Wie Touristen ungewollt die Militärdiktatur finanzieren – Kubas Generäle agieren als Wirtschaftsmacht gegen das Volk

Demonstration der Damen in Weiß im Park bei der der Gemeinde Santa Rita. Bildrechte: BfM

Die karibische Insel Kuba steht unter der Herrschaft einer Diktatur, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortet. Aktuell über 1.100 politische Gefangene sind ebenso eine traurige Realität, wie die Schönheit der Natur, kritisiert das Menschenrechtsnetzwerk “Botschafter für Menschenrechte”. Kubas Regierung beklagt den Rückgang des Tourismus, sieht aber die Ursachen nicht bei sich selbst, sondern allein bei den Nachwirkungen der Corona Pandemie und einer schwierigen Weltlage. Statt der für 2023 erwarteten 3,5 Millionen Feriengästen kamen nur 2,3 Mio., obwohl der Anteil russischer Urlauber stark gestiegen ist. 2018 besuchten noch 4.8 Mio. Gäste die ehemalige Zuckerinsel. Demgegenüber boomt das Tourismusgeschäft in Mexico, der Dominikanischen Republik und Costa Rica.  Die Gründe will das kubanische Regime nicht sehen.

Dennoch ist Kuba für Urlauber aus Deutschland ein kostengünstiges Reisesziel, vor allem für diejenigen, die “All Inclusive”-Angebote suchen. Etliche glauben, mit einer Reiseentscheidung für Kuba zugleich eine gute Tat zu tun, weil die arme Bevölkerung in dem sozialistischen Entwicklungsland vom Tourismus profitiere. Damit setzen die gutmeinendne Feriengäste aber auf die falsche Karte, denn sie finanzieren de facto nur Kubas Machtelite aus Militär und Partei.

Verantwortlich für den systematischen Betrug am kubanischen Volk ist GAESA, die seit 1995 bestehende Grupo de Administración Empresarial de las Fuerzas Armadas (Gruppe für Unternehmensmanagement der Streitkräfte, abgekürzt GAESA). Knapp 22 Prozent der kubanischen Wirtschaft gehören offiziell dazu, real ist der Anteil möglicherweise größer. Die Geschäftspolitik von GAESA ist geheim. Ob das Militär überhaupt Steuern an den kubanischen Staat zahlt ist fraglich. Kaum ein Tourist weiß, welchen Preis die einfachen Kubaner für den Tourismus zahlen müssen und wer auf der Insel vom Tourismus profitiert. Hotelketten und Reiseführer verbreiten stattdessen unkritische Revolutionsfolklore und verharmlosen romantisch die Armut der Bevölkerung als unbeschwerten karibischen Lebensstil.

Kuba-Tourismus im Griff von GAESA

Der gebürtige Kubaner und Politologe Gutierrez, hat die unternehmerische Expansion des kubanischen Militärs analysiert: “Zum GAESA Konglomerat gehören Werbeagenturen, Kommunikationsunternehmen, Ferienanlagen, Immobiliengesellschaften, Banken, Unternehmen, die Filme produzieren und verkaufen und Musik vermarkten, Reise- und Transportagenturen, Baufirmen, die Luxushotels bauen, und sogar die Unternehmen, die die Medikamentenbehälter für einige medizinische Produkte Kubas herstellen. GAESA-Unternehmen sind auch die Hauptanbieter von Dienstleistungen für den Tourismussektor. Im Hafen von Mariel importieren sie Waren, erbringen Lager- und Transportdienstleistungen und beaufsichtigen die ausländischen Unternehmen. Sie produzieren und verkaufen landwirtschaftliche Erzeugnisse, erstellen kartografische Studien und topografische Karten für die Entwicklung des Tourismus, z. B. für den Kreuzfahrttourismus, und die Liste ist noch länger.”

Fernando Rivas, Kuba-Experte von Botschafter für Menschenrechte erkläutert: Der lukrative Tourismussektor ist zugleich Militär und Familiensache. GAESA-Chef war lange Zeit der im Juli 2022 verstorbene General Luis Lopez Calleja, der Schwiegersohn Raul Castros. Durch die Kontrolle des lukrativsten Teil der kubanischen Wirtschaft finanziert die Castro Familie ihren luxuriösen Lebensstil und den Apparat zur Unterdrückung Andersdenkender.”

Die Kuba-Urlauber werden von den Reiseunternehmen nicht über ihre “Gastgeber” auf der Insel aufgeklärt. Keine Informationen über die Hotelbetreiber, die Besitzer der Surf- und Tauchschulen, Golfplätze, Jachthäfen und Tourenanbieter. Hinter all dem steht GAESA. “GAESA besitzt die profitabelsten Unternehmen des Landes, von 3-, 4- und 5-Sterne-Hotels bis hin zu Tankstellen, einer Fluggesellschaft und Tausenden von Geschäften”, berichtet Dr. Orlando Gutierrez Boronat.

Das jahrzehntelange Leid der Bevölkerung

Geldüberweisungen von Auslandskubanern und Einnahmen aus dem Tourismus sind seit Jahrzehnten die Haupteinnahmequellen der Machthaber auf Kuba. Ohne sie würde die Herrschaft von Militär und Partei implodieren. Es rächt sich, dass das Regime nie andere Wirtschaftszweige entwickelt und Kubas erfolgreiche Zuckerindustrie zerstört hat. Damit das Geschäft mit den Urlaubern funktioniert, braucht die kubanische Führung Partner. Zum Beispiel Hotelketten wie der spanischen Konzerne Iberostar und Melia sowie deutsche Unternehmen wie Alltours und ALDI-Reisen, die devisenbringende Urlauber auf die Insel liefern.

Die kubanische Bevölkerung profitiert demgegenüber nicht. Sie leidet bereits seit über sechzig Jahren an einer Mangelwirtschaft. Anfang 1959 übernahmen die kubanischen Revolutionäre unter der Führung von Fidel und Raúl Castro und des Argentiniers Ernesto Guevara die Macht und errichteten ab 1961 einen sozialistischen Staat, der die Wirtschaft des Landes ruinierte. Das sozialistische Kuba verlor seither seine führende Rolle als Exporteur und Verarbeiter von Zuckerrohr, in der Fischereiwirtschaft und in wesentlichen anderen Teilen der Landwirtschaft darunter sogar dem Tabakanbau.

Seit der Währungsreform zum 1.1.2021 hat die Inflation erneut über 30 Prozent erreicht. Aber schon davor herrschte überall Mangel. Medikamente und Lebensmittel werden aus den USA importiert. Die Regale in den Geschäften sind oft leer. Wenn Waren geliefert warden, stehen die Menschen Schlange vor den Geschäften. Es herrscht Zuckerknappheit (!) und sogar Orangen, Eier, und andere Lebensmittel müssen vom Klassenfeind importiert werden. 30 Eier kosten umgerechnet 5 Euro, ein Kilo Milchpulver 62 Euro, ein kubanischer Arzt verdient im Monat knapp 70 Euro.

Regimekritiker zeigen das L-Zeichen. L steht für Libertad. Bildrechte: BfM

Exodus der jungen Generation

Im Jahr 2023 lebten 88 Prozent der Bevölkerung Kubas unterhalb der Armutsgrenze. Als Reaktion darauf verlassen Jahr für Jahr zehntausende Kubaner ihre Heimat. Vor allem die junge Generation kehrt Kuba den Rücken, um ein neues selbstbestimmtes Leben im Ausland zu beginnen. Viele wollen in den USA leben und fliehen vor der Armut und Perspektivlostigkeit, sowie vor der Diktatur der Kommunistischen Partei, die Andersdenkende verfolgt und inhaftiert.

Die neue große Fluchtwelle begann im Anschluss an die Sozialproteste im Juli 2021, als trotz Verbots tausende Menschen in Kuba auf die Straße gingen um gegen staatliche Repression, für eine demokratische Öffnung des Ein-Parteien-Systems sowie gegen die Versorgungskrise auf die Straße gingen. Als Reaktion darauf wurden zahlreiche Journalisten, Künstler, Aktivisten und Intellektuelle verhaftet. Einige sind zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt worden.

Zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 30. September 2022 sind allein an der US-Grenze 224.607 kubanische Migranten registriert worden. Für die Zeit ab Oktober 2022 bis Ende 2023 dürfte die Zahl weitaus höher liegen. Dieser Exodus erfolgt illegal mit Booten auf dem Wasserweg und seit November 2021 über Nicaragua, daß seither für Kubaner Visafreiheit gwährt. Von dort aus reisen die Emigranten in die Vereinigten Staaten weiter.„Wir beobachten, dass es viele Eltern gibt, die ihre Söhne und Töchter ins Ausland schicken, damit ihre Kinder nicht in Gefahr sind und eine Zukunft haben“, sagt Javier Larrondo von der Nichtregierungsorganisation Prisoners Defenders.

Männliche junge Kubaner lassen sich für das Versprechen von viel Geld und Gewähung der russischen Staatsbürgerschaft auch als Söldner für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine anlocken. Den potenziellen Söldnern für Putin machen Kubas Machthaber keine Probleme schnell ein Visum zu erhalten. Bereits über 1.200 Kubaner sollen in russischen Einheiten als Söldner gegen die Ukraine kämpfen.

Gefängnis wegen Handyvideo im Urlaub – politischer Gefangener aus Deutschland

Das ist den meisten Kuba-Urlaubern unbekannt. So wie sie zum Beispiel trotz zahlreicher Medienberichte das Schicksal der Familie Frometa aus Dresden und Kuba noch nicht kennen. Die Familie hat inzwischen zwei politische Gefangene auf Kuba zu beklagen. Der in Havanna inhaftierte Familienvater Luis Frometa war mit seiner Familie sehr oft selbst als Feriengast auf der Insel. Der deutsche Staatsbürger wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er während einer Urlaubsreise mit seinem Handy filmte, wie bei regimekritischen Massenprotesten am 11. Juli 2021 Gewalt gegen friedliche Demonstanten ausgeübt wurde. Sein Schwager Aldo Delgado aus Havanna wurde mit 5 Jahren Gefängnis bestraft, nachdem er als Zeuge vor Gericht Luis Frometa entlastet hatte. Luis Frometas in Dresden lebende Tochter Janie berichtete immer wieder von Schwerer Körperverletzung gegen ihn im Gefängnis Combinado del Este sowie über mangelnde medizinische Versorgung.

Zugang zum schnellen Geld für Militärs

“Die meisten ausländischem Unternehmen in Kuba haben mit dem Militär zu tun, dies ist auch ausserhalb des Tourismus unvermeidlich. Sehr wichtige Partner sind das kanadische Unternehmen Sherritt International und das französische Unternehmen Bouygues Batiment International, das sogar indische Arbeiter zum Bau von Luxushotels in Kuba eingesetzt hat. Kubanische Arbeitskräfte sind offenbar ungeeignet, obwohl sie für geringere Löhne arbeiten, ergänzt der Kuba-Experte.”

Kubanische Menschenrechtler berichten, dass kubanische Militärs an den Geschäften von Schlepperbanden in den verbündeten Staaten wie Nicaragua, Serbien und Russland beteiligt sein sollen. So wird die Tourismusbehörde, die kubanischen Staatsbürgern Reisen ins Ausland genehmigen muss, von hochrangigen Militärs kontrolliert.

Der sozialdemokratische Aktivist Legren Velez, der seit 1998 in Deutschland lebt, hat stets eine enge Verbindung zu Kuba gehalten. Er sieht viele Urlauber in der Tourismusfalle: “Jeder Tourist wird während seines Urlaubs mindestens einmal vom Militär direkt oder indirekt zur Kasse gebeten. Das geschieht an der Tankstelle, bei der Autovermietung, im Hotel oder beim Buchen des Ausflugsbus.”

Sonderrechte des Militärs

Die Firmen des kubanischen Militärs sind in allen Bereichen der kubanischen Wirtschaft tätig. Sie konkurrieren mit den staatlichen Unternehmen. Den GAESA-Unternehmen wird Vorrang eingeräumt, und wenn ein anderes Unternehmen, sei es ein ausländisches oder ein staatliches, erfolgreicher wird, übernehmen es oft die Militärs.

So übernahm GAESA im Jahr 2016 die Geschäfte von Habaguanex, einem Vermarkter des kubanischen historischen und kulturellen Erbes, darunter auch die Gebäude aus der Kolonialzeit. Außerdem können sich GAESA-Firmen die besten Standorte für ihre Geschäfte aussuchen, z. B. Hotels und Resorts an den wichtigsten Stränden Kubas in Varadero, auf der Insel Santa María, in Ciego de Ávila und Holguín.

Die Rolle des kubanischen Staats und der Kommunistische Partei

Eine Militäroligarchie herrscht unangefochten über Kuba. Der kubanische Staat erbringt Dienstleistungen für die Bevölkerung und verwaltet bestimmte Institutionen, die das Militär weniger interessieren. Dazu erklärt Orlando Gutierrez: “Es gibt einen Grund, weshalb der Kommandant Ramiro Valdez den ernannten Präsidenten Miguel Diaz-Canel im nationalen Fernsehen zum Schweigen bringen kann und warum der kubanische Premierminister Mitglied der Streitkräfte ist. Dieser Grund ist: Die kubanische Regierung besitzt keine starken zivilen Führungskräfte, die wahren Herrscher sind Militärs. Der einzige wichtige Teil der kommunistischen Partei ist das Politbüro. Und dieses wird von den Generälen geleitet, die Mitglieder sind. Unter Raul Castro ist das Militär nur noch stärker geworden.

Freiheit für Luis Frometa, München 11. Juli 2023, Infostand Marienplatz, Podiumsdiskussion, Bilder: BfM
Bilder Freiheit für Luis Frometa, München 11. Juli 2023, Podiumsdiskussion, Bilder: BfM
Bilder Freiheit für Luis Frometa, München 11. Juli 2023,
Podiumsdiskussion, Bilder: BfM
Über Martin Lessenthin 10 Artikel
Der Publizist und Historiker Martin Lessenthin ist Botschafter für Menschenrechte. Er berichtete in verschiedenen politischen Gremien – zum Beispiel Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bunderstages - als Sachverständiger zu Menschenrechtsfragen. Lessenthin wirkt als Autor von gutachterlichen Stellungnahmen für politisch Verfolgte und Glaubensverfolgte sowie für politische Stiftungen und Bildungswerke u.a. im Rahmen der Integration von Geflüchteten. Auf Beschluss des Deutschen Bundestags wurde er 2016 in das Kuratorium des DIMR, dem Deutschen Instituts für Menschenrechte, Berlin gewählt und 2020 für eine zweite Amtsperiode gewählt. Von 2001 bis 2023 wirkte Lessenthin als Vorstandssprecher der Menschenrechtsorganisation IGFM, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Frankfurt/M. Geboren 1957. Journalist. Studium der Geschichtswissenschaften, Politische Wissenschaften, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1989 bis 1998 Chefredakteur Deutsche Gewerkschaftszeitung, Stuttgart. Von 1992 bis 1998 Geschäftsführer Neuer Deutscher Gewerkschaftsverlag, Duisburg/Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Menschenrechtsfragen, Medienpolitik, Gewerkschaften.