Die geopolitische Einordnung des Ukraine-Krieges
Die Welt befindet sich in einem epochalen Umbruch: Aus einer unipolaren Welt, mit dem Hegemon USA, wird eine multipolare. China ist im Begriff, die neue Weltmacht zu werden. Zwar sind die USA militärisch gesehen die unangefochtene Nummer eins. Aber wirtschaftlich gesehen hat China bereits die USA überholt. Das westliche Europa ist im wirtschaftlichen Niedergang begriffen und hat an politischer Bedeutung verloren, aber keiner merkt es oder will es nicht wahr haben.
Im Gegensatz zum westlichen Europa wird im Weißen Haus eine geostrategische Langzeitplanung durchgeführt. Die USA hat es geschafft, eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland zu beenden und Russland vom westlichen Markt abzudrängen. Nachdem die damalige Außenministerin Baerbock und der jetzige Amtsinhaber Wadephul bekundet haben, dass Deutschland „niemals“ wieder etwas mit Russland zu tun haben will, werden im Weißen Haus sicherlich die Sektkorken geknallt haben. Das Ziel „keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“ ist in allen Belangen erreicht worden.
Dennoch hat es hier zwei schwerwiegende Betriebsunfälle gegeben:
Zum einen kann die USA sich nicht mehr beliebig verschulden. Das liegt daran, weil es mit dem Petro-Dollar nicht mehr funktioniert. Als Ersatz für den Gold-Standard kam der Petro-Dollar. Die Erdölförderstaaten mussten sich verpflichten, ihr Öl stets gegen Dollar zu verkaufen. Dadurch konnten sich die USA nach Belieben verschulden und ihre Inflation exportieren. Die Machthaber Libyens, Muammar al-Gaddafi, und Iraks, Saddam Hussein, mussten es noch mit ihrem Leben bezahlen, weil sie es wagten, ihr Öl auch gegen andere Währungen zu verkaufen. Jedoch als die BRICS-Staaten sich zu einem Wirtschaftsblock formierten, ging es mit der Vorherrschaft des Dollars zu Ende. Selbst Saudi-Arabien, einst der treueste Verbündete der USA, strebt dort eine Mitgliedschaft an. –Die Konsequenz ist, dass sich die USA nicht mehr den Schutz des westlichen Europas, den Ukraine-Krieg und ein Engagement auf dem Pazifischen Meer gleichzeitig leisten können. Deshalb will sich die US-Regierung unter Trump allein ihrem größten Rivalen, China, widmen, was bei den NATO-Staaten in Europa überhaupt nicht gut ankommt.
Zum anderen verläuft der Ukraine-Krieg, ein Stellvertreter-Krieg, nicht so, wie es sich die USA vorgestellt haben. Die Ukraine wurde nach dem von den USA mit mehreren Milliarden Dollar herbeigeführten Putsch im Februar 2014 vom Westen massiv aufgerüstet. Dennoch vermag sie nicht, Russland militärisch zu besiegen. Die Russen rücken langsam, aber beständig vor und die Ukraine vermag in diesem Abnutzungskrieg keine zusammenhängenden militärischen Gegenvorstöße mehr zu organisieren. Ihr fehlen schlichtweg die Soldaten, und der Verlust an militärischen Gerätschaften ist unglaublich hoch. Zudem sind sich die USA nicht sicher, wieviel Geld aufgrund der grassierenden Korruption in der Ukraine wirklich am Bestimmungsort ankommt. Die vielen Sanktionspakete der USA und der EU haben sich nicht so verheerend auf Russland ausgewirkt, wie erhofft. Russland ist auch nicht isoliert, sondern hat die BRICS-Staaten hinter sich. Was die US-Regierung am meisten stört ist, dass entgegen der Voraussagen ihres ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters und Politikwissenschaftlers Zbigniew Brzezinski sich Russland und China so nahe gekommen sind wie noch nie zuvor.
Obwohl der Krieg in Europa stattfindet, gehen von den EU-Staaten und Großbritannien keine ernsthaften diplomatischen Bemühungen aus, das Sterben an der Ukrainefront zu beenden. Stattdessen wundern sie sich noch, wenn sie bei Verhandlungen zwischen den USA, Russland und der Ukraine am Katzentisch sitzen.
Gesellschaftliche Umbrüche sind Zeiten für Zombies
In der Menschheitsgeschichte gehen den gesellschaftlichen Umbrüchen eine Verschärfung der Widersprüche zwischen einzelnen Volksschichten oder zwischen den Machthabern und dem zugehörigen Staatsvolk voraus. Diese münden oftmals in der Einengung der persönlichen Freiheiten, in einen Bürgerkrieg oder in einem Krieg gegen andere Nationen als letztes Mittel des Machterhalts. In Frankreich gab es nach der Französischen Revolution, als der Feudalismus durch den Kapitalismus abgelöst wurde, eine (grausame) Diktatur der Jakobiner. Viele Adlige, aber auch politisch unliebsame Personen gerieten unter die Guillotine.
In vielen Staaten des westlichen Europas haben die Politiker und die Medien ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Das liegt unter anderem daran, dass eine zunehmende Entkopplung vom Volk erfolgt ist, eine ideologiegetriebene Berichterstattung und Politik betrieben wird und Politiker nicht einmal mehr bei nachgewiesenem Versagen zurücktreten. Zudem besteht, zumeist der schlechten Politik geschuldet, eine enorme Staatsverschuldung. Der finanzielle Spielraum wird für künftige Generationen immer enger. Um an der Macht zu bleiben, wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt, werden Feindbilder geschaffen und Ängste geschürt. Beispiele für die Einengung der Meinungsfreiheit sind das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), der Digital Services Act (DSA), die Einrichtung von Meldestellen und Hausdurchsuchungen aufgrund von ironisch gemeinten Tweets. Auf YouTube verschwinden immer mehr Militärblogger, die von der Ukraine-Front berichten. Von zehn deutschsprachigen Berichterstattern sind in den letzten Monaten acht aus YouTube verbannt worden. Es geht dabei nicht darum, zu zeigen, wie Gebäude oder Militärgeräte explodieren oder Soldaten verstümmelt werden oder sterben, sondern lediglich, wie der aktuelle Frontverlauf ist. Im ÖRR werden zwar zerstörte Gebäude in der Ukraine gezeigt, aber nicht, wie die aktuelle Front verläuft. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass das Volk gar nicht wissen soll, wie die Situation im Ukraine-Krieg wirklich ist, in welcher miserablen Verhandlungsposition sich die Ukraine befindet. Wenn dann die Politiker der westlichen europäischen Staaten an Russland für die Friedensverhandlungen Maximalforderungen stellen und seine Sicherheitsbedürfnisse vollkommen ignorieren, dann stellt sich schon die Frage, in welcher Welt diese leben oder ob sie wirklich an der Beendigung des Krieges interessiert sind.* In der ZDF-Sendung mit Maybrit Illner am 23. Oktober 2025 wies Reinhard Merkel, emeritierter Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, darauf hin, dass (mit Ausnahme von Deutschland) seit 1945 keine Großmacht mehr Reparationen gezahlt hat.
In der Zeit der Corona-Krise wurden die Grundrechte der Menschen drastisch eingeschränkt. Zuweilen waren die Politiker in dieser Situation zu weit gegangen. Offenbar haben einige Politiker am Rausch der Macht Gefallen gefunden. Durch Schüren von Ängsten, wie zum Beispiel, dass Putin spätestens 2029 das westliche Europa angreifen würde, soll das Volk in eine Schockstarre versetzt und klares Denken über geopolitische Zusammenhänge verhindert werden. Pikanterweise kommt diese „Warnung“ nicht von den Generalstäben der Nato-Staaten, sondern von transatlantischen Denkfabriken… Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Kriegshysterie sind, zugespitzt gesagt, für die Machtelite willkommene Gelegenheiten, vom eigenen Versagen in der Innen- und in der Außenpolitik abzulenken.
Sowohl innen- als auch außenpolitisch glauben die Machteliten des westlichen Europas, die Guten zu sein und deshalb das Recht brechen zu dürfen. Ein Beispiel dafür ist die Absicht der EU-Kommission (und einiger Staatsoberhäupter in der EU), die eingefrorenen russischen Zentralbankgelder in Höhe von 275 Milliarden Euro der ukrainischen Regierung zur Verfügung zu stellen. Dass solches Rechtsverständnis Investoren abschreckt, in der EU zu investieren, steht auf einem anderen Blatt…
Die krampfartigen Versuche der Machtelite des westlichen Europas, Gelder zusammenzukratzen, um die Aufrüstung und den Ukraine-Krieg weiter („bis zum letzten Ukrainer“) finanzieren zu können, sollten bei jedem Bürger die Alarmglocken schrillen lassen. Denn die EU-Kommission plant ein EU-weites Vermögensregister anzulegen. Ursula von der Leyen und Friedrich Merz träumen schon jetzt ganz laut davon, dieses Geld zu „mobilisieren“.
In Deutschland und in der EU-Führungsriege ist der Russenhass wieder gesellschaftsfähig geworden. Indem durch Politiker und durch den ÖRR die Rolle und die Opfer Russlands bei der Zerschlagung von Hitlers Regime heruntergespielt werden, betreiben diese Geschichtsrevisionismus. Es wird vollkommen außer Acht gelassen, dass Russland auch in 100 Jahren noch ein Nachbar des westlichen Europas sein wird. Wenn die Politiker die von ihnen viel beschworene Demokratie ernst nehmen würden, dann müssten sie sich ihrem Volk gegenüber verpflichtet fühlen, auch mit Russland zumindest einen Minimalkonsens zu finden… Der von den baltischen Staaten und von Polen hineingetragene Russenhass scheint in der EU der neue Kitt zu sein, mit dem die Führungsriege die auseinander strebenden Staaten zusammen halten will. In der EU-Kommission sticht die EU-Außenbeauftragte, Kaja Kallas, als eine einschlägige Russenhasserin heraus. Angesichts dieser personellen Fehlbesetzung bleibt in der EU-Politik eine realistische Einschätzung der Situation aus, wird es keine pragmatischen Lösungen geben und steht den EU-Staaten eine turbulente Zukunft bevor. –Michael Gorbatschow sprach Anfang der 1990-er von einem „gemeinsamen Haus Europa“ und von einer „unteilbaren Sicherheit“. Davon ist das jetzige Europa weiter als je zuvor entfernt. Gorbatschow starb mit großer Verbitterung, weil ihn der Westen vollkommen im Stich gelassen hat…
Inmitten der gesellschaftlichen und geopolitischen Umbrüche ist Trump als eine erratisch agierende Person in den USA zum Präsidenten gewählt worden. In den US-amerikanischen Machtzirkeln ist man sich durchaus bewusst, wie ihre Macht unaufhaltsam gen Osten abfließt. Hier gibt es zwei grundlegende Ansichten, wie darauf zu regieren wäre: Die Anhänger der einen Strömung wollen mit Zuckerbrot und Peitsche das alte System, das in Wirklichkeit nicht mehr besteht, zusammenhalten. Diesem System fühlt sich übrigens die Machtelite des westlichen Europas verpflichtet. Die Verfechter der anderen Gedankenrichtung akzeptieren, dass die Welt geopolitisch gesehen nicht mehr unipolar ist und dass Russland durch lukrative Angebote aus dem engen Bündnis mit China gelockt werden soll. Donald Trump steht für das letztgenannte Gedankenmodell. Zum Unmut der Machtelite des westlichen Europas spielt für ihn Europa keine Rolle mehr. Trump glaubt, durch schnelle „Deals“ die Probleme in der Welt zugunsten der USA lösen zu können. „Deals“ können allerdings keine internationalen Regelungen und keine vorausschauende langfristige Politik ersetzen…
Sollte die ukrainische Regierung unter Wolodimir Selenskyj nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben, dann besteht die Gefahr, dass diese eines Tages die bedingungslose Kapitulation unterschreiben muss. Möglicherweise entsteht dann ein Rumpfstaat, der im schlimmsten Fall keinen Zugang zum Meer mehr haben wird. Es besteht dann die Gefahr, dass die Ukraine dann eine Regierung haben wird, die zutiefst nationalistisch / nationalsozialistisch und russenfeindlich ist und von Bandera-Anhängern gestützt wird, welche ihr Land zu einem ewigen Unruheherd Europas machen. Die Frage ist, ob dieses Land dann noch für die EU interessant ist, oder ob sie ihre so oft beschworenen Werte über Bord wirft.
Wie dem auch sei, mit Ende des Ukraine-Krieges kommt es für die Machtelite zum Offenbarungseid. Dann muss sie dem Volk erklären, was ihm der Krieg gekostet hat und ob es angelogen worden ist. Es wird sich die Krise der Legitimität der Machtelite verschärfen. Davor hat sie Angst. Aus diesem Grund könnte der Ukraine-Krieg für das westliche Europa auf unbestimmte Zeit weiter gehen.
*) ntv Nachrichten, Reisner drängt auf Ehrlichkeit: „Was wir machen, ist unmoralisch“
