Markus Ferber: Europa ist ein Erfolgskonzept

Markus Ferber Foto: Stefan Groß

Die Erfolgsgeschichte Europa

Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte. Sie steht sinnbildlich für Frieden, Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Nichtsdestotrotz steht die Europäische Union heute vor großen Herausforderungen. Europafeindliche und populistische Bewegungen sind im Aufwind, in manchen Mitgliedstaaten werden grundsätzliche rechtsstaatliche Prinzipien in Frage gestellt, der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wirft fundamentale Fragen zur Zukunft des politischen Projekts Europas auf.

Im Zuge dieser globalen Entwicklungen beobachte ich, wie die europäische Gemeinschaft immer mehr an Bedeutung zu verlieren droht, während das nationalstaatliche Denken immer weiter in den Vordergrund rückt. Begleitet werden diese Rückschritte vom Aufstieg populistischer Parteien und Regierungen, die das Dasein der EU immer lauter in Frage stellen.

Solchen Zweifeln am europäischen Projekt, an der Europäischen Union, gilt es ganz klar eine Absage zu erteilen. Denn angesichts der vielen Herausforderungen, brauchen wir jetzt mehr denn je europäische Zusammenarbeit, europäische Lösungen und europäische Solidarität. Denn ganz grundsätzlich garantierte das Friedensprojekt Europa eine ungekannt lange Friedensperiode auf dem europäischen Kontinent, in der sich alle Mitgliedstaaten, wirtschaftlich und politisch entfalten können. Nun, da sich die weltpolitischen Verhältnisse ändern, muss sich auch die EU anpassen, neue Aufgaben übernehmen und international durchsetzungsfähiger werden.

Heute ist es also wichtiger denn je, in der EU mit einer Stimme zu sprechen und sich an die europäische Solidarität und das europäische Wertegerüst zu erinnern.  Damit die Europäische Union auch in Zukunft eine Erfolgsgeschichte bleibt, muss sie auf Basis klarer Grundwerte mutig die Zukunft gestalten.

Denn die Frage ist nicht „Brauchen wir Europa?“, sondern „Welches Europa wollen wir?“

Gemeinsame Lösungen für ein besseres Europa

Für die Menschen in Europa ist eine Europäische Union, die sich großen Fragen widmet, ein Gewinn. Nicht nur in den Bereichen Sicherheit und Handel profitieren die Menschen in Europa von einer starken EU, es gibt zahllose andere Beispiele dafür. Die EU unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen, stellt Fördergelder für die Erneuerung und Modernisierung von ländlichen Kommunen bereit, fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte und bietet Jugendlichen, Auszubildenden und Studierenden im Rahmen von ERASMUS die Möglichkeit, im Ausland zu leben und zu lernen. Jedoch geht es darum, gemeinsam daran zu arbeiten, die EU in diesen Bereichen noch besser zu machen. 

Ein Europa mit einer starken Außenpolitik

Damit europäische Anliegen in der Welt gehört werden, müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit einer Stimme sprechen. Dies ist nur möglich indem wir unsere Handlungsfähigkeit erhöhen. Deswegen sollten außenpolitische Entscheidungen im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit statt einstimmig gefällt werden.

Zudem ist eine neue Partnerschaft mit Afrika, die auf Bildung, Gesundheit und dem Energiewandel beruht wichtig, um Fluchtursachen frühzeitig zu bekämpfen. Eine solche Partnerschaft muss auch außen-, handels- und entwicklungspolitische Elemente umfassen, um ganzheitlich Fluchtursachen anzugehen.

Ein Europa der Sicherheit

Ich sehe ein Europa, das Sicherheit in all ihren Dimensionen gewährleistet. Für die bestmögliche Verteidigung brauchen wir einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt und eine gemeinsame Handlungsdoktrin. Dies ermöglicht eine bessere Integration der europäischen Einsatzkräfte und dient dem Langfristziel einer europäischen Armee. Für einen besseren Schutz der Außengrenzen ist es auch wichtig, die EU Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex mit ausreichend Personal auszustatten.

Wir brauchen ein Europa, das die Menschen vor den Gefahren der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus schützt. Dafür brauchen wir eine effektive Zusammenarbeit und einen funktionierenden Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten der Mitgliedstaaten.

Ein Europa, das auf die Herausforderung der Migration reagiert

Der Streit um den richtigen Ansatz in der Flüchtlingspolitik hat die Mitgliedstaaten lange entzweit. Deswegen brauchen wir einen neuen, ganzheitlichen Ansatz in der Flüchtlingspolitik, der auch eine faire Lastenteilung umfasst.

In Anbetracht der Herausforderung der Migrationsströme ist es wichtig, eine europäische Asylbehörde zu etablieren, die die Verfahren beschleunigt und harmonisiert. Die gemeinsame Asylagentur der EU muss in der Lage sein, operative und technische Hilfe bereitzustellen, wenn Mitgliedstaaten diese benötigen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Grenz-und Küstenwache notwendig, um integrierte europäische Unterstützungsleistungen in den Bereich des Asylmanagements zu gewährleisten. 

Ein Europa der Nachhaltigkeit

Die Europäische Union hat bei der Bekämpfung des Klimawandels eine Vorreiterrolle eingenommen. Besonders in Bezug auf die Pariser Klimaverhandlungen können wir uns als Vorreiter betrachten. Wir spielen eine entscheidende Rolle, indem wir mit wichtigen Volkswirtschaften, insbesondere mit China, zusammengearbeitet haben, um mit ehrgeizigeren und mit größeren globalen Anstrengungen den Klimawandel zu bekämpfen. Diesen Weg müssen wir weiter beschreiten. Durch Investitionsförderung können wir die Führungsrolle Europas beim Wandel hin zu einer saubereren und effizienteren Wirtschaft ausbauen.

Um Europas Straßen sauberer zu machen, müssen wir sicherstellen, dass wir weiterhin bei der Entwicklung neuer, sauberer Technologien im Verkehrsbereich an der Spitze des Fortschritts stehen. Dafür müssen wir den Aufbau der dafür benötigten Infrastrukturen unterstützen.

Europas Gemeinsame Agrarpolitik muss nachhaltiger werden und sich am Ideal der bäuerlichen Landwirtschaft orientieren. Bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik muss neben der Nachhaltigkeit auch die Versorgungs- und Ernährungssicherheit der Europäer gewährleistet werden. Wichtig ist auch, dass an zentralen Elementen des derzeitigen GAP festgehalten wird. Beispielhaft zu nennen sind hier: die Marktorientierung der Politik, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Einkommensunterstützung der Landwirte durch EU finanzierte Direktzahlungen. Zudem muss das neue Modell zur Umsetzung der GAP einen größeren Gestaltungsspielraum für Mitgliedstaaten vorsehen, da wichtige landwirtschaftliche Themen, gemäß dem Prinzip der Subsidiarität, oft besser auf Länderebene behandelt werden.

Ein Europa, das die Digitalisierung gestaltet

Die Europäische Union muss den digitalen Wandel aktiv gestalten. Heute im digitalen Zeitalter brauchen wir zukunftweisende Projekte, um international als Spitzenreiter zu gelten. Das europäische Satellitensystem Galileo macht uns in der Satelliten-Kommunikation unabhängiger. In Zukunft müssen wir gemeinsam an Projekten im Bereich der Informationstechnologie und IT-Infrastruktur arbeiten, mit dem Ziel unabhängiger von US-amerikanischen und chinesischen Internetkonzernen zu werden. 

Zudem müssen wir das Forschungsrahmenprogramm ausbauen, entbürokratisieren und einen besonderen Schwerpunkt auf Digitalisierung und andere Zukunftsthemen legen.

Die heute geltenden Steuervorschriften für Unternehmer sind in Betracht auf die moderne und globale Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß, denn sie erfassen keine Geschäftsmodelle, mit denen ohne physische Präsenz in einem Land Gewinne erwirtschaftet werden können. Deswegen müssen wir das Unternehmenssteuerrecht um das Konzept einer digitalen Betriebstätte ergänzen, damit auch digitale Plattformen in Europa Steuern zahlen, wenn sie in der EU Gewinne erwirtschaften.

Europa als Wirtschafts- und Währungsmacht

Die Eurozone muss das Zentrum der wirtschaftlichen Kraft Europas in der Welt werden. Dazu müssen wir die gemeinsame Währung und die Wirtschafts- und Währungsunion insgesamt stärken. Die EU sollte zu einer Stabilitätsunion werden. Um dies zu erreichen, muss die haushaltspolitische Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gestärkt werden.

Für ein starkes Europa brauchen wir auch starke Banken. Die Bankenbilanzen müssen durch den Abbau ausfallgefährdeter Kredite gestärkt werden und die Verknüpfung von kriselnden Banken und kriselnden Staaten muss aufgelöst werden.  

Ein Europa des Austausches

Europa lebt von seiner Vielfalt und vom kulturellen Austausch. Das europäische Zugehörigkeitsgefühl muss durch Intensivierung des Austauschs gestärkt werden, damit jeder junge Europäer die Möglichkeit hat, andere europäische Länder und Kulturen kennenzulernen und neue europäische Sprachen zu lernen.

Zudem sehe ich in der Zukunft ein europäisches Bildungsnetzwerk. Um den Austausch der Wissenschaft zu intensivieren müssen wir europäische Universitäten und universitäre Netzwerke schaffen. Programme wie Erasmus, sind wichtig um für junge Europäer die Grundlage zu schaffen, sich mit der EU identifizieren zu können. Des Weiteren sind solche Programme fundamental für den Austausch nicht nur von Kulturen, sondern auch von Wissen und Kompetenzen.

Um diesen Austausch der Kompetenzen zu erreichen, sollte auch der Austausch von Fachkräften erleichtert werden und die Anerkennung von Abschlüssen innerhalb der EU weiter vereinfacht werden.

Nicht jedes Problem ist ein Problem für Europa

Während sich die EU also auf all diese wichtigen Themenbereiche konzentrieren muss, ist es wichtig, gleichzeitig Bereiche zu identifizieren, in denen es nicht zwangsläufig europäische Lösungen braucht.

Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sind Leitprinzipien der Europapolitik und deswegen muss in diesem Zusammenhang die Kernfrage lauten: Brauchen wir für alles eine europäische Lösung?

Unterschiedliche Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Traditionen und unterschiedlich leistungsstarken Verwaltungen beantworten diese Frage manchmal unterschiedlich.

Jedoch brauchen wir in der Umsetzung von europäischen Themen für die Mitgliedsstaaten mehr Spielräume. Denn eine starke Union ist auch eine europäische Union, die das Prinzip der Subsidiarität achtet. Das ist auch für starke Regionen wichtig, um ihnen Raum zur aktiven und eigenverantwortlichen Mitgestaltung zu lassen. Diese Idee „Groß im großen, Großzügigkeit im Kleinen“ wird langsam durchgesetzt durch Programme wie dem REFIT. Es ist wichtig, dass verschiedene Interessensgruppen zusammengeführt werden um zu identifizieren, welche EU Rechtsvorschriften verbessert werden müssen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Rechtsvorschriften der EU für die Staaten effizienter und kostengünstiger werden. Es muss auch ein Bewusstsein Wandel erfolgen, denn wenn Mitgliedstaaten mehr Freiräume gestatten werden, können sie auch europäischen Themen besser umsetzen. 

Hier geht es aber nicht nur um Fragen der Zuständigkeit. Wichtig ist auch, die Identifikation der Bürger mit der EU zu stärken. Das funktioniert nur, wenn die Vielfalt der Regionen, ihre Traditionen und ihr kultureller und sozialer Reichtum geachtet wird.Für ein starkes Europa gilt es also auch, unsere Kommunen fortschrittlich, chancenreich, funktional und lebendig zu gestalten.

Mein Wunsch für die Zukunft Europas

Ein Europa der Regionen, das dort groß und entschlossen ist, wo man nur gemeinsam stark sein kann. Ein Europa, das aber gleichzeitig dort großzügig ist, wo es Spielräume für die Regionen und Kommunen gibt. Meine Vision für ein starkes Europa der Regionen, das sich folgenden Prinzipien verpflichtet fühlt: Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und der Regeltreue.

Wenn ich also über die Zukunft Europas nachdenke, dann erinnere ich mich stets daran, was das oberste Ziel des europäischen Projekts ist – nämlich eine bessere Zukunft für die europäischen Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. In meinen Augen ist das nur zu erreichen durch ein Europa, das stark und solidarisch zusammensteht und an gemeinsamen, langfristigen Lösungen für globale Probleme arbeitet.

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