Kunst in Venedig im 16. Jahrhundert

Venedig, Foto: Stefan Groß

Neben Florenz und Rom war die wohlhabende Stadt das dritte große Zentrum der Renaissance.[1] Kulturelle Einflüsse aus dem Osten spiegelten sich dort in der goldgrundigen Ikonenmalerei, der Mosaiktechnik und den Kuppelbauten, wie etwa San Marco. Venedig war im frühen 16. Jahrhundert die führende Handelsmacht Italiens, obwohl es zu Beginn des Jahrhunderts in Kämpfen viele seiner Besitzungen auf dem Festland, der Terraferma, verloren hatte. Venedig herrschte am Ende des 15.Jahrhunderts über Venetien, Friaul und einen großen Teil der Lombardei. Gründe für die Machtausdehnung auf das Festland waren die Konkurrenz der Osmanen, die wachsende Bedeutung der Handelswege durch die Po-Ebene und über die Alpen nach Mittel- und Nordeuropa sowie die Möglichkeit der Lebensmittelproduktion auf den eigenen Landgütern. Nördlich der Alpen war die Nürnberger Börse ein wichtiger Handelsplatz für Waren aus Venedig.

Die großen Staatsaufträge der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert gingen häufig an die Bellini-Werkstatt.[2] Giovanni Bellini, Schüler seines Vaters Jacopo, entwickelte aus dem mehrteiligen, oft auf Goldgrund angelegten Altären in gotischen Schnitzrahmen eine neue Form des Altarbildes. Er zeigte die Heiligen nicht mehr auf einzelnen Tafeln, sondern stellte sie gemeinsam dar. Eine solche Sacra Conversazione ist heute noch an ihrem Bestimmungsort, der venezianischen Kirche San Zaccaria, zu sehen. Der gemalte Bildraum korrespondiert mit dem Kirchenraum. Vor der thronenden Maria und ihrem Kind, zu ihrer Linken stehen der Heilige Petrus und Katharina, zur Rechten Marias Lucia und Hieronymus. Seitlich der gewölbten Nische öffnen sich schmale Streifen einer Landschaft, aus ihnen scheint das in die Szene einfallende Licht herzurühren. An die Stelle des Goldgrundes traten in Bellinis Bildern neben gemalter Renaissance-Architektur zunehmend größere Ausblicke in die Landschaft.

Schon 1483 war Giovanni Bellini offizieller Maler Venedigs geworden, viele bemühten sich um ein Bild aus seiner Hand – ein Novum im Verhältnis von Künstler und Auftraggeber.[3] In der Werkstatt der Brüder Bellini, neben Giovanni war auch sein Bruder Gentile dort tätig, lernten auch Tizian und Giorgione das Malerhandwerk. Wie kein zweiter steht Tizian für die Malerei der venezianischen Renaissance. Von illustren Auftraggebern wurde er Zeit seines Lebens geschätzt. Als Hofmaler Karls V. portraitierte er den Kaiser mehrmals, dessen Sohn Philipp II. von Spanien bestellte ebenfalls Werke von Tizian, die Päpste warben ebenfalls um seine Malergunst. Der geschäftstüchtige Maler unterhielt in seiner Heimatstadt eine große Werkstatt mit mehreren Gehilfen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden.

Sein vielleicht bekanntestes Gemälde mit der Himmelfahrt Mariens ist fast sieben Meter hoch.[4] Das Werk entstand 1516-1518 für den Hauptaltar der Franziskanerkirche Santa Maria Gloriosa die Frari in Venedig. Zunächst war Tizian von seinem Lehrer Bellini beeinflusst, doch schon bald wich die Ruhe in seinen Kompositionen der dynamischen Darstellung des Geschehens mit dramatischen Lichteffekten. In der Assunta sind die Apostel im unteren Bildrandwie zu einem Block versammelt und begleiten mit staunend emporgerichteten Köpfen und nach oben gestreckten Armen die Auffahrt Mariens in den Himmel. Körper und Gewänder unterstreichen den Schwung der Bewegungen, die Maria im Halbkreis umgebenen Engel betonen den Aufwärtszug. Das Rot des Mariengewandes verbindet sie mit zwei der Apostel zu einem Dreieck, das obere und untere Bildhälfte miteinander verbindet. Die Figuren sind weich modelliert und verschmelzen mit dem sie umgebenen Raum. Der Verzicht auf scharfe Konturen zugunsten der Farbwirkung ist kennzeichnend für die venezianische Malerei.

Bildwürdig schien Tizian nicht nur das biblische Geschehen, er schuf auch eigenständige Landschaften doch zunächst nur als Graphiken und nicht als kostspielige Ölbilder.[5] Neue Kompositionen erprobte Tizian jedoch auch in seiner Malerei. Seinem Ruhm hatte er es zu verdanken, dass verschiedene Auftraggeber ihm mitunter die Wahl des Bildthemas überließen. Zu diesem neuen Selbstbewusstsein auf Seiten der Künstler passt auch eine Anekdote, die Tizians Biograph Ridolfi bereithält: Angeblich habe Kaiser Karl V. Tizian den Pinsel aufgehoben, als er diesem beim Portraitieren heruntergefallen sei. Sicher ist, dass Künstler sich auch in Venedig eine angesehene gesellschaftliche Stellung erarbeitet hatten.
Neben Tizian konnten sich auch andere Maler in Venedig etablieren – jeder in seiner Nische: Giorgione schuf Landschaftsbilder mit für heutige Betrachter schwer zu entschlüsselnden Motiven, Veronese malte großformatige und prunkvolle Festszenen, Tintoretto besorgte die malerische Ausschmückung der Scuola di San Rocco, einer dem Heiligen Rochus geweihten Laienbruderschaft.[6]

Auch außerhalb der Lagunenstadt, auf dem Festland, fanden sich Aufträge für viele Künstler. Andrea Palladio war der Villenbaumeister im Veneto des cinquecento.[7] Über 100 von ihm entworfenen Bauten sind erhalten. Palladio studierte die Architektur der Antike, was sich auch in seinen architekturtheoretischen Werken niederschlug. In seinem 1570 erschienenen und über Jahrhunderte einflussreichen Architekturtraktat stellte er seine eigenen Bauten neben antike Bauwerke. Palladio orientierte sich, wie schon die Baumeister der Frührenaissance, an den Schriften Vitruvs und befasste sich vor allem mit dessen Angaben zu den Säulenordnungen.[8] Abgesehen von seinem Traktat publizierte Palladio auch Führer zu den antiken Bauwerken und den Kirchen Roms. Seine in der Auseinandersetzung mit antiker Baukunst entwickelten Entwürfe wurden von der Architektur der folgenden Jahrhunderte immer wieder aufgegriffen.[9]

Auch bei der in der Antike geschätzten Villenkultur nahm die Renaissance Anleihen. Die Vorzüge des Landlebens vor den Toren der Stadt wurden, im Einklang mit den wiederaufgelegten antiken Autoren, gepriesen. Um die Bauaufgabe Landsitz machte sich vor allem Paladio verdient. Bei Vicenza schuf er mit der Villa Rotonda ein Landhaus, dessen Hauptbau sich auf einem exakt quadratischen Grundriss mit Kuppelsaal erhebt und dessen vier Außenseiten jeweils ein Portikus mit Säulen und Giebel vorgelegt ist.[10] Die Innenansicht der ebenfalls von ihm eingerichteten Villa Barbaro zeigt die schlichten, auf die Antike zurückgehenden Grundformen der Architektur der Renaissance. Ausgestattet wurde die Villa nahe des norditalienischen Treviso von Paolo Veronese. Sein Freskenzyklus ist eine Verherrlichung des Landlebens, kontrastiert mit Ausblicken in die umgebende Landschaft. Weitere Darstellungen beziehen sich unter anderem auf klassische Tugenden und die antike Götterwelt, aber auch auf das idealisierte Alltagsleben in der Villa. Harmonie als Weltordnung, in der Natur und in der Familie ist das übergeordnete Thema der gesamten Villa. Im ersten Raum, der Sala a Crociera, sind neben sechs idealisierten Landschaftsdarstellungen acht Musikspielerinnen im Querriegel abgebildet, ein Mann und ein Mädchen scheinen einzutreten. Antike Allegorien sind auch in den übrigen Räumen zu finden, die Villa ist ein Musterbeispiel der Gedankenwelt der Renaissance.

[1]Waiblinger, F. P. (Hrsg.): Venedig. Ein literarischer Reiseführer, Darmstadt 2003, S. 18
[2] Zuffi, S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 125
[3] Stützer, H. A.: Die italienische Renaissance, Köln 1977, S. 100
[4] Gombrich, E. H.: Eine Geschichte der Kunst, London 1995, S. 107
[5] Zuffi, S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 145
[6]Romanelli, G. (Hrsg.): Venedig. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 15
[7]Waiblinger, F. P. (Hrsg.): Venedig. Ein literarischer Reiseführer, Darmstadt 2003, S. 87
[8] Zuffi, S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 135
[9] Stützer, H. A.: Die italienische Renaissance, Köln 1977, S. 178
[10]Romanelli, G. (Hrsg.): Venedig. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 54

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Über Michael Lausberg 543 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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