Hier lebende Moslems sind willkommen: Aber gehört der Islam wirklich zu uns? – Über Horst Seehofers neue Debatte und den Wert des Christentums

Horst Seehofer auf dem CSU Parteitag , Foto: Stefan Groß

Falls der Islam nicht zu uns gehört, muss umgehend dieses „uns“ definiert werden. Es geht hier nicht um eine gegenwärtige, momentane Gesellschaft, sondern um eine seit dem 10. Jahrhundert gewachsene Nation in christlich-jüdischen Wurzeln aus der Spätantike. Das kann aber kaum jemand erkennen, der die eigene Herkunft nicht respektiert und wertschätzt.

„Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, sagt der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer der „Bild“ vom 16. März 2018. Das ist eine bedeutsame Richtungsweisung, und diese Zeitung sollte in keinem gutgeführten Archiv fehlen. Deutschland sei durch das Christentum geprägt, sagt Seehofer weiter, und er nennt explizit den freie Sonntag sowie die kirchlichen Feiertage. Bei diesen Feiertagen geht es um komplexe, über Wochen gehende Rituale wie Ostern mit der vorhergehenden Fastenzeit und Weihnachten mit der Adventzeit, die im übrigen ebenfalls eigentlich eine Fastenzeit ist.

Und Seehofer präzisierte seine Worte, ganz im Sinne eines Christentums, das offene Arme für jeden Menschen hat, der guten Willens ist: „Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland.“ Und wieder hat er Recht. Denn das Christentum wird durch eine Kraft angetrieben, die es vor allen anderen Religion auszeichnet: die Kraft der Liebe. Das ist eben kein „Erbarmen“, wie es im Koran aufgeschrieben ist. Sondern diese Kraft geht viel weiter. Sie manifestiert sich in einer Liebe, die so groß ist, dass Gott sich selbst hingibt um der Erlösung der Menschen willen. Die Eckpfeiler dieses Erlösungsgeschehens sind Weihnachten, wo Gott als sich als wehrloses Kind den Menschen gibt, und Ostern, wo durch Jesus Christus, der Gott ist, das Erlösungswerk vollbracht wird. Himmelfahrt und Pfingsten besiegeln und dokumentieren dieses Werk.

Wer ist dieses „uns“?

Nun also gehört der Islam nicht zu „uns“. Wer aber ist gemeint? Wir leben natürlich in einer Gesellschaft, die dauernd in Bewegung ist, zu der ständig neue Menschen hinzukommen – durch Geburt oder durch Zuwanderung. Es ist aber eine Gesellschaft, die aber auf dem Römischen Reich fußt und auf diesem Weg das Wirken Jesu Christi zur Grundlage macht. Das 1949 beschlossene Grundgesetz bildet dazu den rechtlichen Rahmen, aber die Tradition ist das Fundament. Ohne diese Grundlage wäre die Gesellschaft beliebig. Es ist die Aufgabe von Historikern, hier erklärend und vermittelnd zu wirken. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Politiker, die die Geschichte zu würdigen wissen, tendentiell deutlich häufiger Entscheidungen treffen, die langfristig richtig und erfolgreich sind.

Beispiele? Gibt es wie Sand am Meer! Der Sozialismus, der die Geschichte ignoriert und uminterpretiert, ist zum Untergang verurteilt. In Berlin weiß man das genau, in Venezuela kann man es dieser Tage besichtigen. Wer die Geschichte lesen und verstehen kann, ist häufig befähigt, mit traumwandlerischer Sicherheit in die richtige Richtung zu gehen, wenn Entscheidungen zu treffen sind. Helmut Kohl hat das 1989 und 1990 bewiesen. Damals wurde deutlich, wie sehr eine Gesellschaft, die die von Gott gegebene Liebe verinnerlicht und lebt, zu enorm großen Leistungen fähig ist, weil die große Mehrheit der Menschen innerlich frei ist. Und solche positiven Umwälzungen geschehen immer wieder. So gesehen sind die Reformation, der Buchdruck, die Aufklärung, die soziale Marktwirtschaft, ja sogar das deutsche Ingenieurwesen in der Rückschau keine Überraschung. All dies kommt aus dieser zutiefst christlichen, von Gott durch sein Opfer am Kreuz auf Golgatha frei gemachten Gesellschaft. Schließlich ist mit dem tatsächlich geschehenen Erlösungswerk diese Befreiung besiegelt und unumkehrbar.

Wozu eine befreite Gesellschaft fähig ist

Christen haben in ihrem Glauben einen Schatz, der ihnen zuvörderst eine Verpflichtung auferlegt: die von Gott erfahrene Liebe weiterzutragen. Mit der im Evangelium gepredigten Liebe ist es zum Beispiel zu erklären, dass Deutschland in den letzten Jahren ein Millionenheer von Migranten aufnahm, weil diese sagten, sie seien Flüchtlinge. Und auf eine große Zahl von ihnen trifft das ja tatsächlich zu – sie mussten vor einem Krieg fliehen, den Kämpfer einer Religion entfacht hatten, die keine Liebe kennt. Es wird sicher so sein, dass auch andere Religionen das soziale und annehmende Miteinander kennen. Aber die Liebe durch das Erlösungswerk Jesu Christi kennt kein Beispiel und kann nicht kopiert werden.

Immer wieder ist zu hören, dass Christen nicht besser seien als andere Religionen, namentlich nicht besser als der per definitionem blutrünstige Islam radikal-sunnitischer Prägung. Dazu zwei Bemerkungen: Der Mensch ist erstens sündig und muss immer wieder zur Erlösung geführt, an die Liebe Gottes erinnert werden. Wenn es keine Kriege in christlichen Ländern und keine Unrecht durch Christen gäbe, wäre das Erlösungswerk Jesu Christi nicht vonnöten gewesen. Zweitens ist die Offenbarung der Bibel eine Botschaft, die zwar nicht pazifistisch ist, aber zum Frieden führt. Alle in der Bibel geschilderten Kriege und Mordtaten sind Erzählungen, die zum besseren Leben anhalten sollen. Diese Teile der Heiligen Schrift sollen Beispiel dafür geben, wie das Leben zwischen Menschen und zwischen Völkern im Frieden gestaltet werden kann. Und es ist eine Auslegung möglich, eine kontroverse Diskussion bringt unter den Gläubigen bringt immer neue Aspekte und Ergebnisse. Dies ist eine Wurzel unserer Demokratie. So ist zu legitimieren, warum Europa das „christliche Abendland“ ist. Im Gegensatz dazu stellt der gesamte Text des Koran direkte Rede Allahs dar, vom Propheten Mohammed mitgeteilt. Dieser Unterschied zur biblischen Offenbarung ist fundamental!

Eine andere Begründung dürfte schwerfallen

Aber ist die Herleitung unserer gesellschaftlichen Verfasstheit – hierzulande und in ganz Europa – aus dem christlichen Kontext zwingend? Gibt es nicht auch andere Möglichkeiten? Der Diskurs darüber ist offen, und er ist nicht abgeschlossen. Indes: eine andere Begründung des Europa in heutiger Gestalt als auf Rom und die Kirche Jesu Christi dürfte schwerfallen. Das Judentum ist die Wurzel des Christentums, der Heiland ist gläubiger und praktizierender Jude. Das allein begründet das Gebot der größten Liebe und Hochachtung auch für die Mitbürger jüdischen Glaubens, aber diese selbst sind auch als Menschen liebenswert. Genau liebenswert sind die muslimischen Mitbürger, aber es gibt da einen Unterschied. Ihre Offenbarung kennt die Liebe, die von Gott kommt, nicht. Sie sind auf die Erbarmung, die ihnen zuteilwird, zurückgeworfen. Ihr Allah – und dieser Name darf in theologisch genauer Übertragung nicht als „Gott“ übersetzt werden – liebt sie nicht. Es gibt alle guten Gründe, diese Menschen davon zu überzeugen, dass in Gott die Liebe ist und dass sie zu Gott kommen sollen. Der Fachbegriff dafür ist „Mission“.

Doch wer in seiner Tradition bleiben will, mag darin bleiben. Alles andere wäre Anmaßung. Und so hat Horst Seehofer nun auch angekündigt, wieder Islamkonferenzen einberufen zu wollen, um die Probleme der Integration von Muslimen in Deutschland zu diskutieren. Dieser Dialog ist ihm, in bester christlicher Tradition der Menschenliebe, offenbar sehr wichtig. „Wir müssen uns mit den muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und den Dialog suchen und da wo nötig noch ausbauen“, sagt er. Muslime müssten „mit uns leben, nicht neben oder gegen uns“. Um dies zu erreichen, seien gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme erforderlich. „Das erreicht man nur, wenn man miteinander spricht.“

Keine Zukunft ohne Herkunft

Der Dialog gehört zum Kanon des abendländischen Denkens, er hat seine erste Wurzel im Nachdenken über eine Heilige Schrift, die Nachdenken und Interpretation zulässt. In der Bibel wird dies gefördert und sogar gefordert – in anderen Offenbarungen dagegen nicht. Der Dialog ist ein Geschenk und ein Angebot an die, die zu uns kommen. Doch eine stabile, tragfähige Zukunft kann nur auf der Herkunft gebaut werden, und es geht hier um mehr als um eine deutsche Nation, die sich im 10. Jahrhundert abzeichnet – es geht um Europa. Die Vergangenheit bleibt Vergangenheit, aber was auf Dauer Bestand haben und zugleich ein menschliches Gesicht haben soll, muss auf den Werten aufgebaut werden, die diese Weltregion prägen. Seit fast zwei Jahrtausenden sind sie hier präsent, von Rom ausgehend. Das ist eine historische Tatsache.

Mit diesem Wissen ist klar, dass es purer Wahnsinn wäre, wenn wir, um den Bundesinnenminister abschließend zu zitieren, „aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben“. Noch am selben Tag hat jedoch die Bundeskanzlerin reagiert. Sie hat ihrem Bundesinnenminister inhaltlich widersprochen, und sie hat das mit der momentanen Lage begründet. Auf welcher geistigen und geschichtlichen Grundlage sie ihren Standpunkt gefunden hat, hat sie nicht mitgeteilt. Das spricht für sich.

Über Sebastian Sigler 77 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.