Wichtel, Märchen und rätselhafte Felsen: Seltsame Einflüsse an den Helfensteinen

Ausgeburten der Hölle verschleppen Menschen, Quelle: Roland Roth

Erkundung am Dörnberg: Eine unangenehme Bekanntschaft mit einem der zahlreichen Kuhfladen gemacht, knapp einem Regenguss entkommen, unser Hund bekommt seltsame Anwandlungen und wird fast zum Wolf… Für Mystery-Begeisterte ist die Region um den Dörnberg nahe dem hessischen Zierenberg ein Geheimtipp. Uralte Kult- und Opferstätten laden auch heute noch zahlreiche Besucher ein. Seltsame Kräfte wirken hier, so beispielsweise an den beeindruckenden Helfensteinen.

Bei einem meiner Exkursionen zum Dörnberg und dem Aufstieg zu den Helfensteinen, um von dort aus auch einen Blick auf das Dörnbergmassiv zu bekommen, war neben meiner Frau auch unser treuer Hund Otto dabei. Das Dörnbergmassiv ist Teil des 474,28 Quadratkilometer großen Naturparks Habichtswald. Hier befinden sich Berge aus Basalt- und Tuffstein, der an den Bergkuppen herausragt.

An einigen Stellen dieser Region sind deutliche Bearbeitungsspuren durch Menschenhand zu erkennen. Speziell der Hohe Dörnberg war nachweislich bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. besiedelt. Eine besonders langanhaltende Besiedlung ist in der Eisenzeit nachzuweisen. Auf dem wenig bewaldeten Gipfelplateau des Hohen Dörnbergs existiert noch die Struktur eines etwa über einen Kilometer langen, fast dreiecksförmigen Ringwalls, dessen Entstehung wird der Jungsteinzeit zugesprochen. Rund um die Basaltgruppe Helfenstein sind ebenfalls Bodenspuren unklaren Alters vorhanden. Dort wurden Keramikscherben aus der Späthallstattzeit aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr. gefunden. Südlich davon befindet sich die Basaltformation Immelburg, wo ein Steinwall entdeckt wurde, der auf vorchristliche Besiedlung schließen lässt.

Besonders die Helfensteine sind ein Besuch wert. Es handelt sich um markante und weithin einsehbare Basaltfelsen des Jungtertiärs, teilweise mit recht schönen Basaltsäulen.

Animalische Instinkte

Es geht mühsam voran Richtung Gipfel, der Weg zu den Helfensteinen wird mit jedem Meter steiler und der Hund scheinbar immer nervöser. Wesentlich mehr aufgeregt als beim üblichen Mäusejagen wetzt Otto im Zickzack-Kurs über das Feld. So aufgeregt hatten wir ihn selten erlebt. Nun gleicht er mehr und mehr einem Wolf, der seinen Trieben, seinem Jagdinstinkt und seinen animalischen Ursprüngen folgt. Bei Verschnaufpausen „heult“ der Hund fast schon wie seine wilden Verwandten. Die Hälfte des Weges wird extrem steil, hier sind die Vulkanfelsen so zerklüftet, dass die Tritte jeden Schritt zu einem Abenteuer machen und der Vierbeiner sich verletzen könnte. So warten Frau und Hund erstmal auf mich und machen Siesta, während ich allein weiter zur Bergkuppe ziehe.

Der Wichtelkönig

Oben angelangt, bietet sich ein wahrlich prächtiger Ausblick auf das Umland. An der Nordwestseite des Dörnbergs erhebt sich der Blumenstein, ein kahler Basaltfelsen, der die Gestalt einer kleinen Kirche hat und daher vom Volke „Wichtelkirche“ genannt wird. Von der Burg Blumenstein wird die Sage von der Zierenberger Wichtelkirche erzählt, nach der im Schoße des Berges einst ein Wichtelkönig mit zahlreichen Wichteln wohnte. Eines Tages entdeckte der Fürst der Gnome am Abhang des Berges eine liebliche Jungfrau namens Gotelind und war entzückt. In Gestalt eines Menschen näherte sich der Wichtelkönig der geliebten Jungfrau. Er gestand ihr seine Liebe und dass er der König der Wichtel sei, versprach ihr viel Gold und Silber und eine diamantene Krone, wenn sie die Seine werden wolle. Doch bei allem versprochenen Reichtum und aller Pracht lehnte Gotelind das Begehren seines heidnischen Glaubens wegen ab. „Wenn nur das der Grund Deiner Ablehnung ist“, sagte der Wichtelkönig, „so soll ein Priester uns den Segen in einem Kirchlein sprechen“. Daraufhin willigte das Mädchen ein. Ort und Stunde der Vermählung wurden festgesetzt. Die verabredete Johannisnacht kam herbei und der Wichtelkönig hatte kurzerhand ein prunkvolles Kirchlein von seinem Zwergenvölklein zur Hochzeit errichten lassen. Sein Inneres strahlte vom Glanz der Lichter, und süße Melodien ertönten aus ihr über Feld und Wald. Im feierlichen Zug trat das Paar in die Kapelle. Trotz aller Pracht war das Herz des Mädchens mit Angst und Scheu erfüllt, denn alles schien ihm kalt und seelenlos. Und als die Jungfrau auf des Priesters Aufforderung ihr feierliches Ja-Wort geben sollte, da stöhnte sie: „Nein!“ Im selben Augenblick erfüllte furchtbarer Donnerschlag das Kirchlein, Blitze zuckten, die Lichter erloschen, alle Pracht war verschwunden. Da, wo noch eben die Kirche in leuchtendem Kristall zur Hochzeitsfeier festlich geschmückt stand, erhob sich ein Felsen starr und kahl in Gestalt einer Kirche, der heutigen Wichtelkirche.

Seltsame Kräfte

Ich treffe später beim Abstieg meine Frau und unseren Hund wieder, der zumindest ein wenig ruhiger wirkt. Auch als wir den Dörnberg verlassen und etwas weiter weg sind, wird Otto immer entspannter.

Welche seltsamen Kräfte mochten hier am Werk gewesen sein, die unser Hund mit seinen ausgeprägten Sinnen wahrnahm? Messungen mit professionellem Gerät wären hier angeraten, um etwaige Energien nachzuweisen oder um festzustellen, ob und woher diese rätselhaften Einflüsse kamen. Vielleicht ist es für den ein oder anderen technisch versierten Kollegen von Interesse, auch um eventuell unterschiedliche Meinungen über diese Region einzuholen und wie sie auf Mensch und Tier wirkt. Weitere Untersuchungen diesbezüglich stehen jedenfalls noch aus.

Bislang ist lediglich bekannt, dass sehr sensible Menschen auf der Anhöhe eine recht kraftvolle Erdenergie spüren und Leylines sollen aus fünf verschiedenen Richtungen kommen und sich in der Mitte zwischen den Felsen bündeln. Es gibt auch innerhalb der Felsen einige sehr intensive Bereiche, wenn man sich ein wenig darauf konzentriert. Spürte unser Hund diese Energien bereits beim Aufstieg, noch bevor wir etwas davon merkten?

Teuflische Einflüsse?

Auch der Teufel persönlich treibt nach altem Volksglauben rund um den Dörnberg sein Unwesen, vom Hohen Dörnberg über die mystischen Helfensteine bis in die grasige Hochebene des Kleinen Dörnbergs soll er wüten.

Der Beelzebub soll am Dörnbergmassiv schon so manchem Wanderer begegnet sein. Hier wäre man gut beraten, Fersengeld zu geben und sich das markerschütternde Lachen lieber aus der Ferne anzuhören, denn gern hortet der Teufel den Erzählungen nach die Seelen der Menschen und sperrt diese in die unzugänglichen Felskammern bei den Helfensteinen ein. Das Selbige gilt auch für den nahegelegenen „Schreckenberg“, der seinen unrühmlichen Namen wohl nicht von ungefähr hat.

„Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten“, so heißt es im Glaubensbekenntnis. Das Wandgemälde des Jüngsten Gerichts in der Zierenberger Stadtkirche zeigt dieses Ereignis ziemlich drastisch. Die Kirche besitzt zahlreiche Wandmalereien, doch gerade die Darstellung der Jüngsten Gerichts lässt schaudern. Die gruseligen Bilder zeigen den Teufel und andere Kreaturen der Hölle. Menschen werden auf spitzen Ästen aufgenagelt und gepfählt. In einer Szene sieht man, wie der Höllenfürst persönlich die Seelen der Verdammten mit Schubkarren in den Höllenrachen befördert. Andere Szenen zeigen Höllenkreaturen, welche die Unglücklichen einfach mitzerren oder Huckepack einsammeln, um sie ins Höllenreich zu befördern. Die Wandmalereien stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert wurden sie im Auftrag von Landgraf Moritz dem Gelehrten im Zuge des Bildersturms übertüncht, 1934 wieder freigelegt und später restauriert.

Der teuflische Einfluss soll sich noch bis heute bewahren, erzählen Anwohner unter hervorgehaltener Hand. Von alteingesessenen Familien soll in der Weihnachtszeit der fünfzackige Weihnachtsstern traditionellerweise so angebracht werden, dass die Spitze des Pentagramms nach unten zeigt. Hier muss sich also etwas Teuflisches abgespielt haben, wenn das umgedrehte Pentagramm als Satanssymbol das Fest der Liebe überstrahlt.

Begegnungen mit der Anderswelt

Seltsame Erlebnisse hatten auch schon andere, lange vor uns in vergangenen Zeiten, so weiß auch ein Märchen mit dem Titel „Der Schatz im Krambühl“ davon zu berichten:

Zwischen Zierenberg und dem Dörnberg liegt ein kahler Hügel, der Krambühl genannt. Als der Schafhirt von Zierenberg eines Abends seine Wohnung verließ, um die Nacht bei seiner Herde zuzubringen, gewahrte er plötzlich in der Nähe des Krambühls einer Frau, die ihm winkte, zu ihr herüber zu kommen. Schweigend deutete die Frau auf den Hügel. Der Schäfer verstand den Wink, nahm seine Schippe und fing an, den Boden umzugraben. Es dauerte nicht lange, und er hatte einen Kessel voller Goldstücke freigelegt. Groß war seine Freude, als ihm die Frau zu verstehen gab, dass er den Kessel samt Goldstücken mitnehmen und behalten könne. Der Kessel war jedoch so schwer, dass er ihn nicht allein heben konnte. Schon wollte er entmutigt die Arme sinken lassen, da raffte er noch einmal zu einem letzten Versuch all seine Kräfte zusammen und hob den Kessel von der Stelle. Wegen der großen Anstrengung glitt ihm aber ein ächzendes „Hilf Gott“ über die Lippen, und schon stand er allein im Abenddunkel: Kessel, Grube und Frau waren verschwunden. Später hat er oft mit der Hacke den Boden aufgewühlt, aber nie fand er wieder die Spur von dem Kessel …

Welche mysteriöse Begegnung ist dem Schäfer wohl widerfahren? Hat das auch nur entfernt mit dem Märchen der „Weißen Frau“ zu tun, das sich auch unweit dieser Gegend erzählt wird? Hier hatte ebenfalls ein Schäfer eine höchst seltsame Begegnung:

Auf dem Schartenberg liegt die Ruine der Schartenburg. Nur der Turm ist noch erhalten, doch ist an Mauerresten, Gräben und Wällen im Wald die einstige Größe dieser Doppelburg noch gut zu erahnen. Vor langer Zeit, als die Burg schon nicht mehr bewohnt war und zu zerfallen begann, lagerte an einem Frühlingsmorgen ein Schäfer mit seiner Herde am Hang unterhalb der Burg. Er war unverschuldet in Armut geraten und dachte nun traurig über sein Schicksal nach, als plötzlich eine weiß gekleidete Jungfrau vor ihm erschien. Sie sagte: „Geh mit mir in den Berg, dort erwarten Dich große Reichtümer. Zuvor musst Du aber eine schöne Blume brechen. Diese sollst Du mit in den Berg nehmen und nicht loslassen, denn sie ist das Wertvollste.“

Der Schafhirte tat, wie ihm die Jungfrau geheißen. Er pflückte eine kleine Blume, die er vorher noch gar nicht bemerkt hatte und folgte der Jungfrau in den Berg, der sich vor ihnen auftat. Da lagen Berge von Gold vor ihm. Die Jungfrau sagte, er dürfe davon nehmen, soviel er wolle. Der Schäfer stopfte sich die Taschen mit Gold voll.

Vor lauter Freude über den unverhofften Reichtum dachte er aber nicht mehr an die Anweisung der weißen Frau. Er vergaß das Blümlein und trat mit seinen Schätzen aus dem Berg heraus. Da schloss sich mit einem Krachen der Berg. Jungfrau und Gold waren verschwunden und er war wieder nichts als ein armer Schäfer. Wer aber gut aufpasst, kann vielleicht an einem schönen Frühlingstag das kleine Blümchen finden …

Das Phänomen einer seltsamen Blume und sagenhaften Schätzen im Inneren eines Berges ist in der Märchen- und Sagenwelt keine Seltenheit, diese Erzählungen lassen sich vielerorts auf ähnliche Weise mit analogen Inhalten finden. Welche fremde Dimension wurde den damaligen Augenzeugen gewahr, als sie ungewöhnlichen Wesen vermeintlich in das Innere eines Berges folgten? Bricht hier das Verständnis von der Realität von Zeit und Raum? Existieren Portale in eine mysteriöse Anderswelt?

Etwas anderes ist am Dörnberg ebenfalls schon fast seltsam: Als wir den Berg erklimmen und dort verweilen, ist meilenweit keine Kuh zu sehen, aber als wir hiernach am Fuße im naheliegenden Café Helfensteine sitzen, stehen „plötzlich“ jede Menge Kühe auf der Weide, als ob sie schon die ganze Zeit da gewesen wären. Das aber möchte ich keineswegs als Beleg dafür nehmen, dass sich der Berg öffnete und die Kühe irgendwo hervorkamen. Möglicherweise haben wir nur nicht genug aufgepasst, woher die Kühe kamen. Zumindest würde der berühmte Wilhelm von Ockham (1287-1347) so argumentieren, nachdem die einfachste Erklärung meist die Wahrscheinlichste ist …

Infos:

► Seit 2007 befindet sich auf dem weitläufigen Gelände ein Seminar- und Veranstaltungszentrum, das Zentrum Helfensteine mit dem Restaurant Café Helfensteine, ehemals Café Eden. Im Jahre 2009 eröffnete in einem der Gebäude das Besucher- und Informationszentrum Naturparkzentrum Habichtswald sowie ein Tagungszentrum.

► Adresse: Auf dem Dörnberg 13 in 34289 Zierenberg. Das Café befindet sich am Fuße der Helfensteine. Google® Plus Code Koordinaten der Helfensteine: 986X+HF Zierenberg.

 

Mehr über mysteriöse Orte finden Sie im zahlreich bebilderten Buch:

Roland Roth

Merlins Garten

Mythen, Megalithen und vergangene Welten

ISBN 9783756518760

212 Seiten, Paperback

Dokumentiert mit zahlreichen Fotos in Farbe und in s/w

Über Roland Roth 15 Artikel
Roland Roth, Jahrgang 1971, ist seit vielen Jahren Autor von populärwissenschaftlichen Artikeln in verschiedenen Fachzeitschriften und Anthologien. Sein neues Buch trägt den Titel „Merlins Garten – Mythen, Megalithen und vergangene Welten“. Etliche Reisen und Recherchen an mystischen Plätzen und vergessenen Orten sind seine besondere Leidenschaft. Darüber hinaus ist Roland Roth ein großer Hundefan und engagiert sich in der Altenhilfe.