PROPHET IN JERUSALEM: SCHALOM BEN-CHORIN Filmische Zeitdokumente von Emanuel Rund Pasinger Fabrik: Mittwoch, 8.4.2015, 19 Uhr

Von München nach Jerusalem hatte ihn 1935 das Schicksal hingeführt.
Eine schmerzhafte Zäsur im Leben des jungen, in der Zweibrückenstraße nahe dem Isartor geborenen Fritz Rosenthal (1913-1999), der sich nach seiner Auswanderung Shalom Ben-Chorin – Friede, Sohn der Freiheit – nannte. Ein hell klingender, bedeutsamer Name, der jedem geläufig ist, der sich mit Fragen des interreligiösen Diskurses je beschäftigt hat. Ein Kind assimilierter deutscher Juden, der „katholische Frömmigkeit an der Hand seines Dienstmädchens kennen gelernt“ hatte, ehe ihm „die Glaubenswelt des Judentums begegnete“.
München trug Ben-Chorin Zeit seines Lebens stets im Herzen. Denn – wie er schrieb – „ein Land kann man verlassen, …aber die Sprache ist so sehr Teil unserer eigenen Existenz, dass es hier keine Trennung geben kann.“
Nach München, das eine Straße im Westend / Schwanthalerhöhe nach ihm benannt hat, kam der berühmte Schriftsteller deutscher Sprache und im christlich-jüdischen Dialog engagierte Religionswissenschaftler sowie Begründer des Reformjudentums erstmalig 1980 als Besucher zurück. Weitere Reisen und eine Gastprofessur an der LMU folgten. Sein Arbeitszimmer wurde 2009 samt Bibliothek von Jerusalem nach München transferiert und detailgetreu im Hauptstadtarchiv rekonstruiert. Der „zartgeliebten Stadt“ hat Ben-Chorin mit seiner kostbaren Autobiographie „Eine Jugend an der Isar“ (1974) ein Denkmal der unstillbaren Nostalgie gesetzt. Nostalgie des u.a. im Umfeld vom „George-Kreis“ herangereiften Autor vor allem nach jenem unwiederbringlichen kulturellen Reichtum, den der Nationalismus gewaltsam weggefegt hatte.
In einem Film des deutsch-US-amerikanischen Regisseur Emanuel Rund wird ein Treffen mit zehn Schülern unterschiedlicher Konfessionen – Juden, Christen und Muslimen – des auch von Ben-Chorin besuchten Luitpold-Gymnasiums festgehalten, die er persönlich nach Jerusalem begleitet hatte. Erzählt wird auch über den deutsch-jüdischen Kreis in Jerusalem, zu dem sein Vater, der Schriftsteller Arno Rund, Martin Buber und Gershom Scholem angehörten. Der Film ist eine Hommage an den Brückenbauer im deutsch-jüdischen Dialog und an den Mentor seit seiner in Jerusalem verlebten Kindheit. Gezeigt wird er als wichtiges Zeitdokument im Rahmen des KULTURFESTIVALS MAZAL TOV! 50 JAHRE ISRAEL-DEUTSCHLAND und als Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Ich lebe im Osten, aber mein Herz ist im Westen“ in der Pasinger Fabrik.
In einem weiteren Film vom Jahre 1995 wird eine Begegnung zwischen jungen Deutschen und drei Generationen von Juden aus ihrer deutschen Heimatstadt dokumentiert. „Von der ersten Generation“ – lautet Runds Kommentar – „hören sie Geschichten, mit der zweiten diskutieren sie, mit der dritten spielen sie Basketball.“ Der Film ist als historischer Baustein zur Einrichtung des von Emanuel Rund mit initiierten Internationalen Holocaust-Gedenktags am 27. Januar anzusehen. Der in Jerusalem aufgewachsene Filmemacher lebt seit 1984 in München. Er kam nach Deutschland zurück, um die Spuren seiner Familie im ganzen Land zu suchen. Zwei seiner zahlreichen Doku-Filme sind in Zusammenarbeit mit Elie Wiesel entstanden. Sein mehrfach ausgezeichneter und bei verschiedenen Festivals präsentierter Film „Alle Juden raus!“ kandidierte für den Oscar.

Der Regisseur ist anwesend für Q & A und Diskussion

Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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