Internationale Reaktionen auf das Verbot der russischen Zeitung Nowaja Gaseta

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Journalisten-Organisationen protestierten gegen das Urteil. Das französische Außenministerium formulierte scharfe Kritik. Johannes Schütz fragte in Deutschland das Auswärtige Amt um eine Stellungnahme an.

Vom Außenministerium in Berlin konnten wir erfahren, wie die Lage der Medien in Russland beurteilt wird. Gerade im Zusammenhang mit dem aktuellen Verbot der demokratischen Zeitung Nowaja Gaseta, das als schwerer Angriff aud die Pressefreiheit betrachtet werden muss.

„Der Entzug der Drucklizenz der Nowaja Gazeta, für deren Arbeit Chefredakteur Dmitri Muratow im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden ist, ist ein weiterer, schwerer Schlag für die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland, die mittlerweile praktisch abgeschafft ist“, wurde uns vom deutschen Außenministerium mitgeteilt.

Dabei wird die Untersagung der Nowaja Gaseta auch in Verbindung mit dem Ende der Ära Gorbatschow gebracht:

„Dieser Schritt, der nur zwei Tage nach der Beerdigung Michail Gorbatschows, des langjährigen Förderers der Nowaja Gazeta erfolgte, ist ein weiterer Beleg, dass die russischen Regierung vor nichts zurückschreckt, um den Menschen in Russland die Wahrheit über den verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dessen Folgen vorzuenthalten“.

Frankreich findet deutliche Worte

Die Fakten über den Krieg in der Ukraine, den die russischen Machthaber führen, sollen unterdrückt werden. Entsprechend deutlich wurden vom französischen Außenministerium die Übergriffe der russischen Behörden auf die Pressefreiheit verurteilt. Im Namen von Frankreich wurde in einem Communiqué am 6. September dazu tiefe Besorgnis mitgeteilt:

„Frankreich ist sehr besorgt über die Kampagne an Unterdrückung, die die russischen Behörden führen, gegen Stimmen, die kritisch über die Machthaber berichten und über deren Angriffskrieg gegen die Ukraine„.
(Originalzitat: „La France est très préoccupée par la campagne de répression menée par les autorités russes à l’encontre des voix critiques du pouvoir et de sa guerre d’agression contre l’Ukraine„).

In der Stellungnahme des französischen Außenministeriums wurden die Fesseln angeprangert, die der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit in Russland angelegt wurden. Ausdrücklich wurde der Entzug der Lizenz für die Zeitung Nowaja Gaseta bedauert, der nur wenige Tage nach dem Begräbnis von Michail Gorbatschow erfolgte:

„La France déplore ainsi la révocation hier par un tribunal de Moscou de la licence de diffusion de l’édition papier du média Novaïa Gazeta quelques jours après le décès de Mikhaïl Gorbatchev“.

Frankreich forderte Russland entschieden auf, die Menschenrechte und die Grundrechte zu beachten: „La France appelle les autorités russes à respecter les droits de l’Homme et les libertés fondamentales“.

Putin fürchtet Wahrheit

Noch entschiedener reagierte die U.S. Helsinki Commission (CSCE) in Washington. Vorsitzender ist Senator Ben Cardin. Bereits am 29. März 2022 wurde ein Hearing durchgeführt, mit dem der russische Krieg gegen die Wahrheit untersucht wurde, der die Invasion in der Ukraine begleitete: “Putin’s War on Truth“.

Nach dem Verbot der Nowaja Gaseta fand Senator Cardin klare Worte:

„Der Angriff des Kremls auf die letzten Überreste unabhängiger Medien in Russland bestätigt, dass Wladimir Putin Angst vor der Wahrheit hat. Nowaja Gaseta ist seit ihrer Gründung im Jahr 1993 durch den späteren Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratov mit Unterstützung des verstorbenen sowjetischen Führers Michail Gorbatschow eine Säule der freien russischen Medien.“ („Helsinki Commission Slams Shutdown of Novaya Gazeta“, 8. September 2022)

OSZE für Medienfreiheit

Teresa Ribeiro ist die Sonderbeauftragte der OSZE für Medienfreiheit. Noch wird der Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)  in Wien gehalten.

Ribeiro stammt aus Portugal und verfügt über wertvolle Erfahrungen. Sie war Staatssekretärin für Europa in portugiesischen Außenministerin, Präsidentin der Nationalen Kommission für Menschenrechte und Präsidentin des Instituts für Medien in Portugal.

Teresa Ribeiro zögerte nicht, die Schließung der Nowaja Gaseta zu verurteilen. In ihrer Erklärung vom 6. September forderte sie die russischen Behörden nochmals auf, die Bestimmungen der OSZE bezüglich der Medienfreiheit uneingeschränkt zu beachten.

Die Sonderbeauftragte für Medienfreiheit wurde mit dem Mandat ausgestattet, in allen 57 OSZE-Teilnehmerstaaten für den Schutz und die Förderung der Medienfreiheit zu sorgen. Russland ist als Rechtsnachfolger der Sowjetunion ein Mitgliedsstaat der OSZE, die die Schlussakte von Helsinki am 1. August 1975 und die Charta von Paris für ein neues Europa am 1. November 1990 unterzeichnete.

Mit der Pariser Charta sollte „ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit“ geschaffen werden. Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten wurden damit vereinbart.  Als Teilnehmerstaat sollte Russland auch freie Meinungsäußerung und freie Medien garantieren.

Proteste internationaler Journalisten-Organisationen

Die International Federation of Journalists (IFJ), mit Sitz in Brüssel, die Journalisten aus mehr als 140 Ländern vertritt,  formulierte deutliche Kritik. Es wurde die „Verspottung der Justiz“ verurteilt, die mit dieser Entscheidung zum Ausdruck kam. Es wurde gefordert, dass der Entzug der Zeitungslizenz von den russischen Behörden rückgängig gemacht wird.

Für das Committee to Protect Journalists (CPJ) erklärte Direktor Carlos Martinez de la Serna am 15. September: „Die Behörden müssen die Online- und Drucklizenzen der Nowaja Gaseta wiederherstellen und alle Medien frei arbeiten lassen“.

CPJ ist eine unabhängige Organisation mit Zentrale in New York, die die Pressefreiheit weltweit sichern möchte.  Schon am 6. September befand CPJ zum Verbot der Printausgabe der Nowaja Gaseta:
Die Publikationen sollen  nicht mehr zensiert und die Mitarbeiter nicht mehr belästigt werden„.

CPJ fragte zu diesem Zeitpunkt auch die Zensurbehörde Roskomnadsor und das zuständige Gericht in Moskau um Stellungnahmen an, doch wurde keine Antwort erhalten.

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Über Johannes Schütz 100 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel