriterien für eine Sozialkonvergenz bestimmen, die zum einen eine Strukturierung der Haushaltsdebatte 2020 ermöglicht, um mehr Kohärenz in den Strukturfonds herzustellen, und zum anderen eine Strukturierung des Zugangs zum Markt und zu diesem Budget, einem Kernstück Europas, ermöglicht, denn mit dieser Konvergenz geht die Solidarität einher, von der ich vorhin sprach.
Das gerechte, schützende und ehrgeizige Europa – das ist die einende Solidarität. „Menschen vereinen“, sagte Monnet. „Partnerschaftlich zusammenleben“, sagte Sorbon. Das Ziel ist immer dasselbe. Und darauf gilt es sich immer zurückzubesinnen.

Was Europa am stärksten zusammenhält, werden immer die Kultur und das Wissen sein. Denn dieses Europa, in dem jeder Europäer sein Schicksal im Profil eines griechischen Tempels oder im Lächeln der Mona Lisa erkennt, der durch die Werke von Musil und Proust in die Empfindungen ganz Europas hineinspüren konnte, dieses Europa der Cafés, von dem Steiner sprach, dieses Europa, von dem Suares sagte, es sei „ein Gesetz, eine Geisteshaltung, eine Gewohnheit“, dieses Europa der Landschaften und Folkore, von dem Erasmus, den man als seinen Lehrmeister bezeichnete, sagte, dass man jeden jungen Menschen dazu auffordern müsse, „den Kontinent zu durchstreifen, um andere Sprachen zu lernen“ und „sein wildes Naturell abzulegen“, dieses Europa, das von so vielen Kriegen und Konflikten heimgesucht wurde, was dieses Europa zusammenhält, ist seine Kultur.

Unsere Zersplitterung ist nur oberflächlich. Sie ist eigentlich unsere größte Chance. Und anstatt die Fülle unserer Sprachen zu bedauern, sollten wir daraus einen Vorteil machen! Europa soll jener Raum werden, in dem jeder Studierende bis 2024 mindestens zwei europäische Sprachen spricht. Anstatt unsere zerstückelten Gebiete zu beklagen, stärken wir lieber den Austausch! Bis 2024 soll die Hälfte einer Altersgruppe bis zu ihrem 25. Lebensjahr mindestens sechs Monate in einem anderen europäischen Land verbracht haben. Seien es Studierende oder Auszubildende. Deshalb gerade hier, wo einige Vorreiter wie in Bologna, Montpellier, Oxford oder Salamanca an die Kraft der Lehre, des kritischen Geists und der Kultur geglaubt haben, möchte ich, dass wir auf der Höhe dieses großen Entwurfs sind.

Ich schlage die Einrichtung europäischer Universitäten vor, die ein Netzwerk von Universitäten aus mehreren Ländern Europas bilden und die einen Studienverlauf schaffen, in dem jeder Studierende im Ausland studiert und Seminare in mindestens zwei Sprachen belegt. Europäische Universitäten, die auch Orte pädagogischer Neuerung und exzellenter Forschung sind. Wir müssen uns das Ziel stecken, bis 2024 mindestens zwanzig dieser Universitäten zu errichten. Doch schon mit Beginn des nächsten akademischen Jahres müssen wir die ersten Universitäten mit echten europäischen Semestern und europäischen Abschlüssen ausstatten.

Diese Verbindungen müssen vom Gymnasium an hergestellt werden. Ich schlage vor, dass wir einen Prozess zur Harmonisierung, beziehungsweise zur gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen der Sekundarstufe einleiten. Wie wir es für die Studierenden im Rahmen des Bologna-Prozesses gemacht haben, starten wir also heute einen Sorbonne-Prozess, der die Vollendung eines Schulprogramms ermöglicht, das Austausch, Veränderung und Wandel in allen europäischen Sekundarschulsystemen gestattet.

Wie Emmanuel Mounier sagte: „Das Universelle spricht zu den Menschen in verschiedenen Sprachen, wobei jede für sich einen einzigartigen Aspekt davon zu Tage treten lässt.“ Mit diesen Initiativen schlage ich keinen Akt des Widerstands vor. Dies sind Akte der Eroberung für die kommenden Generationen. Denn was am Ende bleibt, ist, was die Menschen vereint! Es ist dieses Gemeinschaftsleben, das Sie in Paris, Mailand, Berlin oder Gdansk erlebt haben werden! Das ist es, was zählt, was Europa im Inneren zusammenhält, dieses unzerreißbare Band, das dafür sorgt, dass, wenn sich Regierungen uneins sind, wenn Politikstrategien manchmal nicht mehr dieselben sind, es Frauen und Männer gibt, die eine gemeinsame Geschichte hochhalten.

Doch vor allem muss Ihnen klar sein, dass Ihre Generationen dieses Europa in mehreren Sprachen deklinieren müssen! Das Europa der Mehrsprachigkeit ist eine nie da gewesene Chance. Europa ist kein homogenes Gebilde, worin sich jede und jeder aufzulösen hat. Die europäische Komplexität besteht in der Fähigkeit, die Einzelteile Europas zu denken, ohne die es niemals ganz es selbst ist. Und dies führt wiederum dazu, dass ein reisender Europäer immer ein bisschen mehr ist als ein Franzose, ein Grieche, ein Deutscher oder ein Niederländer. Er ist Europäer, weil er diesen universellen Teil bereits in sich trägt, den Europa und die Mehrsprachigkeit in sich bergen.

Europa muss aus diesen Sprachen gemacht sein und es wird immer etwas Unübersetzbares geben. Das gilt es hochzuhalten. Die journalistische und politische Debatte wird von diesem Unübersetzbaren genährt. Ich verrate Ihnen etwas: Morgen möchten sich die einen oder anderen die kleinen Meinungsverschiedenheiten ansehen, die Diskussionen, die über diese Rede geführt werden. Und die, die keine Ideen haben, werden versuchen, all die Blockaden zu sehen, indem sie sagen: „Seht, dort!“ … Diese Blockaden sind mir schon oft aufgefallen. Manchmal bestehen sie wirklich, aber oft sind es keine grundlegenden Blockaden. Es sind Teile dieses Unübersetzbaren. Da besteht ein Unterschied in der Sprache, in der Kultur. Wenn man das Wort „Schulden“ ausspricht, hat es in Frankreich und in Deutschland nicht denselben Sinn und dieselben Wirkungen! Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man miteinander spricht.

Unsere politischen Debatten sind in Europa immer schwieriger als im Rest der Welt. Denn der europäische Sisyphos muss immer noch sein Unübersetzbares vor sich her rollen. Doch dieses Unübersetzbare ist unsere Chance! Es ist Teil des Mysteriums in jeder und jedem von uns und es ist Teil des Vertrauens in das europäische Projekt. Es ist die Tatsache, dass wir, die wir nicht dieselbe Sprache sprechen und diesen Teil unbekannter und unüberwindbarer Differenz besitzen, zu einem bestimmten Zeitpunkt beschließen, gemeinsam zu arbeiten, obwohl wir uns hätten trennen können. Ich bekenne mich zu diesem Teil unübersetzbarer, unüberwindbarer Differenz, weil ich mir einen glücklichen Sisyphos vorstellen möchte.

Und weil im Grunde der Austausch von Ideen und Menschen, was die europäische Jugend hochzuhalten hat und für Europa anzustreben hat, das ist, was uns immer viel stärker geeint hat als die Starre von Regeln oder Grenzen. Deswegen müssen wir Vertrauen in Europa und darin haben, was wir im Laufe der Jahrhunderte voneinander gelernt haben, um den Weg dieser Einheit zu finden.

Schließlich ist die Demokratie die Essenz des europäischen Projektes. Ich sage sogar, dass sie seine größte Stärke, sein Grundnahrungsmittel ist. Wie in den 1930er Jahren wird der Demokratie Schwäche vorgeworfen. Heute gibt es in Europa eine Faszination für unfreie Demokratien. Es gibt eine Faszination für brutalen Unilateralismus, weil Europa ineffektiv und schwach geworden sei und mit ihm die Demokratie. Ich werde ohne Unterlass das Gegenteil vertreten.
Souveränität, Einheit und Demokratie sind für Europa untrennbar. Und diejenigen, die denken, sie könnten die Souveränität ohne Demokratie wählen, irren sich! Diejenigen, die denken, man könnte demokratische „Gadgets“ verteilen, ohne ein Projekt der Souveränität und der Einheit zu wollen, irren sich ebenso! Es ist dieses untrennbare Triptychon, das wir hochhalten müssen.
Aber – und das sage ich Ihnen heute Nachmittag mit viel Nachdruck – wir haben das Kapitel einer Spielart des europäischen Aufbauwerks abgeschlossen. Die Gründerväter haben Europa ohne die Bevölkerung erschaffen, weil sie einer aufgeklärten Avant-Garde angehörten, weil man es vielleicht tun konnte, und sie sind vorangeschritten und haben bewiesen, dass es funktionierte. Sie genossen vielleicht ein Vertrauen, das die Regierenden nicht mehr exklusiv besitzen. So ist es. Sie lebten in anderen Zeiten, in denen die Kommunikationsmittel nicht dieselben waren.

Dieses Kapitel zerschellte am demokratischen Zweifel in Europa, den uns das „Nein“ in den französischen und niederländischen Referenden durchleben ließ. Ich denke, dass wir Unrecht hatten, als wir Europa wider die Völker voranbringen wollten. Es gab einen Moment, in dem wir dachten, man müsste unsere Demokratien gewissermaßen umstoßen und Europa trotz allem voranbringen. Das war ein Fehler und dieser Fehler verdoppelte sich durch fehlende Vorschläge. Man war zum Handeln gezwungen und man sagte: „Vorsicht, es werden keine Vorschläge mehr gemacht und ihr werdet nicht mehr nach eurer Meinung gefragt.“ So sind wir in diese „Eiszeit“ eingetreten, in der Frankreich wie auch viele andere Angst hatte, Vorschläge zu machen, weil es sich vor etwas Schrecklichem fürchtete: der Vertragsänderung.

Das Unaussprechliche auf Deutsch ist der Finanztransfer; das Unaussprechliche auf Französisch ist die Vertragsänderung. Wenn wir langfristig Europa erhalten wollen, werden wir beides brauchen. Ich möchte alle beruhigen, aber haben wir keine Angst mehr vor der europäischen Bevölkerung. Methodisch können wir unser Europa nicht mehr ohne sie gestalten. Aber wir dürfen nicht in die Falle der Populisten oder der Extremisten tappen, die darin besteht, zu sagen: „Stellen wir die Frage direkt und einfach: ja oder nein?“ Die Antwort ist bekannt. Es ist immer „nein“, was auch immer die Frage ist. Wir müssen das europäische Projekt neu begründen durch und mit den Völkern, mit einem politischen Anspruch, der viel stärker ist als eine einfache Entscheidungsfrage.

Deshalb wünsche ich mir, wenn wir von neuem voranschreiten wollen, dass wir dies über demokratische Konvente machen, die ein integrativer Bestandteil der Neubegründung Europas sind. Wenn wir einmal die einfachen Begriffe für einen Fahrplan definiert haben, der unterstützt wird von den wichtigen Regierungen, die bereit sind, in diese Richtung zu gehen, möchte ich, dass wir im kommenden Jahr über sechs Monate in allen Ländern, die teilnehmen möchten, eine umfangreiche Debatte zu einheitlichen Fragen zur Bestimmung der Prioritäten, Sorgen und Ideen für unseren Fahrplan für das Europa von morgen organisieren. Die Dinge wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen, anstatt am Ende des Weges, gelähmt von Phantasmen und Unverständnis zu fragen, ob ja oder nein, zu unlesbaren Texten, die im Verborgenen verfasst wurden. Organisieren wir also eine offene, freie, transparente und europäische Debatte, um dieses Projekt zu erschaffen, das den Europawahlen 2019 schließlich Inhalte und Herausforderungen bieten wird.

Und ich sage es klar und deutlich: All jene, die Angst davor haben, sind zu sehr an die Idee gewöhnt, dass man intelligente Projekte in Vielschichtigkeit und im Verborgenen erschafft: Das ist nicht wahr. Alle jene, die in die Falle derer getappt sind, die Europa hassen, fragen Sie die vielen Landwirte, die heute leiden; sie werden Ihnen sagen: „Ich habe Europa satt.“ Der Front National in Frankreich wird davon genährt! Aber treten Sie in Dialog und fragen Sie: „Also gut, was möchtest du? Was wird dich besser schützen?“ Manchmal will er ein anderes Europa! Aber er kommt von selbst auf die Idee, dass Europa ihn besser schützen wird als eine absurde nationale Politik.

Diese anspruchsvolle Debatte wird uns helfen, die Logik und den Anspruch unserer zahlreichen gemeinsamen Politikfelder wieder aufzuspüren. Diese Debatte dürfen wir nicht fürchten. Vor allem jedoch dürfen wir uns zu den Europawahlen 2019 nicht davor fürchten, dass die Debatte auf europäischer Ebene geführt wird! Und da höre ich schon all die Ängstlichen, die sich an die Vorstellung gewöhnt haben, dass die Europawahlen nichts als ein Kondensat der nationalen Debatten seien, nichts als kleine Gewohnheiten, die darin bestehen, strategische Züge zu machen, nie von Europa reden und immer nur unsere Haltungen vor uns hertragen. Lassen Sie uns den Europawahlen mit einem Projekt Leben einhauchen und schauen, wer dafür und wer dagegen ist! Und lassen Sie uns eine demokratische Debatte über dieses Projekt führen!

Auch, um diesen noch unfertigen demokratischen Raum zu erschaffen, setze ich mich dafür ein, 2019 transnationale Listen zu haben, über die die Europäer für ein kohärentes und gemeinsames Projekt stimmen können. Wie das gehen soll? Nun, die Idee stammt von einigen Frauen und Männern hier im Saal … Die Briten haben beschlossen, uns zu verlassen, und machen dabei 73 europäische Abgeordnetensitze frei. Jetzt stehen wir vor einer einfachen Entscheidung: Entweder teilen wir die Überreste elegant und würdig auf und beschließen, dass Europa, da es nicht über einen gemeinsamen Atem verfügt, nur eine Art Eigentümergemeinschaft ist; nach einem weise durchdachten Verteilungsschlüssel teilen wir unter uns dann die freigewordenen Sitze auf. Oder Sie beschließen, dass diese 73 Abgeordneten die europäische Antwort auf den Brexit sein müssen. Und das wäre dann eine transnationale Liste, bei der man überall in Europa über dieselben europäischen Abgeordneten abstimmt. Also los, die Wette gilt!

Und allen großen europäischen Parteien, die uns erklärt haben, dass es toll wäre, einen „Spitzenkandidaten“ für die Kommission zu haben, die diese Wahlen vergemeinschaften und europäisieren wollten, denen sage ich: „Denkt den Gedanken zu Ende! Habt keine Angst! Führt echte Europawahlen durch! Lasst Euch nicht durch ein ausgeklügeltes Kalkül für Eure Interessen von gestern leiten! Schreiten wir voran!“ Doch Sie alle, die einen wie die anderen auf europäischer Ebene, werden dann sehen, was im vergangenen Mai in Frankreich deutlich wurde: nämlich, dass es das, was Sie zuweilen in gemeinsamen Parteien hält, gar nicht mehr gibt. Dass Ihr Verhältnis zu Europa innerhalb derselben großen Parteien nicht mehr dasselbe ist. Dass Sie nicht mehr an dasselbe glauben.

Diesen großen europäischen Parteien werde ich nicht das Monopol für die Debatte zu Europa und den Europawahlen überlassen! Denn die Bürger müssen diese Debatte neu gestalten, von der Basis aus, von unten, aus dem echten Leben. Und ich möchte, dass bei den darauffolgenden Wahlen der wirkliche Schritt nach vorn gegangen werden kann, indem die Hälfte des Europäischen Parlaments über diese transnationalen Listen gewählt wird.

Dieses Parlament hat Frankreich oft als den zweiten Arm der nationalen Politik wahrgenommen – und das sage ich hier vor mehreren französischen und europäischen Abgeordneten. Das ist ein schwerer Fehler. Will man ein souveränes Europa schaffen, die Kompetenzen bündeln, um stärker zu sein, unsere Handelspolitik transparenter machen, den Haushalt prüfen, den wir für die Euro-Zone brauchen, so muss dieses Parlament von Europäern auch der Boden sein, auf dem unser gemeinsames Projekt entsteht.

Unser Ehrgeiz muss unser politisches Projekt mit einem Zeithorizont sein: 2024, wobei wir die Dringlichkeit des Handels mit dem Blick für die Dauer in Einklang bringen müssen.

2019 wählen die Europäer ihre Abgeordneten. Zu dieser Zeit wird der Brexit erfolgen. Es wird aber auch, wenn wir heute die Neubegründung Europas anstoßen, ein Moment widergewonnenen Vertrauens in unsere Zukunft sein. Unsere europäischen Abgeordneten müssen mit einem klaren Mandat handeln, um Europa zu verändern. Und nach fünf Jahren müssen sie den 500 Millionen Europäern ein neues Europa überlassen.

Einige Wochen nach den Europawahlen finden in Paris die Olympischen Spiele statt. Nicht Paris richtet die Spiele aus. Es ist Frankreich und mit ihm Europa, das dem olympischen Geist, der auf diesem Kontinent entstanden ist, Leben einhauchen wird. Dies wird ein einzigartiger Moment der Zusammenkunft, eine wunderbare Gelegenheit, die europäische Einheit zu feiern. 2024 wird die Ode an die Freude erklingen, und die europäische Flagge kann stolz an der Seite unserer Länderfahnen gehisst werden.

Aus diesem Grund muss diese Debatte jetzt stattfinden, müssen diese Ambitionen jetzt vertreten werden. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Dass die Weichen gestellt werden für die Europawahlen 2019. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt! Und in dieser Legislaturperiode von 2019 bis 2024 gilt es Europa umgestalten. All jene, die sagen, man müsse warten, sagen dies seit Jahren und Jahrzehnten. Das Hinauszögern steht genau im Sinne dieser Trägheit, die ich eben erwähnt hatte. Sie wollen noch eine Gelegenheit verstreichen lassen! Wir sind aus dem Gleichgewicht geraten! Es gibt Bedrohungen! Kühnheit ist unsere einzige Antwort. Neugeschärfte Ambitionen sind der einzige Widerstand. Wir dürfen keine Angst haben, gehen wir voran.

Wie wird dieses Europa 2024 aussehen? Ich habe es gesagt: Die Einheit Europas bildet das Fundament für diese Neubegründung. Die Europäische Union 2024 wird in meinen Augen auf zwei Pfeilern fußen. Erster Pfeiler: die Werte Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Sie sind nicht verhandelbar, es gibt sie nicht à la carte. In Sachen Werte kann es kein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben. Sie sind der Grundstoff unserer Einheit und unserer Freiheit. Und in diesem Sinne möchte ich die konstante Arbeit der Kommission der vergangenen Monate würdigen, insbesondere von Frans Timmermans.

Zweiter Pfeiler: Der Binnenmarkt bleibt der beste Garant für unsere Stärke und unsere Attraktivität. Die Vereinfachungsanstrengungen, die von der derzeitigen Kommission in den letzten drei Jahren unternommen wurden, müssen fortgesetzt und vertieft werden. Ich möchte, dass wir in Europa die Debatte wiederaufgreifen, die wir vor dem britischen Votum angestoßen hatten.
Mit 28Mitgliedstaaten brauchen wir ein einfacheres, transparenteres und weniger bürokratisches Europa! Wenngleich der geltende Rechtsrahmen Europas Stärke ausmacht, so befördert die Fülle an Normen dessen Ablehnung. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Unternehmenschefs, den NGOs, den Bürgerforen Schritt für Schritt die europäischen Regeln Revue passieren, um sicher zu gehen, ob sie angepasst, verständlich oder sinnvoll sind.

Einfach, wirksam, schützend: Der europäische Binnenmarkt muss wieder mehr ein Konvergenz- als ein Wettbewerbsraum werden. Und das gilt auch für dessen Spiegel nach außen: die Handelspolitik. Alle jenen, die hier ehrgeizige Ziele vertreten, sage ich: „Ich mache gerne mit, unter der Voraussetzung, dass diese Handelspolitik grundlegend erneuert und grundlegend geändert wird. Ich möchte keine neuen Handelsgespräche mit den Regeln von gestern, die zu absurden Situationen geführt haben, wie wir sie heute mit dem Abkommen zwischen Europa und Kanada haben“. Wir brauchen Transparenz in den Verhandlungen und in der Umsetzung der Handelsabkommen. Wir brauchen ökologische Ansprüche in unseren Handelsgesprächen. Und wir brauchen Gegenseitigkeit, indem wir das Amt eines europäischen Staatsanwaltes für den Handel schaffen, der über die Einhaltung der Regeln durch unsere Konkurrenten wacht und unlautere Praktiken unverzüglich sanktioniert.

Um besser funktionieren zu können, kann die Europäische Union die institutionellen Fragen nicht umgehen. Wir können mit einer Kommission aus fast 30 Mitgliedern nicht so weiter machen, dass jeder denkt, er müsse die Interessen seines eigenen Landes verteidigen. Das entspricht weder dem Sinn noch dem Geist Europas. Wir müssen eine Kommission mit 15 Mitgliedern anstreben. Und um voranzukommen, entscheiden wir zunächst ganz einfach, dass die großen Gründerstaaten auf ihren Kommissar verzichten! Wir werden ein Beispiel geben. Auf diese Weise bündeln wir die Zuständigkeiten, anstatt sie zu zerstückeln.

Diese Binnenmarkt- und Rechtsunion ist dazu berufen, sich in einigen Jahren weiter zu öffnen. Warum? Weil diese Europäische Union, auf der Grundlage dieser Werte und dieses Binnenmarkts, wenn sie vereinfacht, neu begründet, bürgernäher, anspruchsvoller in Sachen Handelspolitik ist, ein Europa sein wird, dessen Grenzen noch nicht feststehen.
Diese Union muss sich den Balkanländern öffnen, sobald diese den gemeinschaftlichen Besitzstand und die demokratischen Anforderungen vollständig erfüllen. Denn unsere Union bleibt attraktiv, und ihre Aura ist ein Schlüsselfaktor für Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent. Die Balkanländer werden die vorgesehenen Bedingungen erfüllen müssen – doch ist ihre Anbindung an die neugestaltete Europäische Union unerlässlich dafür, dass sie Europa nicht den Rücken kehren und sich Russland, der Türkei oder autoritären Mächten, die derzeit nicht unsere Werte vertreten, zuwenden.
In dieser auf unverhandelbaren Werten und einem effizienten Markt neu begründeten Union wird Großbritannien in einigen Jahren, wenn es dies wünscht, seinen Platz finden. Deshalb habe ich heute auch nicht über den Brexit gesprochen. Die Gespräche sind im Gange und sie entscheiden nicht über die Zukunft Europas. Aber in einer neu gestalteten, vereinfachten Europäischen Union, wie ich sie vorschlage, kann ich mir nicht vorstellen, dass Großbritannien dort nicht seinen Platz findet.

Wir werden diese anspruchsvolle Erweiterung deshalb akzeptieren können, weil das gestärkte Fundament der Europäischen Union dann größere Differenzierungen ermöglichen wird. Ich stehe voll und ganz zu diesem Ansatz. Europa geht bereits mit mehreren Geschwindigkeiten voran. Wir sollten keine Angst haben, dies auch zu sagen und zu wollen! Weil diejenigen, die schneller vorangehen, es nicht mehr wagen, voranzugehen, sind die Ambitionen als solche verblasst; weil die Anderen, die sie haben voranschreiten sehen, schließlich sagen: „So gut scheint diese Avantgarde Europas nicht wirklich zu sein. Sie wagen es nicht einmal mehr, sich zu treffen, Vorschläge zu machen und voranzugehen.“

Gehen wir also in Richtung dieser Differenzierungen, dieser Avantgarde, dieses europäischen Kerns, von dem ich eben gesprochen hatte. Wir müssen in all unseren großen Herausforderungen vorwärts kommen, indem wir das Tempo beschleunigen und uns ehrgeizigere Ziele setzen. Kein Staat darf aus dieser Dynamik ausgeschlossen werden. Und umgekehrt darf kein Land die Möglichkeit haben, diejenigen zurückzuhalten, die schneller oder weiter vorankommen wollen.

Ich greife hier nun die Vorschläge auf, die Mario Monti und Sylvie Goulard vor einigen Jahren gemacht haben: Die Vorstellung, dass derjenige, der am wenigsten möchte, die Anderen blockieren kann, ist ein Irrglaube. Wir sollten diese vielfältigen Unterschiede annehmen. Europa wird, wie in jedem Schlüsselmoment seiner Geschichte, in erster Linie dank der Entschlossenheit einiger Weniger vorankommen. Dieser Anspruch ist kein Grund zur Ausgrenzung. Es ist der Grundstoff der europäischen Einheit und Souveränität.
Die Zeiten, in denen Frankreich über Europa entschieden hat, hat es nie gegeben, allenfalls in den Fantasien einiger Nationalisten auf Abwegen. Die Zeiten, in denen Frankreich vorgab, über Europa zu entscheiden, mag es gegeben haben. Das möchte ich aber nicht tun. Die Zeit jedoch, als Frankreich Vorschläge gemacht hat, wie Europa gemeinsam mit allen Europäern, die dies wünschen, vorankommen kann, diese Zeit ist jetzt wieder gekommen. Ich denke hier an Robert Schuman, der am 9. Mai 1950 in Paris den Vorschlag wagte, Europa aufzubauen. Ich denke an seine ergreifenden Worte, als er sagte: „Europa ist nicht zustande gekommen, wir haben den Krieg gehabt.“

Heute übernehme ich also Verantwortung, indem ich vorschlage, noch weiter zu gehen, das Wort Europa zu wagen und Zuneigung und Ambitionen hineinzulegen. Es soll nicht darum gehen, Gebote und Zwänge aufzuerlegen oder vorzugeben, alles neu zu erfinden – Vieles wurde schon gesagt – sondern das Risiko einzugehen, eine kohärente, ehrgeizige Vision zu präsentieren, einen Weg, eine Perspektive vorzugeben, anstatt über die Instrumente zu debattieren; das unverzichtbare Risiko einzugehen, Initiativen zu ergreifen.

Zwei Tage nach den Wahlen in unserem wichtigsten Partnerland möchte ich Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut meine Glückwünsche aussprechen. Ich freue mich, weiter mit ihr zusammenzuarbeiten, denn wir teilen dasselbe europäische Engagement und ich weiß um ihr Engagement für Europa. Ich weiß auch, wie schmerzlich es für sie war, zu sehen, dass nationalistische und hasserfüllte Parolen so viele Stimmen bekommen haben. Aber ich weiß, dass sie sich davon nie zurückschrecken und entmutigen lassen wird. Ich weiß, dass sie, wie jedes Mal, wenn ihr Land historischen Herausforderungen gegenüberstand, auf dieselbe Weise reagieren wird: mit Mut und Geschichtssinn. Und das ist es, was ich ihr vorschlage.

Ich schlage Deutschland in erster Linie eine neue Partnerschaft vor. Wir werden uns nicht immer in allen Dingen einig sein oder nicht immer sofort, aber wir werden über alles sprechen. Denjenigen, die sagen, es handele sich um eine unmögliche Aufgabe, antworte ich: Sie haben sich daran gewöhnt, zu resignieren, ich nicht. Denjenigen, die sagen, es sei zu hart, antworte ich: Denken Sie an Robert Schuman, nur fünf Jahre nach einem Krieg, das Blut kaum getrocknet. Zu all diesen Themen, die ich angesprochen habe, können wir entschiedene und konkrete deutsch-französische Impulse geben. Warum nicht gemeinsam eine europäische Innovationsagentur schaffen, ein gemeinsames Programm für künstliche Intelligenz, das Europa zum internationalen Wachstumsmotor machen würde? Warum nehmen wir uns nicht vor, bis 2024 unsere Märkte vollständig zu integrieren, indem wir unsere Unternehmen denselben Regeln unterwerfen, vom Gesellschaftsrecht bis hin zum Konkursrecht?

Genau dieser Pioniergeist, dieser konkrete Wille zeichnet den Elysée-Vertrag aus. Arbeiten wir also an diesen gemeinsamen Verpflichtungen, halten diese in einem neuen Kooperationsvertrag fest, den wir dann zum 55-jährigen Bestehen des Gründervertrages am 22. Januar 2018 gemeinsam unterzeichnen. Lassen Sie uns am 22. Januar nächsten Jahres einen neuen Elysée-Vertrag auflegen.
Diese Ambition teilen wir auch mit Italien. Ich werde morgen mit dem Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni zusammenkommen, und wir werden gemeinsam erste Verpflichtungen in diese Richtung eingehen. Aber diese Vision teilen wir auch mit Spanien, Portugal, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und vielen anderen Partnern. Ich habe in den letzten Monaten 22 meiner Amtskollegen getroffen. Ich möchte mit ihnen allen zusammenarbeiten, mit Demut, aber auch entschlossen, weil jetzt der richtige gekommen Zeitpunkt ist.
Die Zeit, da Frankreich Vorschläge macht, ist zurück, und darüber hinaus werde ich all jenen, die diesen Wunsch nach einem souveränen Europa nach den von mir vorgezeichneten Linien teilen, nach einem vereinten und differenzierten Europa, einem demokratischen Europa mit demokratischen Konventen, all jenen werde ich vorschlagen, in den kommenden Wochen eine Gruppe zur Neubegründung Europas ins Leben zu rufen. Diese Gruppe wird die Vertreter jedes willigen Mitgliedsstaates aufnehmen und die europäischen Institutionen einbinden.

Schreiten wir ab sofort voran. Bis zum Sommer 2018 wird diese Gruppe daran arbeiten, konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der sechs Schlüsselelemente für die Souveränität vorzuschlagen und sich dabei von den Debatten, die aus den demokratischen Konventen hervorgehen, inspirieren lassen.
Wie Sie merken, komme ich ans Ende meine Rede, und Sie haben mich kaum über konkrete Werkzeuge der Umsetzung sprechen hören. Denn Europa war immer ganz besessen, über Verträge, Haushalte, Kapazitäten, Mechanismen zu sprechen, statt über konkrete Projekte. Auf diese Weise kommt man nicht mehr voran. Einen Vertrag zu ändern ist kein Selbstzweck, es ist ein Hilfsmittel zum Erreichen eines Ziels. Gehen wir auch da in der richtigen Reihenfolge vor, Thema für Thema.

Die Gruppe zur Neubegründung Europas wird die notwendigen Veränderungen benennen, ohne Tabu. Je nach Einzelfall wird eine verstärkte Zusammenarbeit, ein ad hoc-Abkommen, eine neue Gesetzgebung erforderlich und, falls das Vorhaben es benötigt, eine Vertragsänderung. Ich bin bereit, dafür einzustehen.
Lassen Sie uns nicht den geschlossenen Club derjenigen bestimmen, die daran teilnehmen können; lassen Sie uns vielmehr den Weg ausmachen, die Vorgehensweise. Dann werden alle, die den Ehrgeiz, den Willen und die Stärke haben, dabei sein, ohne die anderen zu blockieren, ohne sie aufzuhalten.
Die Handlungsvorschläge, die ich gerade formuliert habe, die Initiativen, die ich den Partnern, die es möchten, vorgeschlagen habe, die Zielsetzung, die ich Ihnen dargelegt habe, verfolgen nur ein einziges Ziel: Europa sich selbst und den europäischen Bürgern zurückzugeben. Wir müssen sie überzeugen, dass die 70 vergangenen Jahre kein Zufallsprodukt sind, sondern das Ergebnis eines unbeugbaren Willens, der in einem ungebrochenen Optimismus verankert ist.
Wir müssen den Anspruch dieses Europa wiederfinden, das es möglich machte, dem Krieg den Rücken zu kehren. Wir wissen heute fast nichts mehr über die zerstörten Städte, die Trennungslinien, die Stacheldrähte mitten in Europa; über die Väter, Schwestern, Kinder, die man mit vor Trauer zugeschnürter Kehle beerdigen musste. Wir begegnen in unseren Straßen nicht mehr den Menschen, die der Krieg in untröstlicher Trauer zurückgelassen hat, weil Fanatismus und Nationalismus eine Zeit lang über das Bewusstsein der Völker siegten.
Aber wir sehen bereits wieder etwas anbrechen, was diesen Frieden, in dem wir uns wiegen, zerstören könnte. Also sage ich Ihnen, dass unser ganzer Anspruch darin liegt, dass unser Bewusstsein in dem Moment anspringt, da an allen möglichen Orten in Europa der Obskurantismus erwacht. Stellen wir uns aufrichtig die Frage, welche Zukunft wir wollen, und haben wir alle gemeinsam den Mut, diese aufzubauen.

Ich sage es allen europäischen Staatschefs, allen europäischen Abgeordneten und allen europäischen Völkern: Schauen Sie unserer Zeit ins Angesicht und Sie werden merken, dass Sie keine Wahl haben. Sie genießen nicht den Luxus der vorhergehenden Generation, die verwalten durfte, was errungen und kaum fertiggestellt war. Diesen Luxus genießen Sie nicht. Sie haben die einfache Wahl, ob Sie den Nationalisten, denen, die Europa hassen, bei jeder Wahl etwas mehr Platz einräumen, so dass sie dann in fünf, zehn, fünfzehn Jahren endgültig da sind. Wir haben sie hier bereits gewinnen sehen!

Oder Sie entscheiden sich, Verantwortung zu übernehmen, in allen Bereichen, und dieses Europa zu wollen, alle Risiken auf sich zu nehmen, wir alle in unseren Ländern, denn wir müssen diese Verbindung zu Europa im Herzen tragen. Die Narben, die unser Europa bedecken, sind unsere Narben!
Diesen Anspruch müssen wir jetzt hoch halten. Jetzt, denn die Zeit des Aufschreckens unserer Mitbürger ist gekommen, vor allem jetzt, weil wir für unsere Jugend überall in Europa verantwortlich sind. Die Verantwortung, die heute die Verwalter übernehmen, besteht darin, unsere Jugend in den Händen aller Extreme zu lassen, unserer Jugend eine Zukunft zu bieten, die nicht unseren Luxus genießen wird, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen, unsere Jugend den ganzen Unwägbarkeiten der Geschichte zu überlassen.

Also sage ich allen Staatschefs Europas, dass wir unabhängig von unseren Schwierigkeiten und von allen Turbulenzen eine einzige Verantwortung haben, nämlich die, zu der uns unsere Jugend verpflichtet; die Verantwortung für die kommenden Generationen, die Verantwortung dafür, ihre Dankbarkeit zu erhalten, sonst werden wir ihre Missgunst verdienen. Ich habe mich entschieden.
Vielen Dank.