Klassik Stiftung Weimar bedauert Verkauf von Goethe-Zeichnungen durch das Haus Henckel von Donnersmarck an österreichischen Privatsammler

Die Klassik Stiftung Weimar bewahrt einen großen, weltweit einzigartigen Bestand an Goethe-Zeichnungen. Grundstock dieser Sammlung ist das Legat von über 800 Zeichnungen Goethes, die mit der Stiftung der Familien Graf Leo Henckel von Donnersmarck und Dr. Felix Vulpius 1885 in das von Großherzog Carl Alexander gegründete Goethe-Nationalmuseum eingebracht wurden. Die Erweiterung dieser Sammlung war deshalb immer ein wesentliches Anliegen der für das Goethe-Nationalmuseum Verantwortlichen. Bis zum heutigen Tag konnten über 2000 Goethe-Zeichnungen in den Bestand der Klassik Stiftung Weimar übernommen werden.
Vor dem Hintergrund dieser Sammlungstradition war es deshalb für die Klassik Stiftung Weimar besonders erfreulich, dass sich die Familie Graf Henckel von Donnersmarck in den Jahren nach der Wende entschlossen hatte, aus dem Schloss Hirschhügel dem Goethe-Nationalmuseum eine Vielzahl von Kunstgegenständen als Dauerleihgaben zu überlassen. Darunter befand sich ein Konvolut von 45 Handzeichnungen, mit 39 eigenhändigen Blättern Goethes, die der Familie im Rahmen der Eigentumsrestitution zurückerstattet worden waren. Grundlage für die Übergabe des Zeichnungskonvolutes an das Goethe Nationalmuseum ist ein bis heute gültiger Dauerleihvertrag, den die Stiftung 1994 mit der Familie Graf Henckel von Donnersmarck abgeschlossen hat. Der Öffentlichkeit wurde diese Gruppe besonders kostbarer Goethe-Zeichnungen in der Ausstellung »Die Goethe-Zeichnungen aus Schloß Hirschhügel bei Rudolstadt« vom 16. Februar bis 23. April 1995 vorgestellt. Die Stiftung hielt seit Abschluss des Leihvertrages einen engen vertrauensvollen Kontakt zum Eigentümer, der nicht nur regelmäßig Weimar besuchte, sondern sich immer wieder einzelne Objekte seiner Dauerleihgaben vorlegen ließ. Anfang des Jahres 2009 trat Graf Henckel von Donnersmarck an die Direktion Museen der Klassik Stiftung mit der Bitte heran, ihm – bei Fortwirkung des Dauerleihvertrages – das Konvolut der 45 Handzeichnungen vorübergehend auszuhändigen. Sein Wunsch war es, die Blätter bei einem Sachverständigen seines Vertrauens in Hinsicht auf offene Zuschreibungsfragen und weitere wissenschaftliche Erforschung untersuchen zu lassen. Zugleich plante er, wie er der Stiftung mitteilte, hochwertige Fotos seiner Leihgaben für den eigenen Gebrauch anfertigen zu lassen. Die Klassik Stiftung kam dieser Bitte auf Grundlage des Vertrages am 16. April 2009 nach.
Zu dieser Zeit bereitete das Goethe-Nationalmuseum eine Ausstellung mit Landschaftszeichnungen Goethes vor. Graf Henckel von Donnersmarck versprach dem für diese Ausstellung verantwortlichen Kurator, die ihm ausgehändigten Zeichnungen so rechtzeitig zurückzugeben, dass sie in der Ausstellung gezeigt werden könnten. Tatsächlich wandte sich dann das Ausstellungsbüro im Sommer an den Eigentümer mit der Bitte, nunmehr die zehn für diese Ausstellung ausgewählten Blätter aus dem Gesamtkonvolut nach Weimar zurückzuschicken. Diese Bitte erfüllte Graf Henckel von Donnersmarck, bat aber zugleich darum, die aus dem Konvolut herausgelösten zehn Goethe-Zeichnungen zum Gegenstand eines zeitlich befristeten Verträge für diese Sonderausstellung zu machen. Die Stiftung schloss diesen Ausstellungs-Leihvertrag am 30. Juli 2009 ab. Die Ausstellung »Johann Wolfgang Goethe – Landschaften« wurde vom 28. August bis zum 15. November 2009 im Goethe-Nationalmuseum gezeigt.
Der Wunsch des Grafen Henckel von Donnersmarck nach diesem gesonderten Vertrag, der die Konditionen des Dauerleihvertrages veränderte, war der Grund, für umgehende Gespräche mit dem Eigentümer, um zu bekräftigen, dass die Klassik Stiftung Weimar höchstes Interesse am Verbleib oder einem Ankauf des Hirschhügel-Konvolutes habe, sollte sich Graf Henckel von diesen Zeichnungen trennen wollen. Leider führten diese Angebote von Seiten der Stiftung zu keiner Klärung. Im Gegenteil stand zu befürchten, dass sich Graf Henckel einen Verkauf der Zeichnungen vorbehielt, ohne die Interessen der Klassik Stiftung Weimar zu berücksichtigen.
In dieser Situation entschloss sich die Klassik Stiftung, beim zuständigen Thüringer Kultusministerium das gesamte Konvolut der 45 Goethe-Zeichnungen als national wertvolles Kulturgut unter Schutz zu stellen. Dieser Antrag und damit die Unterschutzstellung wurden am 25. November 2009 wirksam. Die zehn in Weimar befindlichen Zeichnungen aus dem Eigentum des Grafen Henckel von Donnersmarck wurden diesem gemäß Ausstellungs-Leihvertrag am 22. Dezember 2009 zurückgegeben, nachdem die Stiftung und der Eigentümer über den Eintritt der Wirksamkeit des Kulturgüterschutzes von Seiten des Ministeriums unterrichtet worden waren.
Das Thüringer Kultusministerium informierte die Klassik Stiftung Weimar mit Mail vom 7. Oktober 2010 darüber, dass Graf Henckel von Donnersmarck das ihm gehörende Konvolut von Goethe-Zeichnungen an einen Privatmann verkauft und ins Ausland verbracht habe. Die Klassik Stiftung Weimar bedauert diese Entscheidung des Eigentümers außerordentlich, zumal sie ihm gegenüber immer zum Ausdruck gebracht hat, dass sie im Falle eines Verkaufswunsches an dem Erwerb der Goethe-Zeichnungen interessiert sei. Da die zehn Leihgaben, die sich im Spätsommer und Herbst 2009 in Weimar befunden haben, nicht ins Ausland verbracht werden konnten, bemüht sich die Stiftung, über diese Zeichnungen mit dem Eigentümer ins Gespräch zu kommen.
Die Klassik Stiftung legt Wert auf die Feststellung, dass zu keinem Zeitpunkt »Goethe-Zeichnungen in Weimar verschwunden« sind, wie die Bild-Zeitung am 14. Oktober 2010 behauptet. Vielmehr hat die Stiftung stets vertragsgemäß gehandelt. Die Behauptung der Bild-Zeitung Thüringen, Präsident Seemann habe gegenüber dem Thüringer Kultusministerium in einem Brief erklärt, dass »39 Kunstwerke für 1,5 Mio. € an einen Sammler in Österreich verkauft« wurden, trifft nicht zu. Über den Verkauf wurde Präsident Seemann erst am 7. Oktober 2010 informiert. Sein letzter Brief in dieser Angelegenheit an das Thüringer Kultusministerium stammt vom 25. November 2009. Die Klassik Stiftung kann keinerlei Angaben darüber machen, wie, wann und warum Inhalte vertraulicher Briefe des Präsidenten an die Öffentlichkeit gelangt sind.

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