Religionsfreiheit schützen heißt auch durchsetzen

Verfolgung Andersgläubiger hat verschiedene Wurzeln

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Von Martin Lessenthin

 

Die Religionsfreiheit steht weltweit so stark wie lange nicht mehr unter Druck. Dies dokumentieren und analysieren die Anfang Dezember erschienenen Jahrbücher Religionsfreiheit 2022-23. Allein die verheerenden Terroranschläge zu Weihnachten auf Christen in Nigeria mit rund 200 Toten bestätigten zum Jahresende erneut grausam, wie schlecht es um die Glaubensfreiheit in bevölkerungsreichsten Staat Afrikas bestellt ist. Terroristische Überfälle, Verfolgung, extreme Intoleranz, Hass und systematische Diskriminierung sind aber auch in vielen anderen Staaten traurige Realität.

In vielen Fällen erwächst die Verfolgung Andersgläubiger aus einer symbiotischen Verbindung von religiösem Extremismus mit staatlicher Macht. Die Herrschenden in Iran, Afghanistan, Myanmar, Indien, Pakistan und Saudi-Arabien diskriminieren und verfolgen Andersgläubige systematisch. Dazu dienen auch religiöse Unterwerfungs- und Verfolgungsgesetze, die zum Beispiel angebliche „Blasphemie“ oder „Verderben bringen auf Erden“ unter schwerste Strafen, bis hin zur Todesstrafe stellen. Auch die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen oder ihre Abwendung von der Religion öffentlich machen, steigt an. Die islamischen Republiken im Iran, Afghanistan und Pakistan treten dabei besonders in Erscheinung.

Religiöse Minderheiten sind aktuell Opfer von Verfolgung durch totalitäre Staaten wie China, Kuba, Nordkorea oder den Gottesstaat Iran. Zugleich sind sie Opfer nichtstaatlicher extremistischer Bewegungen. Religiös extremistische Verfolger sind unter anderem Islamischer Staat, al-Qaida, alShabaab in Somalia, Hisbollah im Libanon, Huthi Milizen im Jemen, Hamas und Islamischer Dschihad in den Palästinensergebieten, Hindu-Extremisten in Indien, Boko Haram und islamistische Fulani-Milizen in Nigeria.

Extreme religiöse Intoleranz befeuert das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Patriarch Kirill propagiert den russischen Angriffskrieg und die Landnahme für den allein richtigen Glauben. Opfer sind gleichermaßen Juden, muslimische Tataren, Katholiken und Protestanten. Russlands Kern sei das russisch-orthodoxe Volk, so Kyrill. Er beschuldigt zugleich Andersgläubige, den Frieden in Russland zunehmend zu bedrohen. Das Leben für die „einheimische Bevölkerung“ sei in einigen Gebieten fast unerträglich.

Hassverbrechen und Gewaltaufrufe haben aber auch hierzulande Hochkonjunktur. 2023 konnten sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Alltägliche Bedrohungen, Beleidigungen, Gewalt auf den Straßen, nicht nur bei Demonstrationen, Brandanschläge und Hassaufrufe haben Hochkonjunktur und sogar derAngriff der Hamas auf Israel und die Morde an jüdischen Zivilisten werden öffentlich gutgeheißen.

„Wenn Häuser in denen Juden leben gekennzeichnet werden und auf unseren Straßen religiös motivierter Hass verbreitet wird, muss der Staat mit äußerster Entschiedenheit gegen die Täter vorgehen“, forderte am 10. Dezember Prof. Thomas Schirrmacher, Präsident der weltweiten Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und Herausgeber der Jahrbücher Religioinsfreiheit. Dieser Appell an die Bundesregierung und die deutschen Landesregierungenverdient unser aller Unterstützung. Die Freiheit des Glaubens muss durch einen demokratischen Staat geschützt werden. Der Staat ist besonders gefordert, wenn diejenigen die er schützt, Andersgläubige bedrohen oder gar angreifen.

Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke (Hg.). Jahrbuch Religionsfreiheit 2022/23. Studien zur Religionsfreiheit Bd. 40. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2023. ISBN 978-3-86269-281-1. Pb. 248 S. DOI: 10.59484/JBNK6921.Das Standardwerk zur Religionsfreiheit 2022/23 und das Standardwerk zur Verfolgung von Christen 2022/23 in einem Wendebuch zusammengebunden – jedes Jahrbuch beginnt auf einer Seite des Umschlages. Herausgegeben für den Arbeitskreis für Religionsfreiheit der Deutschen und Österreichischen Evangelischen Allianz und die Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit der Schweizerischen Evangelischen Allianz, das Internationale Institut für Religionsfreiheit und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte von Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke. Die aktuellen Ausgaben sind als zum Wendebuch zusammengebundenes Jahrbuch für insgesamt 14 Euro (bis 2022 12 Euro) im Buchhandel erschienen. Link zu den Jahrbüchern: https://iirf.global/jahrbuch/

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Über Martin Lessenthin 10 Artikel
Der Publizist und Historiker Martin Lessenthin ist Botschafter für Menschenrechte. Er berichtete in verschiedenen politischen Gremien – zum Beispiel Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bunderstages - als Sachverständiger zu Menschenrechtsfragen. Lessenthin wirkt als Autor von gutachterlichen Stellungnahmen für politisch Verfolgte und Glaubensverfolgte sowie für politische Stiftungen und Bildungswerke u.a. im Rahmen der Integration von Geflüchteten. Auf Beschluss des Deutschen Bundestags wurde er 2016 in das Kuratorium des DIMR, dem Deutschen Instituts für Menschenrechte, Berlin gewählt und 2020 für eine zweite Amtsperiode gewählt. Von 2001 bis 2023 wirkte Lessenthin als Vorstandssprecher der Menschenrechtsorganisation IGFM, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Frankfurt/M. Geboren 1957. Journalist. Studium der Geschichtswissenschaften, Politische Wissenschaften, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1989 bis 1998 Chefredakteur Deutsche Gewerkschaftszeitung, Stuttgart. Von 1992 bis 1998 Geschäftsführer Neuer Deutscher Gewerkschaftsverlag, Duisburg/Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Menschenrechtsfragen, Medienpolitik, Gewerkschaften.