Gott wollte es so

Eigentlich wollte ich nur den Abschiedsbrief lesen, den Feldwebel Anton Schmid kurz vor seiner Hinrichtung an seine Frau und seine Tochter geschrieben hatte. Doch nach der Lektüre dieser trostreichen Worte an seine Lieben wollte ich den Schreiber näher kennen lernen. Ich las also die Vita des 1900 in Wien geborenen Buben, der dort die Volksschule besuchte, ein Handwerk erlernte und schon bald als Elektriker sein Brot verdiente. Das in seinem Stadtviertel viele Juden lebten, war es kein Wunder dass der lebensfrohe Anton Schmid sich vorübergehend in ein jüdisches Mädchen verliebte. Fleißig und zielstrebig schaffte es der Geselle, sich selbständig zu machen und ein Elektrogeschäft zu gründen. Unter anderen waren auch reiche Juden seine Kunden, und als es galt, zwei Mitarbeiter einzustellen, waren diese Juden. Auch im privaten Leben war das Glück auf seiten Antons. Er liebte und heiratete seine Steffie, die ihm die Tochter Gerta schenkte. Doch dann tat es einen Donnerschlag, der Zweite Weltkrieg begann, Anton wurde Soldat und verließ das irdische Paradies für immer. Als Elektriker kam er in eine Nachrichtenabteilung, die zwei Jahre lang im östlichen Kriegsgebiet eingesetzt wurde. Die letzte Station war Vilna, wo Schmid sich in einer von ihm geleitete Dienststelle um versprengte Soldaten kümmern musste. Diese Stelle gewährte ihm viel Freiheit, und er nutzte sie. Doch zuerst erlebte er hier die Hölle. Täglich wurden im „Jerusalem des Ostens“ (Vilna), und in den Nachbardörfern hunderte Juden auf grauenhafte Weise umgebracht. Feldwebel Anton Schmid wußte von den teuflischen Verbrechen. In einem Brief an seine Frau schriebt er: „Hier waren sehr viele Juden, die vom litauischen Militär zusammen getrieben und auf einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2000 – 3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege dahin gleich an die Bäume angeschlagen – kannst Du Dir das vorstellen?“ Feldwebel Schmid hilft, wo er kann. Mit dem Soldbuch des gefallenen Soldaten Max Huber machte er aus dem Juden Salinger einen deutschen Soldaten, der als Schreiber unter Feldwebel Schmid im Büro arbeitete. Die Jüdin Luisa wird zu einer polnischen Sekretärin, und für mehr als 300 Juden wird er zu einem erfolgreichen Fluchthelfer. Erst als er sich auf die Zusammenarbeit mit litauischen Partisanen einlässt, wird er erwischt, angeklagt, zum Tode verurteilt und am 13. 4. 1942 hingerichtet.
In den Schlusskapiteln ergänzt Professor Wette die. Ausführungen über das Leben des Feldwebels mit Klagen über die deutsche Nachkriegspolitik, die es bis zur Jahrtausendwende versäumt habe, vor allen den Angehörigen der Verurteilten ihre Rechte zu gewähren. Das mag zum Teil stimmen. Der Professor irrt allerdings, wenn er zum Schluss Feldwebel Anton Schmid als Humanist der Aufklärung darstellt. Anton Schmid weist in seinem letzten Brief darauf hin, dass er sterbe, „da Gott es so will, und sein Wille geschehe.“ Er ist als katholischer Christ davon überzeugt, dass er das Gebot der Nächstenliebe von Gott erhalten und danach gehandelt habe. Die christliche Religion ist sein Wegweiser gewesen, Deshalb hätte der Titel auch besser gelautet: Feldwebel Anton Schmid – ein Held des Christentums“.

Wolfram Wette, Feldwebel Anton Schmid – Ein Held der Humanität, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2013, 312 Seiten, 24,99 Euro
ISBN 978 -3 – 10 – 091209 – 1

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